Punit Renjen will "nicht versuchen, Hasso Plattner zu sein"
SAP-Hauptversammlung wählt Renjen als Nachfolger des Mitgründers in den Aufsichtsrat. Der Amerikaner gibt sich demütig und ambitioniert zugleich.

Von Matthias Kros
Mannheim. Mit der Wahl von Punit Renjen in den Aufsichtsrat sind die Weichen für den Rückzug des letzten Mitgründers von SAP gestellt. Die Hauptversammlung des Softwarekonzerns stimmte am Donnerstag mit einer Mehrheit von über 99 Prozent für den indischstämmigen Amerikaner.
Nach einer Übergangszeit von einem Jahr soll der ehemalige Chef des Beratungsunternehmens Deloitte dann im Mai kommenden Jahres den Vorsitz in dem Kontrollgremium von dem 79-jährigen Hasso Plattner übernehmen. Renjen würde damit der erste externe Aufsichtsratschef seit 26 Jahren bei dem Softwarekonzern.
Seine Wahl komme einer Revolution gleich, sagte Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka, bei dem Aktionärstreffen in der SAP Arena in Mannheim. "Möglicherweise ist es aber genau das, was SAP benötigt."
Plattner hatte SAP 1972 gemeinsam mit Dietmar Hopp, Claus Wellenreuther, Klaus Tschira und Hans-Werner Hector gegründet. Von 1997 bis 2003 war er Vorstandssprecher, im Anschluss wechselte er an die Spitze des Aufsichtsrats. Der 79-Jährige überschritt damit die unternehmensintern geltende Regelaltersgrenze von 75 Jahren sowie die Regelzugehörigkeitsdauer im Aufsichtsrat von zwölf Jahren deutlich. Plattner habe den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören verpasst und versäumt, einen geeigneten Nachfolger aufzubauen, hieß es deshalb bei den Hauptversammlungen der vergangenen Jahre immer wieder.
Der 79-Jährige verteidigte sein Vorgehen am Donnerstag. Es sei nicht einfach gewesen, einen geeigneten Nachfolger zu finden, sagte er. So habe sich eine bevorzugte interne Lösung genauso zerschlagen wie die Suche unter früheren Vorständen.
Renjen sei nun aber ein "exzellenter Kandidat" mit einer "herausragenden Erfolgsbilanz", so Plattner vor den rund 2000 Aktionären. "Ich habe ihn gebeten, mich mit Fragen zu löchern, und werde alles dafür tun, um eine ordnungsgemäße Übergabe zu ermöglichen".
Renjen machte bei seiner kurzen Ansprache deutlich, dass er ein aktiver Aufsichtsratsvorsitzender sein will. Das Potenzial, das noch in SAP schlummere und das es zu entfesseln gelte, sei für ihn Inspiration und Anspruch zugleich.
Der 61-Jährige verwies mit Stolz auf seinen eigenen mitunter schwierigen Weg, der ihn von seinem Geburtsort, der indischen Kleinstadt Rohtak, über ein Stipendium zum Studium nach Amerika geführt habe und schließlich bis zu dem Beratungsunternehmen Deloitte mit seinen über 400.000 Beschäftigten.
Vor Plattner habe er den größten Respekt, sagte er und bezeichnete ihn als "Ikone" und "Legende", dessen "Fußstapfen nicht größer sein könnten". Ihn zu ersetzen, sei schlicht nicht möglich, sagte Renjen: "Ich bin nicht Hasso Plattner und werde nicht versuchen, Hasso Plattner zu sein".
Bei den Aktionären kam der designierte Aufsichtsratsvorsitzende gut an: Mit Renjen werde das Gremium noch internationaler, stellt Hendrik Schmidt vom Vermögensverwalter DWS heraus. "Wir hätten uns aber einen weniger holprigen und vor allem früheren Nachfolgeprozess gewünscht."
Jella Benner-Heinacher von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) nannte es eine "gute Nachricht", dass die Nachfolge geregelt sei. "Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Plattner", sagte sie. "Wir wollen Sie nicht loswerden". Wichtig sei aber, dass die Zeit der Ungewissheit ende. Sie gab nur zu bedenken, dass Renjen als Amerikaner keine Erfahrung mit dem deutschen Leitungsmodell bestehend aus Vorstand und Aufsichtsrat habe.
Überraschend deutlich räumte Plattner angesichts der zahlreichen Wechsel im Vorstand eigene Fehler ein. Vor allem im Personalressort hielten es die Amtsinhaber zuletzt nicht lange aus. Auch die aktuelle Arbeitsdirektorin Sabine Bendiek hatte kürzlich ihren bevorstehenden Rückzug angekündigt. "Wir haben ein paar Mal nicht richtig entschieden", sagte Plattner.
Man sei über die vielen Wechsel nicht glücklich. "Vielleicht denken wir, die Vorstandsmitglieder könnten im Personalbereich Wunder vollbringen". Man denke daher über Konsequenzen nach: Möglicherweise sei es an der Zeit, die Aufgaben im Personalressort zu überdenken, "um nicht nochmals enttäuscht zu werden".
Der Posten sei aber kein "Feuerstuhl", so Plattner wörtlich. Man wisse, dass Bendiek der Schritt nicht leicht gefallen sei. Es handele sich um ihre persönliche Entscheidung.
Vorstandschef Christian Klein stimmte die Aktionäre auf gute Zeiten ein. Die Ergebnisse des ersten Quartals hätten gezeigt, dass "SAP so stark ist wie noch nie".
Selbst unter den schwierigen Rahmenbedingungen seien Umsatz und Profitabilität weiter gewachsen, vor allem getragen von Zuwächsen im Cloudgeschäft. Jetzt beginne die nächste Phase, nachdem "der größte Teil der Cloud-Transformation hinter uns liegt".
Weitere Innovationen kündigte Klein im Bereich der KI an. Man plane, diese Technologie noch stärker in die SAP-Anwendungen zu integrieren. Schon bei der Kundenveranstaltung Sapphire in der kommenden Woche werde es weitere konkrete Angebote.
Das war ganz im Sinne von Markus Golinski, Fondsmanager bei Union Investment. SAP habe beim Internet und dem Wechsel in die Cloud viel zu lange abgewartet, befand er. Nun dürften die Walldorfer nicht auch noch das Thema KI verschlafen.