Null-Emissionsauto

Im "Sion" soll Moos wie ein Feinstaubfilter wirken

Die Pflanze wird auch im Modelleisenbahnbau verwendet.

25.05.2018 UPDATE: 29.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten

Beim Elektroauto Sion wird die Reichweite mit Solarmodulen verlängert. Foto: vaf

Von Harald Berlinghof

Ein Druck aufs Gaspedal und der Sion schießt nach vorne, ohne auch nur ein einziges Dezibel auszustoßen. Der Sion ist ein Elektro-Auto von der Statur eines kleinen Mittelklassewagens. Wenn er mit sauberem Ökostrom "betankt" wurde, bläst er weder Kohlendioxid, noch Stickoxid noch Feinstaub in die Atmosphäre. Und auch keinen Schall. Er macht also null Lärm.

Und dabei bleibt das Null-Emissionsauto der Münchener Firma "Sono Motors" noch im bezahlbaren Bereich. Er soll etwa so viel kosten wie ein Golf mit Grundausstattung - mit einer "realistischen" Batteriereichweite von 250 Kilometern im Sommer. Unter Laborbedingungen kommen sogar 320 Kilometer heraus. "Aber das interessiert ja den Käufer gar nicht", sagt Alexandra Namyslowski von Sono Motors. Im Winter sinkt die Kilometerleistung allerdings "realistisch" ab.

Hintergrund

> Solarzellen fürs Auto. Insgesamt sind 330 SunPower Photovoltaik-Zellen am Sion verbaut, die mit einer Effizienz von 24 Prozent einen Spitzenwert von 1208 Watt generieren. Diese Energie könnte Strom für bis zu 65 Kilometer am Tag erzeugen. Allerdings

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> Solarzellen fürs Auto. Insgesamt sind 330 SunPower Photovoltaik-Zellen am Sion verbaut, die mit einer Effizienz von 24 Prozent einen Spitzenwert von 1208 Watt generieren. Diese Energie könnte Strom für bis zu 65 Kilometer am Tag erzeugen. Allerdings handelt es sich hier um einen theoretischen Maximalwert, der unter echten Alltagsbedingungen kaum zu erreichen sein wird. Realistisch sind daher bis zu 30 Kilometer Zusatzleistung.

Für die Solarzellen nutzt Sono-Motors monokristalline Siliziumzellen. Die Module werden auf eine Unterstruktur geklebt. Demnach können die Module auch sehr einfach ausgetauscht werden. Dabei habe die Auswahl des richtigen Materials oberste Priorität. Die verwendeten Bauteile müssen folgende Anforderungen erfüllen: Eine Lebensdauer von mindestens acht Jahren, Beständigkeit gegen Umwelteinflüsse wie UV-Strahlen und Wasser, Bruchfestigkeit und ein geringes Gewicht.

Üblicherweise werden Solarzellen auf ein zwei bis fünf Millimeter dickes Glas einlaminiert. Allerdings hat Glas ein vergleichsweise hohes Gewicht und nur eine geringe Bruchsicherheit und Flexibilität. Für Sono wird daher Polycarbonat verwendet. Es ist leicht, transparent wie Glas und deutlich bruchsicherer.

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Eingelassen in die Karosserie des Autos sind an die Karosserieform angepasste Photovoltaik-Zellen, die Strom in die Batterie einspeisen und die an Sonnentagen die Reichweite des Autos noch einmal um "realistische" 30 Kilometer erhöhen. An bewölkten Tagen sollen sie immer noch eine Reichweitenverlängerung von 14 Kilometern bewirken.

Die im Fahrzeugboden untergebrachte Batterie wiegt knapp 300 Kilogramm, deshalb wird das Auto aus Leichtbaumaterial wie Aluminium und ABS-Kunststoff (Acrylnitril-Butadien-Styrol) hergestellt. Auch eine CO2-Kompensation für entstandene Klimagase bei der Herstellung des Autos sind im Kaufpreis enthalten. Gefahren wird der Sion wie ein herkömmlicher Automatik-Wagen. Der linke Fuß bleibt weg von den beiden Pedalen und hat nichts zu tun, Gasgeben und Bremsen passiert ausschließlich mit rechts. Ansonsten funktioniert alles wie in einem herkömmlichen Fahrzeug.

An die Karosserie angepasst: Solarzellen. Foto: vaf

Dort wo andere Marken im Armaturenbrett mit poliertem Palisanderholzfurnier glänzen oder mit edlem Lederdesign "wächst" beim Sion ein grün angestrahlter Moosfilter. "Die Leute sind erst mal stutzig, wenn sie davon hören", sagt Gründer Laurin Hahn. Die Idee: Durch die negative Aufladung des Island-Mooses, wie es auch im Modelleisenbahnbau verwendet wird, werden positiv geladene Feinstaubpartikel aus der Luft gefiltert, erklärt Hahn.

Das Material werde auch von Innenarchitekten genutzt, um das Raumklima zu verbessern, sagt der Gründer. Es ist eine Kombination aus Eigenschaften, die Moose zum Feinstaub-Killer machen. Zum einen ist da ihre riesige Oberfläche. Punkt zwei: Das Moos zieht viele Mikropartikel aus der Luft magisch an. Dazu zählen unter anderem Ammoniumionen, die durchschnittlich 40 Prozent des Feinstaubes ausmachen.

"Das Ganze funktioniert elektrostatisch", stützt der Bonner Moosforscher Professor Jan-Peter Frahm die Idee von Sono Motors. "Die Moosoberfläche ist negativ geladen, ein Ammoniumion dagegen positiv." Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren übrigens auch die beliebten Mikrofaser-Staubtücher.

Island-Moos im Armaturenbrett soll Feinstaub aus der Luft filtern. Foto: vaf

Die Naturklimaanlage brauche keine Pflege, sei trocken und hinter einer Plexiglas-Blende verbaut. Das Moos lebt nicht mehr und muss deshalb auch nicht feucht gehalten werden. Alle zwei Jahre sollte es ausgetauscht werden, was der Besitzer des Autos leicht selbst bewerkstelligen kann, betont man am Rande der Probefahrt in Mannheim. Sono Motors ist auf Deutschlandtournee.

Kürzlich war das Start-Up mit zwei Prototypen in Mannheim, Mitte Juni wird er noch einmal in unserer Nähe auftauchen, nämlich in Würzburg. 80 bis 90 Testfahrer melden sich täglich für Testfahrten an, erklärt Ann-Sophie Scharrer von Sono Motors.

Zwei Prototypen haben sie und ihre Kollegen mitgebracht, die ausprobiert werden können. Gebaut werden die Autos von einer externen Fertigungsfirma in Europa, nicht aber in Deutschland. Ende 2019 sollen die ersten Auslieferungen erfolgen. 4100 Bestellungen soll es mittlerweile geben, sagt sie.

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