"BASF hat das Energiedrama mit zu verantworten"
Die Energieexpertin Claudia Kemfert hält die Produktionsverlagerungen des Chemiekonzerns für nicht gerechtfertigt.



Energie- und Umweltexpertin am DIW
Von Gernot Heller, RNZ Berlin
Berlin. Ein Interview mit Professor Claudia Kemfert, Energie- und Umweltexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
In Ihrem Buch "Schockwellen" geht es um die falsche Weichenstellung der deutschen Energiepolitik in der Vergangenheit mit der Abhängigkeit von Russland. In welchem Maße steht der BASF-Konzern beispielhaft dafür?
BASF hat die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas maßgeblich vorangetrieben und so das aktuelle Energiedrama mit zu verantworten. Deutschland, das heißt alle Haushalte und Unternehmen, zahlen jetzt dafür einen irre hohen Preis, sei es durch explodierende fossile Energiepreise und durch Inflation, sei es durch die Rettung systemrelevanter Unternehmen und durch den Rückkauf von Infrastruktur. Die Kosten sind gigantisch. Und sie wären vermeidbar gewesen.
Wer trägt die Hauptverantwortung für diese falsche Ausrichtung: Die deutsche Politik oder die Wirtschaft mit Konzernen wie BASF, die mit ihrer Öl- und Gastochter Wintershall in Russland ja gut verdient hat?
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Durch den Druck der fossilen Industrie und Unternehmen wie BASF hat die Politik schwerwiegende Fehlentscheidungen getroffen und uns in eine einseitige fatale Abhängigkeit gebracht. Dass die Verbindung zu Russland problematisch ist, war spätestens 2014 bekannt. Die Warnungen vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden verlacht. Aber das war kein Witz. Jetzt kommt die böse Pointe: Das vermeintlich "billige" Gas hat kurzfristig die Profite erhöht, aber die langfristigen Kosten für die Allgemeinheit ausgeblendet. Jetzt zahlen wir alle den wahren Preis.
Haben deutsche Industriekonzerne die richtigen Konsequenzen gezogen und ihre Energieversorgung auf eine nachhaltigere und sicherere Basis gestellt?
Fast alle Konzerne kündigen seit über 10 Jahren an, auf nachhaltige Energien umsteigen zu wollen. Nur folgten selten Taten auf die Worte – und wenn, dann meist viel zu langsam. Der Ausbau erneuerbarer Energien wurde verschleppt.
Ist es nicht nachvollziehbar, wenn Konzerne mit dem Argument der niedrigeren Energiepreise ins Ausland gehen und in Deutschland mit dem Energiekosten-Argument Produktionsteile stilllegen, wie es BASF tun will?
Wer wegen der Energiepreise ins Ausland gehen will, sollte mal über den Tellerrand der nächsten Quartalsbilanz hinausschauen! Fossile Energien sind teuer und werden immer teurer. Das ist seit Jahrzehnten klar. Wer das ausblendet, verkennt die Realität und lässt echte Zukunftschancen liegen. Konzerne, sie sich einseitig auf fossile Energien ausrichten, haben einen Wettbewerbsnachteil.
BASF forciert sein Geschäft in China mit Milliardeninvestitionen. Wiederholt der Konzern Fehler bei Abhängigkeiten aus der Vergangenheit?
Das ist zu befürchten. Wer aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, wird geopolitische Risiken vermeiden. Die hohe Abhängigkeit von China ist generell ein Problem, das hat die Pandemiezeit schmerzhaft gezeigt. Nach diesen Erfahrungen und angesichts der aktuelle Krisenentwicklungen eine Ausrichtung nach China zu forcieren, ist hoch problematisch. Es scheint ja auch im Konzern selbst umstritten gewesen zu sein.
Erkennen Sie eine deutsche Energiepolitik, die Fehler der Vergangenheit vermeidet?
Leider nur sporadisch. Wir sind wie in einer Zeitschleife und wiederholen die Fehler der Vergangenheit immer und immer wieder. Nehmen Sie zum Beispiel den Flüssiggas-Terminal-Ausbau. Unsere aktuelle Studie zeigt, dass wir ohne den Zubau fester Terminals auskommen können. Und derzeit bauen wir mindestens acht! So schaffen wir neue fossile Pfadabhängigkeiten und behindern weiter die zügige Energiewende. Dabei wäre es jetzt wichtig, mit den staatlichen Milliarden-Investitionen nicht Technologien der Vergangenheit, sondern Technologien der Zukunft aufzubauen.