BASF Ludwigshafen

Muss Steuerzahler für Milliarden-Verluste in Russland einspringen?

Die BASF-Konzerntochter "Wintershall Dea" verhandelt nach dem Abschied aus Russland über die Fälligkeit von Staatsgarantien.

04.11.2023 UPDATE: 04.11.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden
Eine Erdgasförderanlage der BASF-Tochter Wintershall Dea. Foto: dpa

Von Matthias Kros

Ludwigshafen. Der Steuerzahler muss möglicherweise für die Milliardenverluste der BASF-Tochter Wintershall Dea in Russland geradestehen. Das Unternehmen verhandelt nach eigenen Angaben derzeit über die Fälligkeit von Staatsgarantien für seine Russland-Aktivitäten. "Das Management der Wintershall Dea muss alle Maßnahmen prüfen und gegebenenfalls umsetzen, die zu einer Schadensminderung für das Unternehmen, seine Belegschaft und Stakeholder beitragen", teilte ein Sprecher von Wintershall Dea am Freitag in Kassel auf Anfrage mit. Dazu gehöre auch die mögliche Inanspruchnahme von Garantien, Versicherungen und möglichen Rechtsmitteln.

Investitionsgarantien sind ein regelmäßig abgerufenes Förderinstrument der Bundesregierung, die bestimmte Direktinvestitionen gegen politische Risiken absichern. Sie sollen Unternehmen vor dem unkalkulierbaren Eintritt eines politischen Krisenfalls zu schützen. Wie hoch die Staatsgarantien für Wintershall ausfallen, sagte der Unternehmenssprecher nicht. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" könnte es um Forderungen in Höhe von über zwei Milliarden Euro gehen.

Wintershall Dea war lange Zeit Partner des russischen Gaskonzerns Gazprom und versorgte die BASF dadurch viele Jahre mit günstigem Gas. Nach dem Krieg gegen die Ukraine beschloss das Unternehmen mit Sitz in Kassel dann den kompletten Rückzug aus Russland und sieht sich de facto bereits enteignet. In der Folge musste die Konzernmutter BASF Milliarden auf ihre Beteiligung abschreiben.

"Unsere Investitionen in Russland sind durch Investitionsschutzgarantien der Bundesrepublik Deutschland für Direktinvestitionen durch deutsche Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern geschützt", erläuterte der Sprecher von Wintershall Dea. Diese deckten politische Risiken wie Enteignung, Verstaatlichung, Krieg und Zahlungsembargos sowie Zahlungseinstellungen ab, die für Unternehmen unvorhersehbar seien. Der Sprecher erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass man für die Investitionsgarantien des Bundes seit vielen Jahren Versicherungsprämien in Millionenhöhe bezahle.

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Der BASF-Konzern hält gut 72 Prozent der Anteile an Wintershall Dea. Der Rest gehört der Beteiligungsgesellschaft LetterOne. Die Ludwigshafener planen allerdings schon seit längerem den Ausstieg, etwa über einen Börsengang. Bei der Bilanzvorlage zum dritten Quartal am vergangenen Dienstag hatte BASF-Finanzchef Dirk Elvermann bei einer Telefon-Pressekonferenz noch einmal bekräftigt, dass man sich weiterhin von Wintershall Dea trennen wolle. "Wir verfolgen weiter unser strategisches Ziel, den 72,7-prozentigen BASF-Anteil an Wintershall Dea zu veräußern und arbeiten an verschiedenen Optionen dafür", hatte er gesagt. Dafür plane Wintershall Dea bis Mitte 2024 die Geschäfte mit Russland-Bezug rechtlich abzutrennen. Den nichtrussischen Teil wolle BASF zu Geld machen.

Die Verhandlungen um eine mögliche Fälligkeit der Staatsgarantien bestätigte am Freitag auch eine Sprecherin der BASF in Ludwigshafen. "Wintershall Dea ist Garantienehmer unter den Bundesgarantien", erklärte sie. Dementsprechend würden die Gespräche auch von Wintershall Dea geführt. Aufgrund der de facto wirtschaftlichen Enteignung in Russland sehe man Wintershall Dea "in einer sehr starken Position hinsichtlich der Bundesgarantien". Eine Auszahlung komme BASF über ihre Beteiligung an Wintershall Dea zugute.

An der Partnerschaft von Wintershall Dea und Gazprom hatte es immer wieder Kritik gegeben. So hatte beispielsweise die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin angesichts der Energiekrise der Konzernmutter BASF vorgeworfen maßgeblich zur Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas beigetragen zu haben. Die Ludwigshafener würden aber nicht zur Verantwortung gezogen, sondern indirekt sogar entschädigt, hatte sie im Februar gesagt und ihre Befürchtung geäußert, dass die BASF nun bei ihrer geplanten Milliarden-Investition in China die gleichen Fehler wiederhole.

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