Kühle Softwaresteuerung statt blubbernder Glaskolben
Bei der BASF wurde am gestrigen Dienstag ein neuartiges Forschungszentrum für Katalysatoren eröffnet - 30 Miniaturfabriken

Umweltschutz durch Forschung: Durch neue Prozesstechniken und Katalysatoren kann der CO2-Fußabdruck bei der Olefin-Herstellung um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Foto: BASF
Von Harald Berlinghof
Ludwigshafen. Im traditionsreichen Ammonlabor, in dem Carl Bosch einst der Ammoniaksynthese auf der Spur war, blubberten vor hundert Jahren transparente Flüssigkeiten in gläsernen Erlenmeyer-Kolben über Spiritusflammen. Chemie zum Anfassen gewissermaßen. Bis weit in die 1950er Jahre blieb die Chemie und die Entwicklung neuer Stoffe diesem Bild treu.
Am Dienstagvormittag wurde nun in direkter Nachbarschaft dieses Ortes, wo sich BASF-Geschichte manifestierte, ein innovatives Forschungszentrum für Katalysatoren eröffnet. Detlef Kratz, weltweiter Leiter des Forschungsbereichs der Chemischen Verfahrenstechnik drückte symbolisch den roten Startknopf und nahm das Technikum in Betrieb. In der BASF gibt es nur drei Bereichsleiter, die direkt unterhalb des siebenköpfigen Vorstands angesiedelt sind. Je einer in USA, in Asien und in Ludwigshafen. Gestern ging erst das Erdgeschoss des neuen Technikums in Betrieb, die beiden Obergeschosse sollen ja nach Bedarf fertiggestellt werden.
Blubbernde Glaskolben und heiße Bunsenbrenner wurden längst ersetzt durch blinkenden Edelstahl und eine kühle Softwaresteuerung. Der Computer steuert die Prozesse, optimiert die Verfahren und verbessert die Effektivität. Doch komplett verzichten will man trotz aller "Intelligenz" des Rechenzentrums auf die Kreativität der menschlichen Verfahrenstechniker und Chemiker nicht. Die sitzen am Bildschirm und klicken an oder wischen weg. Der menschliche Faktor kann sich so mit seiner Kreativität durch Anpassen und Ersetzen bestimmter Faktoren einbringen. Allerdings nur so weit, wie es eine Sicherheits-Software zulässt. "Sie setzt gewissermaßen die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Wissenschaftler bestimmte Parameter verändern können", erklärt Martin Dieterle, Katalysatoren-Experte der BASF und einer derjenigen, die in dem neuen Laborgebäude arbeiten.
In dem Technikum mit rund 1500 Quadratmetern Fläche auf drei Stockwerken werden nach seiner Fertigstellung gut 30 Miniaturfabriken aufgebaut sein, die im Labormaßstab verschiedene Verfahren zum Katalysatoren-Einsatz abbilden. Die Minifabriken werden an rund 330 Tagen im Jahr, oft rund um die Uhr, in Betrieb sein. Man schätzt, dass an rund 90 Prozent aller Verfahren in der chemischen Industrie Katalysatoren beteiligt sind. Der optimierte Katalysatoren-Einsatz ist in der chemischen Industrie deshalb ein ganz wesentlicher Wettbewerbsvorteil.
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Die Miniaturfabriken im neuen Technikum sind zwischen sechs und zehn Metern groß, alle hinter Glas aufgebaut und ihre Arbeitsweise ist weitgehend identisch mit den Original-Produktionsprozessen. "Wir können hier in kleinem Maßstab chemische Verfahren nachahmen und in der Praxis überprüfen, ob die Katalysatoren optimal arbeiten oder ob es Möglichkeiten einer Verbesserung der Verfahrensschritte gibt", sagt Dieterle weiter. Schnelligkeit und Effektivität sind ganz wesentliche Faktoren, die sich in den Kosten eines chemischen Verfahrens und letztlich eines Produkts niederschlagen.