Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Kalt erwischt von Corona: Der Lockdown Mitte März stürzte das Schulsystem ins Chaos. Nach dem Neustart, Teilöffnungen und Unterricht im rollierenden System rettete man sich in die Sommerferien. Nun, nach gut sechs Wochen Pause, geht es wieder los – unter besonderen Schutzmaßnahmen.
> Anwesenheit: Kommen dürfen alle Schüler – aber keiner muss. Zwar wird regulärer Präsenzunterricht für alle Klassen an allen Schulen angeboten, jedoch ist die Anwesenheitspflicht aufgehoben. Sind Kinder Risikopatienten oder leben mit solchen zusammen, dürfen sie zuhause bleiben und erhalten Fernunterricht. Die Entscheidung treffen die Eltern oder der volljährige Schüler, ein Attest braucht niemand, eine Entschuldigung genügt. In solchen Fällen sollten Familien das Gespräch mit der Schule suchen, denn für Fernunterricht gibt es inzwischen, jedenfalls auf dem Papier, landesweite Qualitätsvorgaben.
Bei den Lehrern zählen rund sechs Prozent zu Risikogruppen und sind per Attest vom Präsenzunterricht befreit. Schwangere Lehrerinnen machen rund drei Prozent des Kollegiums aus. Sie müssen nicht an die Schulen kommen. Das könnte zu großer Personalnot führen. Auch wenn alle Lehrer, die keinen Präsenzunterricht machen, anderweitig eingesetzt werden sollen.
> Hygiene: Alle sollen auf Hygiene achten. Händewaschen und regelmäßiges Lüften sind wichtig. Praktiker sagen: Beides ist örtlich nicht immer in ausreichendem Maß möglich. Es gebe zu wenige Waschräume, bisweilen ließen sich Fenster nicht öffnen. Falls Kinder hier von Problemen berichten, sollten Eltern sich an den zuständigen Schulträger wenden, das ist in der Regel die jeweilige Kommune.
> Abstand: Die sonst überall gültige Abstandsregel ist für Schüler weitgehend aufgehoben. Sie zu befolgen wäre wegen des Platzangebots unmöglich. Das heißt: Die Klassenzimmer dürften vielerorts voll werden. Auch zwischen Lehrern und Schülern sieht die Corona-Verordnung keinen Mindestabstand vor. Dagegen sollen Lehrer und anderes Personal untereinander 1,50 Meter Abstand halten. Lehrerverbände sagen: Das geht vielerorts gar nicht, etwa weil Lehrerzimmer zu klein sind. Dort gilt allerdings auch Maskenpflicht.
> Masken: Ab Klasse fünf herrscht in Schulen überall Maskenpflicht – außer im Klassenzimmer. Eine Maskenpflicht im Unterricht lehnt das Kultusministerium bisher aus pädagogischen Gründen ab, behält sie sich jedoch vor, etwa falls örtlich die Infektionszahlen erheblich steigen. Lehrer bekommen Masken gestellt, Schüler müssen sie selbst mitbringen, jedoch wird es vielerorts in den Sekretariaten auch Einwegmasken für Vergessliche geben. Wichtig: Wer seine Maske auch im Unterricht tragen will, darf das.
> Kohorten: Schüler sollen weitgehend nur immer den gleichen Mitschülern begegnen. Das Prinzip der Kohorten, der "festen Gruppen" soll gewährleisten, dass bei Corona-Infektionen nicht die ganze Schule in Quarantäne muss. Im Idealfall handelt es sich um einzelne Klassen oder Lerngruppen. In der Realität aber werden es Jahrgänge sein. Denn vielerorts gibt es klassenübergreifenden Unterricht, etwa in Wahlfächern, in Religion oder Sport. Wirklich groß sind Kohorten an gymnasialen Oberstufen, die in wechselnden Kursen lernen und sich vermischen. Auch Ganztagsbetrieb und Nachmittagsbetreuung sollen in möglichst festen Gruppen stattfinden, Ausnahmen sind aber möglich. Auch dadurch, dass Lehrer in verschiedenen Kohorten unterrichten, bleibt ein Risiko.
> Schulbusse: Die Schülerbeförderung hat sich in Bundesländern, deren Sommerferien schon früher endeten, teilweise als Problem erwiesen. Bilder von Gedränge und dicht besetzten Bussen machten die Runde. Was bringt es, in Schulen feste Gruppen zu bilden, wenn sich alles in Bus und Bahn mischt? Das Land will nun Landkreise veranlassen, mehr Busse einzusetzen und stellt dafür auch Geld zur Verfügung. Ob das tatsächlich örtlich klappt oder ob Enge und Gedränge herrschen, bleibt abzuwarten. Das Land appelliert: Wer zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kann, sollte das nutzen.
> Bescheinigung: In den letzten Tagen hat ein Formular für Aufregung gesorgt: die vom Kultusministerium an die Schulen verschickte "Erklärung der Erziehungsberechtigten über einen möglichen Ausschluss vom Schulbetrieb". Das Papier, das Eltern unterschreiben müssen, legt fest, dass Personen, die Corona-Symptomen haben, oder in den vergangenen 14 Tagen Kontakt zu einer bestätigt infizierten Person hatten, nicht am Schulbetrieb teilnehmen dürfen. Dasselbe gilt für frisch aus Risikogebieten Zurückgekehrte. Streng genommen müssten alle Schüler das Papier am Montag unterschrieben vorweisen, doch es kam spät und konnte nicht überall gesichert an alle Schüler oder Eltern weitergeleitet werden. Das Ministerium versichert daher, dass die Regelung nicht so streng befolgt werde, wie sie in der Verordnung steht. Der Schein solle in der ersten Woche unterschrieben abgegeben werden. Keinesfalls solle ein Schüler am Montag heimgeschickt werden, wenn er es nicht vorweisen könne.
> Lernstoff: Wegen Corona blieb letztes Schuljahr viel Lernzeit auf der Strecke und damit auch viel Inhalt. Zudem haben manche Schüler im Fernunterricht besser gelernt als andere – die Unterschiede dürften erheblich sein. Daher wird der Lernstoff auf das sogenannte Kerncurriculum reduziert, das etwa 75 Prozent des üblichen Stoffs ausmacht. Es finden aber alle Fächer statt. Zum Start soll es überall "Konsolidierungsphasen" geben, damit möglichst alle halbwegs auf einen Stand kommen. Dazu sind auch "Lernstandserhebungen" vorgesehen, also Tests.
> Prüfungen und Noten: Alle Klassenarbeiten sollen stattfinden wie üblich, auch wenn es im Detail an Schularten Unterschiede geben kann. Die Notenbildungsverordnung gilt. Die Abschlussprüfungen am Ende des Schuljahres im Sommer 2021 sind nach hinten verschoben, um mehr Zeit zu haben.
> Fernunterricht: Falls örtlich Schüler in Quarantäne müssen oder von Anfang an nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, erhalten sie Fernunterricht. Dafür gibt es nun landesweite Vorgaben des Kultusministeriums. Dazu gehört, dass im Fernunterricht dasselbe gelehrt werden soll wie in der Präsenz. Das Programm soll den Stundenplan abbilden, es soll dasselbe Lehrmaterial zur Verfügung stehen und regelmäßige Aufgaben sowie Kommunikation mit dem Lehrer geben. Trotzdem ist hier vieles unklar und offen. Für einzelne Schüler im Heimunterricht etwa soll es regionale, virtuelle Lerngruppen geben, unterrichtet von Lehrern, die keinen Präsenzunterricht geben können. Ob das immer so aufgeht, ist fraglich. Ebenso, ob es technisch und rechtlich möglich ist, Schüler per Webcam von zuhause in den Klassenraum zuzuschalten.