Auspuffrohre eines Diesel-Pkw. Foto: Hendrik Schmidt/Illustration
Stuttgart/Leipzig. (dpa) Nach der Niederlage des Landes Baden-Württemberg vor dem Bundesverwaltungsgericht könnte es zum Jahresende erste Diesel-Fahrverbote in Stuttgart geben. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart, der Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt solle nun zügig überarbeitet werden. Erste Beschränkungen für die älteren Autos bis zur Abgasnorm Euro 4 sind nach seinen Worten Ende 2018 denkbar - für jüngere Dieselautos bis Ende 2019.
Das Urteil sorgte bei vielen Akteuren im Land umgehend für Reaktionen. Wirtschaft und Handel forderten Ausnahmeregelungen, die Polizei warnte vor Schwierigkeiten bei den Kontrollen der Fahrverbote. Das Land Baden-Württemberg will im Bund einen neuen Anlauf für die Einführung einer blauen Plakette starten. Mit Blick auf das Versäumnis, die Plakette noch nicht eingeführt zu haben, kritisierte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Bund, für den das Urteil "eine Blamage" sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte am Dienstag geurteilt, dass Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind. Die Städte Düsseldorf und Stuttgart müssten aber ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit prüfen. Die Richter wiesen damit Revisionen der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf "überwiegend" zurück.
Für Stuttgart urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten zu prüfen sei, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge betreffe - etwa bis zur Abgasnorm Euro 4. Um die Verhältnismäßigkeit herzustellen, dürften Euro-5-Fahrzeuge nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden.
OB Kuhn begrüßte, dass die Richter den Begriff "Verhältnismäßigkeit" in das Urteil aufgenommen haben. Die Zumutbarkeit müsse bewertet werden, außerdem könne es Ausnahmeregelungen etwa für Handel und Handwerk geben. Fahrverbote seien in Stuttgart vor allem deshalb schwierig umzusetzen, weil im Talkessel extrem viele Arbeitsplätze angesiedelt seien.
Der Handelsverband Baden-Württemberg verlangte am Dienstag einen Masterplan, der alle Interessen berücksichtige. "Der innerstädtische Einzelhandel sowie dessen Arbeitsplätze, aber auch die anderen innerstädtischen Dienstleistungsbranchen benötigen jetzt ein verantwortungsvolles, mittelständisch orientiertes, angemessenes und verhältnismäßiges politisches Handeln", sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann.
Dass Kontrollen der Fahrverbote schwierig werden, kündigte die Deutsche Polizeigewerkschaft im Südwesten in Reaktion auf das Urteil an. "Wir sind personell am Ende. Zusätzliche Aufgaben können wir nicht übernehmen", sagte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer. Es sei zu aufwendig, ein Fahrverbot in einer Stadt wie Stuttgart mit Hunderten Einfallstraßen zu kontrollieren: "Wenn die Stadt Stuttgart ein Fahrverbot einrichten möchte, muss sie dazu eigenes Personal einstellen."