Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Es war ein Auftakt, wie man ihn sich nicht gewünscht hat. Statt des in diesem Jahr eigentlich fällig gewesenen 50. Weindorfs, hatten die Veranstalter, die Heilbronn Marketing GmbH (HMG) und der Verkehrsverein Heilbronn, wie berichtet, die Ersatzveranstaltung fast schon aus dem Boden gestampft. Die Alternative – mit 140 dezentralen Veranstaltungen an 30 Orten der Region – steht unter dem Motto "Weindorf-Auslese".
Bei der festlichen Eröffnung, seit jeher für "geladene Gäste", wollte man dann aber – Corona hin oder her – dann doch bleiben. Und das macht jetzt mächtig Ärger, der sich am Wochenende auf der Facebook-Seite der Stadt Heilbronn mit an die 900 Kommentaren zeigte – selbst aus Berlin kam ein Echo. Die Seite musste zwischendurch sogar gesperrt werden.
Anlass für den Aufruhr in den Sozialen Netzwerken war ein Foto, das die Festtafel mit der geladenen politischen Prominenz zeigt: alle ohne Maske und eher gedrängt sitzend. Während eine Sandra K. schreibt: "Das sind normale Menschen, die normal das Leben genießen und nicht den irrsinnigen Schwachsinn mitmachen. Find ich super!" sehen das eine Silke Sch. und Kathrin K. anders: "Das sind die Politiker, die unseren Kindern die Maske für mehrere Stunden aufdrücken und sich selbst ein schönes Leben machen!" Die Ausdrucksweise dieses Meinungsaustausches ist eher die Ausnahme, weil zitierfähig.
Schon auf Facebook hat die Stadt ziemlich schnell eingeräumt, dass hier "bedauerlicherweise ein falscher Eindruck erweckt" wird, denn das "sorgfältig erarbeitete" Hygienekonzept, auf Basis der geltenden Verordnung, sei konsequent umgesetzt worden, auf den Laufwegen habe Maskenpflicht gegolten. Tatsächlich waren die Tafeln so gestellt und eingeteilt besetzt, dass, sieht man von fehlender Ellenbogenfreiheit ab, die vorgegebenen Größenordnungen und Mindestabstände eingehalten wurden.
Mitveranstalter ist der Verkehrsverein Heilbronn. Dessen Vorsitzender, Stadtrat und FDP-Landtagsabgeordneter Nico Weinmann, sieht es ebenfalls als bedauerlich an, "dass u. a. aufgrund der in den Sozialen Medien veröffentlichten Bilder der Eindruck entstanden ist, man habe sich nicht an die Verordnungen gehalten: Dies war jedoch nicht der Fall." Gleichwohl habe er Verständnis, dass die Bilder Irritationen ausgelöst haben. Das zeige, "dass wir in diesem Bereich noch sensibler agieren müssen. Dass dadurch das eigentliche Signal, dass gesellschaftliches Miteinander trotz der Pandemie möglich ist, das auf den zahlreichen Veranstaltungen der Weindorf-Auslese gelebt wurde und wird, überlagert wurde, ist schade."
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel sagt zu dem "Shitstorm", Kritik als "Lebenselixier der Demokratie" sei gut und richtig, solle aber auch berechtigt sein, "und das ist sie in diesem Fall nicht." Auch er bekräftigt die Einhaltung aller Regeln und bedauert zugleich: "Wenn fälschlicherweise der Eindruck entstanden sein sollte, dass das nicht so war, dann bedauere ich das." Der Kurs der Stadt sei maximale Gesundheitsvorsorge und so geringe Eingriffe in die Freiheit der Menschen wie möglich. Der Abend sei von der HMG verantwortungsbewusst vorbereitet und veranstaltet worden.
So sieht es auch deren Geschäftsführer Steffen Schoch. Er betont: "Im Mittelpunkt standen zwei durch Corona besonders gebeutelte Branchen, die Gastronomie und der Wengerterstand." Die geladenen Gäste seien Verantwortungsträger aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kirche in einem repräsentativen Querschnitt gewesen, und: Es war keine öffentliche Veranstaltung, sondern als Einladung des OB eine private.
Tatsächlich war das immer schon so, nur fiel es den wenigsten auf, dass eben dieser Gästekreis unter den Arkaden des Rathaus-Anbaus bewirtet wird, während sich bereits tausende weitere Besucher rund um das Rathaus tummelten.
Im Rathaus legt man Wert auf die Feststellung, dass die Corona-Verordnung derzeit Veranstaltungen mit bis zu 500 Personen erlaubt und jeder Veranstalter solch ein Fest organisieren könne. In Heilbronn entsprachen die 112 geladenen Gäste genau der auf dieser Fläche erlaubten Zahl. Und, so heißt es von dort: "Das Ordnungsamt ist generell wachsam unterwegs." Am Eröffnungswochenende gab es noch eine Reihe weiterer Veranstaltungen, etwa die große Burgunder-Weinprobe der WG Heilbronn und der "Wein-Villa"; traditionsreiche Weingüter wie Drautz-Able oder Kistenmacher-Hengerer hatten ebenfalls eingeladen. Besucher dieser Veranstaltungen berichteten, dass man hier überall die Corona-Vorschriften genau beachtet habe.
Auswirkungen werde der "Shitstorm" für den Fortgang der "Weindorf-Auslese" nicht haben, äußerte Schoch. Er bedauert, dass durch diesen das Ereignis diffamiert worden sei und sagt: "Alle Veranstaltungen finden wie geplant statt. Wir werden weiterhin drauf achten und hinwirken, dass bei unseren Veranstaltungen die aktuell gültigen Corona-Vorgaben stets beachtet und eingehalten werden."
Inzwischen hat die Stadt auf der Theresienwiese eine Station für Corona-Tests eingerichtet; die ersten Tage waren sehr schnell ausgebucht.