Wer den Radweg bei Aichwald nimmt, muss unterwegs auf die Landstraße wechseln - oder auf den Waldweg. Foto: dpa
Von Christopher Hirsch
Stuttgart/Esslingen. Mut zur Lücke benötigen Radfahrer mitunter im Landkreis Esslingen. Entlang der Landstraße südöstlich von Aichwald ist der Radweg für eineinhalb Kilometer unterbrochen. Geld für den Lückenschluss hat das Land schon im Haushalt 2015/2016 bereitgestellt. Warum müssen Radler also immer noch mit der Straße oder unbefestigten Waldwegen vorliebnehmen? Der Grund: Es fehlt nicht das Geld - es fehlt der Plan.
"Wir haben einen riesen Mangel qualifizierter Verkehrsplaner", erklärt Roland Karpentier, Sprecher der Stadt Esslingen. Ironischerweise hatte die Stadt die Planung 2015 vom eigentlich zuständigen Regierungspräsidium Stuttgart übernommen, weil es dort ebenfalls an Personal mangelte. Mittlerweile hat die Stadt im Bereich Bauverwaltung mehr als zehn unbesetzte Stellen - kein Einzelfall.
"Wir im städtischen Bereich haben personelle Probleme. Im Prinzip sind es dieselben wie in der Bauwirtschaft", sagt Norbert Brugger vom Städtetag Baden-Württemberg. "Es fehlen Architekten. Es fehlen Ingenieure." Die Folge: Neubauten und Sanierungen verzögern sich.
Besonders im technischen Bereich sei es schwer, Fachkräfte zu finden, sagt Brugger. Ähnlich äußert sich Kristina Fabijancic-Müller vom Gemeindetag: "In Zeiten, wo gerade die Bauwirtschaft boomt, ist der Konkurrenzdruck noch größer als sonst." Architekten oder Ingenieure verdienten in der freien Wirtschaft in der Regel mehr.
Hinzu kommt eine bevorstehende Pensionierungswelle. "Da ist eine riesen Lücke zu erwarten in den nächsten Jahren", so Brugger. Um die Stellen zu besetzen, stellen Kommunen auch Techniker mit Lehre statt mit Studium an.
Nicht nur die Belegschaft in den Amtsstuben wird älter, sondern auch die Infrastruktur im Südwesten. Die ersten Jahrzehnte des Bundeslandes seien vom Aufbau geprägt gewesen, so Brugger. "Jetzt geht es daran, das, was damals geschaffen wurde, zu modernisieren."
Dabei waren die kommunalen Investitionen deutschlandweit jahrelang zurückgegangen und mit ihnen die Stellen in Bau- und Planungsämtern. Das geht aus Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Demnach kamen 1995 in Baden-Württemberg auf 1000 Einwohner 1,4 Vollzeitstellen in der kommunalen Bauverwaltung. 2016, das Jahr der aktuellsten Auswertung, lag der Wert nur noch bei 0,8. Und in Baden-Württemberg war der Rückgang im Vergleich zu anderen Bundesländern noch niedrig.
"Da hat immer das Geld zum Personal gefehlt und jetzt momentan fehlt das Personal zum Geld", sagt Brugger. Seit einiger Zeit bauten die Verwaltungen Stellen auf, könnten diese teilweise aber nur schwer besetzen.
Immer komplexere Verfahren erhöhen den Verwaltungsaufwand. Mehr als 20.000 Baurechtsbestimmungen gebe es mittlerweile, sagt Ottmar Wernicke vom Verband Haus & Grund Württemberg. Das seien viermal so viele wie 1990. Die neue Landesbauordnung (LBO) soll Genehmigungen beschleunigen, etwa durch elektronischen Datenaustausch. Wernicke kritisiert aber, dass die neue LBO mehr Pflichten auf den Bauherren verlagert. "Der Staat zieht sich da ein Stück weit aus der Verantwortung zurück."
Brugger verweist auf steigende Anforderungen in den Bereichen Ökologie, Brandschutz und Energieeffizienz. Auch Bürgerbeteiligungen steigerten die Arbeitsbelastung. Laut Roland Karpentier von der Stadt Esslingen wachsen mit dem Wunsch nach mehr Rad-, Fußgänger- und öffentlichem Nahverkehr auch die Anforderungen an die Planung. "Das ist uns auch wichtig, aber ohne Fachplaner geht die Umsetzung nicht."