Über 107 000 Kinder wurden im Jahr 2016 in Baden-Württemberg geboren - so viele wie seit über 40 Jahren nicht. Foto: Waltraud Grubitzsch
Von Christine Frischke
Stuttgart. Es klingt nach guten Nachrichten: In Baden-Württemberg werden wieder mehr Kinder geboren. Nach jüngsten Daten ist die Geburtenzahl 2016 im fünften Jahr in Folge gestiegen. So wurden rund 107.500 Kinder geboren - rund 7200 mehr als in 2015. Auch deutschlandweit gab es mehr Neugeborene. Doch das allein reicht nicht, um den demografischen Wandel zu stoppen.
> Warum steigt die Zahl der Geburten in Baden-Württemberg? Die Statistiker nennen drei Gründe: Eine Ursache sehen sie erstens in der gestiegenen Zuwanderung. Zweitens bekommen die Kinder der sogenannten Babyboomer, also der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre, jetzt selbst Kinder. Drittens ist auch die Geburtenrate gestiegen. Sie sagt aus, wie viele Kinder eine Frau im Schnitt zur Welt bringt. Im Jahr 2016 lag sie bei 1,59 Kindern - und damit so hoch wie zuletzt 1973. Die Statistiker vermuten, dass Frauen auch deshalb wieder mehr Kinder bekommen, weil sich die Kinderbetreuung gebessert hat. Dadurch lassen sich Familie und Beruf leichter vereinbaren. Eltern nutzen zunehmend mehr Betreuungsangebote für kleine Kinder unter drei Jahren. Die Betreuungsquote hat sich nach Angaben der Statistiker seit 2006 mehr als verdreifacht und lag 2016 bei 27,7 Prozent. Auch die gute wirtschaftliche Situation und die geringe Arbeitslosigkeit im Land tragen demnach dazu bei, dass sich Paare eher für Kinder entscheiden.
> Wächst die Bevölkerung also? Zuletzt sah es ganz danach aus. Nach jüngsten Zahlen aus dem Jahr 2016 wurden in Baden-Württemberg mehr Menschen geboren als Menschen gestorben sind - zum ersten Mal seit 2005. "Mittelfristig wird die Zahl der Sterbefälle aufgrund der Altersstruktur aber wieder höher liegen", sagt Statistiker Werner Brachat-Schwarz. Um das sogenannte Geburtendefizit auszugleichen, müssten Frauen im Schnitt 2,1 Kinder bekommen. Zuletzt war das im Jahr 1970 der Fall. Deutschlandweit gab es auch 2016 ein Geburtendefizit. Die Differenz zwischen Sterbefällen und Geburten lag bei 118.000.
> Welche Rolle spielt die Zuwanderung? Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung schrumpfen. Nach Angaben der Statistiker sind 2015 rund 170.000 Menschen mehr nach Baden-Württemberg gezogen, als weggegangen sind. Vor allem aus dem Ausland zog es Menschen in diesem Jahr bedingt durch die Flüchtlingskrise in den Südwesten. Rund 36.000 Menschen allein aus Syrien suchten hier Schutz. Mit der Zuwanderung stieg auch die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter.
> Welche Unterschiede gibt es zwischen Stadt und Land? Auf dem Land bekommen Frauen im Schnitt mehr Kinder als in den Städten. Die meisten Kinder bekamen 2016 Frauen aus dem Alb-Donau-Kreis (1,80). Die Schlusslichter bilden Stuttgart (1,38), Freiburg (1,36) und Heidelberg (1,20). Im Mittelfeld landen der Rhein-Neckar-Kreis (1,62) und der Neckar-Odenwald-Kreis (1,65). In Mannheim liegt die Kinderzahl bei 1,49 Kindern pro Frau.
Die regionalen Unterschiede haben vielfältige Gründe: In Universitätsstädten wie Heidelberg kann man die niedrige Zahl den Statistikern zufolge darauf zurückführen, dass dort vor allem viele junge Frauen leben. Für sie stehen das Studium und der Berufseinstieg vor der Familiengründung im Vordergrund.
Günstig für die städtischen Regionen wirkt sich Brachat-Schwarz zufolge aber aus, dass dort mehr ausländische Frauen leben, die im Schnitt öfter Kinder bekommen. Im Jahr 2016 waren es 2,03 Kinder - deutlich mehr als der Durchschnitt im Südwesten. "Ohne sie würden die Städte in der Statistik noch schlechter abschneiden."