Im Heidelberger Impfzentrum abgewiesen - nicht immer zurecht
Auch mit Impftermin kann es passieren, dass man vor Ort abgewiesen wird - Manchmal zu Unrecht

Von Daniel Bräuer
Heidelberg. Sie hatten sich so gefreut. Zwei Wochen lang in der Erwartung gelebt, die drückende Angst vor einer Corona-Infektion bald hinter sich lassen zu können. Siegfried Müller (Name geändert) lebt seit Jahren mit einer Spenderniere; seine Werte sind schlecht, ständig Infektionen, ein weiterer Eingriff steht demnächst an, ist aber wegen der Pandemie zunächst verschoben worden. "Die Ärzte sagen, wenn er Corona bekäme, hätte er schlechte Chancen, zu überleben", sagt seine Frau Hilde.
Um so größer war die Freude, als sie bald nach Beginn der Impfkampagne einen Termin erhielten. Nach Problemen mit der Buchungs-Homepage hatten sie die Hotline 116.117 angerufen, seinen Fall geschildert – und kurz darauf per Mails die Terminbestätigungen bekommen.
Und dann, vor Ort im Impfzentrum im Heidelberger Patrick-Henry-Village, die Enttäuschung: Der aufklärende Arzt sagte ihnen, dass Siegfried Müller nicht impfberechtigt sei. Attest vom Nierenzentrum hin oder her. Ein zweiter Arzt bestätigte das Nein. "Wir waren total entsetzt", erzählt seine Frau. Unverrichteter Dinge fuhren sie wieder heim, 80 Kilometer und zwei Wochen Hoffnung für nichts.
Erst später wird ihnen klar: Die Ärzte haben völlig korrekt gehandelt. Denn tatsächlich gehören die Empfänger von Spenderorganen erst zur zweiten Gruppe in der Rangliste der Impfverordnung. So steht es auch in Müllers Attest: "hohe Priorität", aber eben nicht höchste. Ihnen war der Unterschied nicht klar gewesen. Der Mitarbeiter der Hotline hätte es merken müssen. "Ich dachte, der wäre kompetent", sagt Hilde Müller. "Ich dachte nicht, dass da jemand sitzt, der einfach Termine rausschleudert."
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Dass sie selbst ihren Mann für impfberechtigt hielt, liegt aber auch an der Gestaltung der Termin-Homepage. Hatte die nicht angezeigt: "Unsere Schnellprüfung hat ergeben, dass Sie einen Impfterminservice buchen dürfen"? Tatsächlich zeigt sie dieses Ergebnis immer an, wenn jemand den Klick setzt, dass ein Impfgrund für ihn zutreffe. "Es wird nichts geprüft", bestätigt ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, deren Bundesverband die Homepage programmiert hat. Doch weder dort noch im Stuttgarter Gesundheitsministerium gibt es eine überzeugende Erklärung für diese Formulierung. Sie ist zwar ausdrücklich unverbindlich – aber eben doch irreführend.
Wie oft der Impftermin vor Ort scheitert, weil jemand doch nicht berechtigt ist, ist weder von der Landesregierung noch vom Betreiber des Zentrums in PHV zu erfahren. Das werde "nicht statistisch erfasst", teilt der Rhein-Neckar-Kreis auf Anfrage mit.
Es gibt aber auch den Fall, dass Impfkandidaten zu Unrecht vor Ort abgewiesen werden. So ging es zwei Mitarbeiterinnen eines Pflegedienstes aus dem östlichen Rhein-Neckar-Kreis. Ambulante Pfleger zählen ausdrücklich zur höchsten Priorität. Warum in PHV an zwei aufeinander folgenden Tagen anders entschieden wurde, bleibt unklar. "Grundsätzlich sind die Mitarbeitenden am Empfang entsprechend eingewiesen", sagt Kreissprecherin Silke Hartmann. "Die Prüfung der Impfpriorisierung und -berechtigung erfolgt anhand der Coronavirus-Impfverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit." Um ein Massenphänomen scheint es sich zumindest nicht zu handeln: Beim Landesverband der ambulanten Pflegeanbieter sind bislang keine vergleichbaren Fälle bekannt geworden.
Unklar bleibt, was mit dem für diese Termine vorgesehenen Impfstoff passiert. Angebrochene Ampullen sind schwer lagerbar – verfallen dadurch am Ende wertvolle Dosen? "Grundsätzlich wird der Impfstoff ampullenweise rekonstituiert, sodass nicht wahrgenommene Termine keinen Verwurf von Impfdosen zur Folge haben", heißt es dazu vage vom Kreis.
"Wir wollen auf nichts pochen, was uns nicht zusteht", betont Hilde Müller. Gerade weil der Impfstoff so knapp ist. Geärgert hat sie der Vorgang dennoch. "Wir müssen nun am Ball bleiben, wann mein Mann dran ist." Die beiden abgewiesenen Pflegerinnen haben in den Tagen danach stundenlang versucht, wieder einen Termin zu bekommen. Vorerst ohne Erfolg.



