Mieterbund-Landesvorsitzender im Interview

"Fehlende Grundstücke sind das riesige Problem"

Fördermittel reichen, aber es wird nicht gebaut - Sanktionen bei Mietpreisbremse vermisst

20.06.2018 UPDATE: 21.06.2018 06:00 Uhr 3 Minuten

Wohnungsnot in Stuttgart: Ende April besetzten Aktivisten dort ein Haus, weil sie nach einer Modernisierung Mieterhöhungen fürchteten. Foto: dpa

Von Kathrin Hoth

Heidelberg. Rolf Gaßmann (66, F: zg) ist baden-württembergischer Landesvorsitzender des Deutschen Mieterbundes.

Herr Gaßmann, das Statistische Bundesamt meldet, dass die Baugenehmigungen für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern endlich wieder gestiegen sind. Wie groß ist Ihre Freude?

Das ist keine große Erfolgsmeldung, dafür sind die Baugenehmigungen im letzten Jahr gesunken. In Baden-Württemberg verharren die Baufertigstellungen seit Jahren zwischen 32.000 und 33.000 Wohnungen pro Jahr. Ein Prognos-Gutachten belegt einen Bedarf von 65.000 Wohnungen pro Jahr. Das heißt, der Wohnraummangel wird von Jahr zu Jahr schlimmer.

Und wenn gebaut wird, ist es oft auch nicht im richtigen, sprich bezahlbaren Preissegment, oder?

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Im günstigen Preissegment entsteht so gut wie gar kein frei finanzierter Wohnungsbau. Bezahlbare Wohnungen werden nur bei öffentlicher Förderung gebaut. Im vergangenen Jahr wurden 1700 Sozialwohnungen im Land gebaut, es wären aber Finanzmittel für 3400 Wohnungen im Landesprogramm möglich gewesen.

Das Geld wäre da, aber es wird nicht gebaut?

Es geht eben nicht von 0 auf 100. Im letzten Jahrzehnt ist ja fast nichts mehr gefördert worden. Die Wohnungsunternehmen, die sozialen Wohnungsbau betreiben - kommunale Unternehmen und Genossenschaften - haben deshalb ihre Kapazitäten drastisch runtergefahren. Ebenso die Bauämter. Das muss nun erst wieder aufgebaut werden.

Die 2 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag der GroKo für den Sozialen Wohnungsbau vorgesehen sind, reichen also dicke?

Die Bundesmittel sind ein Segen, momentan reichen sie. Allerdings ist es leider so, dass Baden-Württemberg seine Mittel um 20 Millionen abgesenkt hat, als die Bundesmittel erhöht wurden. Im Übrigen: Das riesige Problem, das wir im Moment haben, sind die fehlenden Grundstücke. Das ist der Flaschenhals im Sozialen Wohnungsbau.

Sie fordern eine konzertierte Aktion von Bund, Land und Kommunen im Wohnungsbau. Wie soll die genau aussehen, soll der Staat als Bauträger Wohnraum schaffen?

Nicht der Staat selbst. Aber neben der öffentlichen Förderung gibt es noch andere Wege. Die Kommunen könnten ihre kommunalen Wohnungsbauunternehmen zwingen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Denn viele haben sich auch auf das verlegt, womit sie Geld verdienen: Eigentumswohnungen bauen und weiterverkaufen. Und die Kommunen müssen Grundstücke ausweisen und mit dem entsprechenden Baurecht dafür sorgen, dass darauf preiswerter Wohnraum entsteht. Sie können natürlich auch Grundstücke nicht nur zu Höchstpreisen verkaufen, sondern mit Preisnachlässen - und der Maßgabe, dass darauf ein Anteil Sozialer Wohnungsbau entsteht.

Rolf Gaßmann leitet den Deutschen Mieterbund in Baden-Württemberg. Foto: zg.

Stichwort Grundstücksmangel: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), der viele Flächen gehören, hatte bisher die Maßgabe, wirtschaftlich zu arbeiten. Herr Scholz will das nun ändern. Ist das die Lösung?

Der Bund hat viele Grundstücke, in Köln, Berlin, aber auch hier in der Region die ehemaligen Militärliegenschaften. Der Finanzminister hat angekündigt, dass die BImA vergünstigt Grundstücke an Länder oder Kommunen abgeben darf, wenn darauf Sozialer Wohnungsbau entsteht. Das ist eine gute Sache - aber natürlich nur dort, wo der Bund auch Grundstücke hat.

Noch ein Koalitionsplan: Mit einer neuen Grundsteuer C auf Brachflächen sollen Eigentümer dazu gebracht werden, entweder darauf zu bauen oder zu verkaufen. Eine gute Idee?

Bislang ist die Grundsteuer auf unbebauten Flächen ja sehr niedrig. Es ist es richtig, hier anzusetzen und das spekulative Horten von Boden mit höherer Steuer zu belegen. Wir als Mieterbund favorisieren bei der Reform der Grundsteuer eine reine Bodenwertsteuer, das geht in die gleiche Richtung. Also ja, im Prinzip eine gute Idee.

Sie scheinen total zufrieden mit der Großen Koalition zu sein.

Sie haben mich ja noch nichts zum Mietrecht gefragt. Da sieht es anders aus.

Dazu wollte ich gerade kommen. Bei so vielen baupolitischen Maßnahmen, wird die Mietpreisbremse da nicht überflüssig?

Diese Rechnung geht nicht auf. In Baden-Württemberg werden durch das Landeswohnungsprogramm in vier Jahren 9000 bezahlbare Wohnungen gebaut werden können. Das sind nur 0,2 Prozent des gesamten Wohnungsbestands. Mit diesem geringen Neubau von Sozialwohnungen kann man auf die Marktpreise kaum Einfluss nehmen. Wir brauchen deshalb ordnungspolitische Maßnahmen, die von der Großen Koalition aber nur sehr zaghaft angegangen werden, weil die Union blockiert.

Immerhin soll die Mietpreisbremse verschärft werden.

Das ist ein Anfang, aber der zentrale Geburtsfehler ist, dass Verstöße gegen die Mietpreisbremse für den Vermieter nicht mit Sanktionen verbunden sind. Daran ändert sich leider nichts, weil die Union nicht mitgemacht hat.

Kritiker sehen dann aber gewaltige Investitionshindernisse.

Das ist Unfug. Denn die seit 2014 neu gebauten Wohnungen sind ausdrücklich von der Mietpreisbremse ausgenommen.

Der Mieterbund fordert, dass Modernisierungskosten weniger stark auf die Mieter umgelegt werden sollen. Das steht nun ebenfalls in dem Papier zur Wohnungspolitik. Zufrieden?

Es ist eine zaghafte Verbesserung, die Umlage wird von 11 auf 8 Prozent gesenkt und eine Kappungsgrenze eingeführt. Aber es ist immer noch so, dass der Mieter allein die energetische Modernisierung bezahlt - zukünftig in 12,5 Jahren statt wie bislang in 9. Und die Wertverbesserung der Immobilie hat der Vermieter, der seine Aufwendungen auch noch steuerlich geltend machen kann. Eigentlich müsste diese Modernisierungsumlage weg.

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