JVA Stammheim

RAF-Verhandlungssaal droht der Abriss

Der Denkmalschutz gibt grünes Licht. Der Platz soll für den Neubau eines Justizkrankenhauses genutzt werden.

02.06.2022 UPDATE: 03.06.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden
Seit einem Neubau 2019 ungenutzt: der alte Verhandlungssaal in Stuttgart-Stammheim. Foto: dpa

Von Theo Westermann, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Anfang der Woche kam das ersehnte Schreiben. Die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Stuttgart hat dem zuständigen Amt für Vermögen und Bau in Ludwigsburg eine sogenannte Abrissverfügung geschickt, die den Abriss des einstigen und aktuell leerstehenden Mehrzweckgebäudes der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim genehmigt. Das Gebäude hat als einstiger Verhandlungssaal große zeitgeschichtliche Bedeutung, in ihm fanden seit den 70er-Jahren zahlreiche große RAF-Prozesse statt. Damit sind nun die Weichen gestellt, dass auf diesem Areal ein neues und dringend benötigtes Justizvollzugskrankenhaus gebaut werden kann, heißt es aus Regierungskreisen.

Das bisherige zentrale Krankenhaus des Justizvollzugs im Land auf dem Hohenasperg bei Asperg (Kreis Ludwigsburg) ist überaltert und nicht mehr sanierungsfähig. Der Bedarf für ein neues Krankenhaus ist seit vielen Jahren völlig unstrittig. Der Koalitionsvertrag bekennt sich zu einem Neubau, nur die Standortsuche entwickelte sich schwierig. Nach Prüfung zahlreicher Alternativen blieb nur noch die JVA Stuttgart-Stammheim übrig.

Justizministerin Marion Gentges (CDU) zeigte sich gegenüber unserer Redaktion hochzufrieden. "Mit der nach umfangreicher Prüfung erteilten Genehmigung des Abbruchs des Mehrzweckgebäudes auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt ist eine wesentliche Hürde für eines der wichtigsten Bauprojekte der Justiz im Land genommen. Ich freue mich sehr, dass wir dem Neubau des Justizvollzugskrankenhauses nun einen bedeutenden Schritt näher kommen", sagte sie auf Anfrage. Der Neubau sei ein überaus wichtiger Bestandteil einer fortentwickelten Gesundheitsfürsorge im Justizvollzug.

Die letzte Hürde für das Projekt war der Denkmalschutz. Denn 2013 hatte das Landesdenkmalamt im Regierungspräsidium Stuttgart die Denkmaleigenschaft des Mehrzweckgebäudes und des Baus 1 (Gefängnishochhaus) der JVA Stuttgart festgestellt – wegen der zeit- und lokalgeschichtlichen Bedeutung mit Blick auf die einstigen RAF-Prozesse und Geschehnisse in der sogenannten "Todesnacht" von Stammheim im Oktober 1977. Damals töteten sich die RAF-Anführer Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe selbst in ihren Gefängniszellen.

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Das Land hatte im Prinzip eine gesteigerte Erhaltungspflicht für das Gebäude. Allerdings gilt diese nicht unbegrenzt, sprich bei guten Gründen ist ein Abbruch möglich. Das Gefängnishochhaus, dessen Areal ebenfalls als potenzieller Bauplatz in Blick geriet, wird aufgrund des Belegungsdrucks in den Gefängnissen weiterbetrieben. 2019 nahm das Land einen neugebauten Hochsicherheits-Verhandlungssaal in Stammheim in Betrieb, seitdem steht der alte Saal leer. Einst war er als Turnhalle geplant.

Das Finanzministerium hatte im Einvernehmen mit dem Justizministerium 2021 einen Abbruchantrag gestellt und ihn ausführlich begründet. Das Regierungspräsidium prüfte fast ein Jahr, ob der Abbruch möglich ist, nahm gegenüber der Unteren Denkmalschutzbehörde intern Stellung, diese entschied nun.

Entscheidendes Argument war offenbar, dass der einstige Verhandlungssaal mitten im Gefängnisareal aus Sicherheitsgründen der Öffentlichkeit nie zugänglich zu machen wäre. Mit in die Abwägung floss auch die nicht mehr länger haltbare Situation auf dem Hohenasperg ein. Die Festung aus dem 16. Jahrhundert diente seit 1947 als Gefängniskrankenhaus. Die Ausstattung ist völlig veraltet, größere Operationen müssen in Krankenhäusern der Region stattfinden.

In Stuttgart soll nun ein "interdisziplinäres Krankenhaus mit psychiatrischem Schwerpunkt" entstehen, auf dem Hohenasperg soll eine dann modernisierte und vergrößerte Sozialtherapeutische Anstalt verbleiben.

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