Weiterhin ein "dunkler Tag" für Heilbronn
Vor 15 Jahren wurde die junge Polizistin Michèle Kiesewetter vom NSU ermordet. Stilles Gedenken am Tatort Theresienwiese.

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Es herrschten schon sommerliche Temperaturen, obwohl auf der Theresienwiese in Heilbronn gerade das Frühlingsfest mit Riesenrad aufgebaut wurde. Sicher machten auch ein paar der hier gerade tätigen Schausteller Mittagspause – so wie die jungen Polizisten Michèle Kiesewetter und ihr Kollege Martin Arnold. Sie hatten ihr Polizeifahrzeug vor dem Trafohäuschen geparkt, offenbar auf Empfehlung von Kollegen, denn Kiesewetter war an diesem Tag nur ausnahmsweise in Heilbronn im Einsatz, als "Verstärkung" für die Aktion "Sichere City".
Ganz Deutschland weiß inzwischen, dass Martin Arnold diesen Einsatz schwer verletzt, sie aber nicht überlebte – ermordet vom rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) unter bis heute unaufgeklärten Umständen. Warum diese Schüsse damals fielen, danach ohne Relevanz für die Aufklärung des Mordes blieben, und weshalb in Heilbronn – das sind die Fragen, die sich nicht nur Oberbürgermeister Harry Mergel immer wieder stellt – auch 15 Jahre danach noch.
Das Echo der Schüsse ist bis heute unüberhörbar geblieben. Nach zweijähriger Corona-Zwangspause wird wieder am selben Ort, zur gleichen Zeit, das Frühlingsfest aufgebaut, die Stimmung an diesem 25. April kann aber nicht heiter sein. Innenminister Thomas Strobl, Polizeipräsident Hans Becker und OB Mergel sind für ein "stilles" Gedenken gekommen, und ebenfalls der Marineoffizier Martin Kiesewetter. Er ist ein Cousin der Ermordeten und vertritt die Familie. Mergel sagt, man habe sich im Vorfeld geeinigt, keine Reden zu halten. Aber pünktlich um 11 Uhr läuten über den vorbeifließenden Neckar hinweg die Kirchenglocken der Böckinger evangelischen Kirche. Später, nach der Schweigeminute der "Offiziellen", versammeln sich auch drei Schulkameraden am Gedenkstein. Sie sind extra aus dem thüringischen Oberweißbach gekommen, dem Heimatort von Michèle Kiesewetter. Sie machen nicht viel Worte um ihre Beweggründe, erzählen aber, man habe viel mit ihr gelacht und manchmal auch gestritten, "wie das eben so ist ..." Leise entfernt haben sich die Schwester und der Cousin, sie gingen hinüber zum Trafohäuschen, an die Stelle, an der Michèle starb. Mergel sagte, man werde mit den Verwandten im Anschluss noch zu einem gemeinsamen Essen gehen.
Der "dunkle Tag für Heilbronn" ist die Formulierung, die man immer wieder hört, auch von Innenminister Strobl, der keinen Hehl daraus macht, dass es das auch für ihn als Heilbronner so ist. Auf RNZ-Nachfrage sagt er, man müsse weiterhin "auch dem kleinsten Hinweis" nachgehen, der zur Aufklärung des Mordes führen könne, "damit Licht ins Dunkel kommt". Es gebe kein Vertun: Der NSU habe Deutschland mit seinen Verbrechen "überzogen", man habe die Gefahr unterschätzt. Mit Blick auf heute sagt Strobl auch: "Die Demokratie ist unter Druck geraten!" Das zeige sich auch an dem verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine. Er habe den Eindruck, dass Hass und Hetze immer mehr aus dem Internet heraus auch in der Realität ankommen.
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Besonders betont der Innenminister deshalb auch die aufklärende Arbeit des von ihm im vergangenen Jahr initiierten und unter seiner Leitung stehenden, Ressort-übergreifenden Kabinettsausschuss "Entschlossen gegen Hass und Hetze".
Vor der Gedenktafel für Michèle Kiesewetter haben die Stadt, das Land, die Polizei und die Familie Blumengebinde abgelegt; Cousin Kiesewetter zündet eine Kerze an. Polizeipräsident Becker sagt noch, dass man die eigentlich für diesen Tag geplante Pflanzung eines Baumes für Michèle Kiesewetter vor dem Polizeipräsidium in der Karlstraße aus technischen Gründen habe verschieben müssen. Im September soll dies nachgeholt werden. Man habe sich für einen Blauglockenbaum entschieden, weil dieser sehr schnell wachse, auch als Symbol für die "wachsende Erinnerung".



