Heilbronn

Eine Städtepartnerschaften in Zeiten des Krieges

Wenn Säbel rasseln, statt Friedensglocken läuten, was wird aus der Partnerschaft mit der russischen Schwarzmeerstadt Novorossijsk?

24.02.2022 UPDATE: 25.02.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden
Das Mosaik vor dem Heilbronner Rathaus ist ein Sinnbild für die Städtepartnerschaften: Einige bröckeln schon. Die Partnerschaft mit der russischen Schwarzmeerstadt Novorossijsk ist vorerst gestoppt. Foto: Armin Guzy

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Heilbronn hatte, hat und pflegte in unterschiedlicher Form und Intensität – oft auch einfach nur abhängig von den gerade involvierten verantwortlichen Personen – eine ganze Reihe von Städtepartnerschaften. Die älteste und die jüngste machen zurzeit besondere Sorgen. 1965 wurde die Freundschaftsurkunde mit Béziers unterzeichnet. Die so schön gelegene südfranzösische Weinstadt macht seit einigen Jahren Schlagzeilen, auch über Frankreich hinaus, und zwar durch ihren Bürgermeister Robert Menard. Dessen Rechtsaußen-Positionen werden nur noch von seinem politischen Freund, dem derzeitigen Präsidentschaftskandidaten Eric Zeymour übertroffen. Beide sind sogenannte "Algerien-Franzosen".

Das Geld, das Menard vor einigen Jahren schon dafür ausgab, Männer per Videoüberwachung davon abzuhalten, gegen Bäume zu urinieren, fehlt nun, um die Partnerschaft mit Heilbronn zu unterstützen. Seither herrscht Funkstille. Solange die Bevölkerung von Béziers diesen Bürgermeister wählt und trägt, ergeben einseitige Heilbronner Bemühungen wenig Sinn.

Geldmangel war auch der Grund für das Ende der Städtepartnerschaft mit dem walisischen Port Talbot, sie wurde mit dieser Begründung ganz offiziell durch den dortigen Gemeinderat beendet. Auf der Homepage der Stadt Heilbronn ist sie allerdings noch gelistet.

Zweiseitiges oder in Zukunft nur noch einseitiges Bemühen? Diese Frage stellt sich ganz aktuell für die jüngste "Verschwisterung", die 2019 mit der russischen Schwarzmeerstadt Novorossijsk eingegangen wurde. Das letzte Zeichen von dort war ein Glückwunsch an OB Harry Mergel zu seiner Wiederwahl, wie die Pressesprecherin der Stadt, Claudia Küpper, auf Nachfrage sagt. Sie engagiert sich zudem über den beruflichen Bereich gerade für diese Partnerschaft, sagt sie. Es sei bislang ein sehr guter und positiver Austausch gewesen, zuletzt mit Videokonferenzen. Der Besuch aus Russland sei wegen Corona leider abgesagt worden. Der Heilbronner Freundeskreis von etwa 25 Personen sei gerade dabei, die Beziehungen in Vereinsform zu fassen.

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In einer Stellungnahme zum russischen Angriff auf die Ukraine, die OB Mergel vor Beginn der Gemeinderatssitzung am Donnerstag abgab und in der er den russischen Angriff als "eklatanten Bruch des Völkerrechts" und das "brutale" Zerstören von Träumen der Menschen in der Ukraine scharf verurteilte, heißt es unter anderem: "Für mich, für unser Land, für ganz Europa ist es mit Abstand der dunkelste Tag in der Nachkriegszeit." Gerade in Heilbronn wisse man, was Krieg anrichten kann. Die Erinnerung daran, wie viele erschütternde menschliche Schicksale zurückbleiben, sei in Heilbronn "hellwach". Mergel weiter: "Wir denken natürlich auch an die Menschen in unserer russischen Partnerstadt Novorossijsk. Wir wollen trotz aller aktueller Schwierigkeiten weiterhin eine partnerschaftliche Beziehung aufrecht erhalten und den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Auch russische Eltern bangen derzeit um das Leben ihrer Söhne, die in einen Krieg befohlen werden."

Inzwischen 34 Jahre alt ist die Städtepartnerschaft mit Frankfurt/Oder, etwas jünger die mit der Stadt am anderen Oderufer, dem polnischen Slubice. Die derzeitige gegenseitige Interesselosigkeit ist nicht nur mit Corona zu erklären, der einstige Anknüpfungspunkt und "Verbindungsmann" Heinrich von Kleist und dessen inzwischen so offensichtlich vernachlässigte Bedeutung für Heilbronn, ist Spiegelbild und eine der Ursachen dafür. Dabei hatte diese Partnerschaft, 1987 – die Mauer stand noch – ermöglicht durch Dieter Spöri, dem Heilbronner SPD-Bundestagsabgeordneten, für großes Aufsehen gesorgt und Heilbronn bundesweite Schlagzeilen eingebracht. Nach der Wende kam dann Slubice hinzu. Vom 27. April bis 1. Mai 1987 bereiste eine 44-Mitglieder-Delegation aus Heilbronn die Bezirke Erfurt, Magdeburg, Frankfurt/Oder, Leipzig und Dresden auf "Partnerschaftssuche", so geht es aus einem Stasi-Protokoll hervor, das der RNZ vorliegt. Für die Staatsspitzel bedeutete die Reise viel Mehrarbeit, sie gab ihr den schönen Namen "Aktion Linde". Die rund 100 Seiten der Akten dokumentieren alle Bemühungen, die Briefwechsel, die Reise als solche wie auch spätere, beispielsweise von Chorsängern. Auf Dutzenden von Seiten, bis ins kleinste Detail gehend, waren die Vorschriften dafür vom Ministerium für Staatssicherheit ausgearbeitet worden, unterschrieben von dessen Chef Erich Mielke.

Eine gut funktionierende Partnerschaft gibt es auch: die mit Solothurn in der neutralen Schweiz. Erst im Dezember wurde der ehemalige Stadtpräsident der Stadt, Kurt Fluri, er war 1994 erstmals aus der Stadt an der Aare zum Antrittsbesuch nach Heilbronn gekommen, mit der "Goldenen Münze der Stadt" geehrt. Bei der Verleihung im Gemeinderat lobte ihn OB Mergel "als unglaublichen Schaffer", empathischen Macher und politischen Kopf, einen Mann mit großem Herzen, der über den Tellerrand hinausblickt, aber auch "als humorvollen Freund".

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