Heilbronn

Der lange Demo-Samstag in der Stadt

Am Tag des Gedenkens an den Mordanschlägen von Hanau gab es in Heilbronn vier Demos.

20.02.2022 UPDATE: 21.02.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden
Demonstranten zahlreicher Gruppierungen zeigten beim Theresienturm Flagge gegen rechte Hetze. Foto: Brigitte Fritz-Kador

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Der Kiliansplatz am Samstag in Heilbronn um die Mittagszeit: Etwa 200 Menschen hatten sich hier versammelt – oder sie blieben zumindest stehen und hörten, was es bei dieser Demo zu sagen gab. Die Erinnerung an den rassistischen Anschlag vor zwei Jahren in Hanau, als ein Deutscher neun Menschen mit Migrationshintergrund aus rassistischen Motiven erschoss, stand unter dem Motto "Kein Vergeben – kein Vergessen", verbunden mit einem deutschlandweiten Aufruf zu einem "entschiedenen Kampf gegen Rassismus, Hass und Hetze".

Auch Heilbronn gedachte am Samstag den Opfern, steht die Stadt doch auch seit dem Mord im April 2007 an der jungen Polizistin Michele Kiesewetter durch den rechtsextremen NSU in der Reihe deutscher Städte mit Mordtaten aus der rechten Szene. Auch deshalb unterstützte die Stadt Heilbronn diese Gedenk-Demo.

Einer der Redebeiträge wird besonders in Erinnerung bleiben. Als der junge Schauspieler Lucas Janson (Theater Heilbronn), er kennt Hanau, einen Text vorlas, verfasst vom Vater des getöteten 22-jährigen Hamza Kurtovic, wurde es auf dem Platz ganz still. Dessen Schilderung, wie es der Familie erging und wie man mit ihr umging, zeigte, dass diese Ereignisse von Hanau längst noch nicht aufgearbeitet sind, aber auch, wie erbarmungslos Polizei und Behörden mit den Angehörigen und den Opfern (obduziert ohne Anlass, für die Bestattungsregeln im Islam besonders problematisch) umging. Im Sonnenschein, vor der Kilianskirche, war dies ein bemerkenswerter Auftritt.

Eine größere Anzahl von Demonstranten traf sich am Nachmittag auf der Theresienwiese, mit dem Theresienturm als "Kulisse", dem Wahrzeichen Heilbronns für die Schrecknisse des Zweiten Weltkrieges. Neben einem Häuflein von etwa 20 Querdenkern versammelten sich an einer weiteren Stelle – die Theresienwiese ist groß genug – etwa 100 Anhänger der AfD. Beide Gruppierungen hatten auch "Spaziergänge" durch die Stadt angekündigt.

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Ihnen gegenüber traten rund 200 Demonstranten, die einem Aufruf gefolgt waren, der vom Netzwerk gegen Rechts, der SPD (Stadt- und Landkreis Heilbronn), von den Heilbronner Kreisverbänden der Grünen und Die Linke, von Verdi Heilbronn-Neckar-Franken, dem DGB Kreisverband, dem Stadt- und Kreisjugendring, der Antidiskriminierungsstelle Heilbronn und dem Demokratiezentrum Baden-Württemberg ausgegangen war. Personell waren sie die stärkste Gruppe, akustisch nicht: Die Lautsprecheranlage der AfD war so stark aufgedreht, dass die Thesen der dem rechten Flügel der AfD angehörenden Bundestagsabgeordneten Christina Baum gut zu hören waren – mit Positionen, wie sie AfD-Mitglieder auch im Gemeinderat der Stadt Heilbronn schon vertreten haben.

Für die "Gegendemonstranten", unter ihnen Teilnehmer mit Schildern, die sie schon vor zwei Jahren nach dem Anschlag von Hanau ("Gegen Rassismus und rechte Hetze") trugen, sprach unter anderem der SPD-Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic. Er warnte eindringlich auch vor den "Verstehern", deren relativierende Sprache auch schon in den 1930-Jahren das Erstarken des Nationalsozialismus mit ermöglicht habe.

Gudula Achterberg, gerade für die neue Regierungspräsidentin Susanne Bay (Grüne) in den Landtag nachgerückt, thematisierte die Leistung der Pflege und prangerte besonders den Zynismus an, mit dem die AfD ausgerechnet den Gedenktag für die Morde von Hanau dazu nutzte, unter dem Vorwand der Pandemie rechte Hetze zu betreiben. Schon im Aufruf zur Demo hatte es geheißen, dass der AfD-Aufruf "Impflicht stoppen! Zusammenhalt statt Spaltung! Gesundheit ohne Zwang!" nicht darüber hinwegtäuschen könne, wofür sie stehe: für rechte Hetze gegen Minderheiten.

Die Polizeipräsenz in der Innenstadt und vor allem auch auf der Theresienwiese war unübersehbar, Vorfälle wurden nicht bekannt.

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