Gewalt gegen Politiker

Amts- und Mandatsträger leben gefährlich

Konstant hohe Zahl an Angriffen gegen Politiker - SPD fordert Konsequenzen

02.09.2019 UPDATE: 03.09.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 10 Sekunden
Hockenheims Oberbürgermeister Gummer

Der Hockenheimer Oberbürgermeister Dieter Gummer wurde Mitte Juni von einem ihm unbekannten Mann angegriffen und schwer verletzt. Foto: Dany Schleicher/Stadtverwaltung Hockenheim

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Der Fall Dieter Gummer war vielleicht ein Extrem-, aber keinesfalls ein Einzelfall: Mitte Juli war der inzwischen in den Ruhestand verabschiedete Hockenheimer Oberbürgermeister von Unbekannten angegriffen und niedergeschlagen worden. Der SPD-Politiker, heute 68, erlitt dabei schwere Verletzungen und musste mehrere Tage auf der Intensivstation zubringen.

Wie eine statistische Auswertung des Stuttgarter Innenministeriums auf eine SPD-Anfrage hin nun zeigt, sind Angriffe auf Amts- und Mandatsträger fast schon an der Tagesordnung. Danach hat die Polizei in den Jahren 2016, 2017 und 2018 jeweils rund 160 Straftaten registriert, die sich gezielt gegen baden-württembergische Amts- und Mandatsträger richteten. Die Aufklärungsquote lag zwischen 46 und 57 Prozent.

Erst seit 2016 werden entsprechende Angriffe in der Polizeistatistik separat erfasst. Seit Mitte Juli 2019 steht Politikern infolge des Angriffs auf Gummer sowie dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im nordhessischen Wolfhagen rund um die Uhr eine zentrale Ansprechstelle beim Landeskriminalamt zur Verfügung. Bis Mitte August hat diese bereits neun Fälle bearbeitet.

"Die konstant hohe Anzahl an Straftaten", die sich gezielt gegen Politiker im Land richteten, sei insbesondere vor dem Hintergrund der Ermordung von Walter Lübcke oder des schweren Angriffs gegen Dieter Gummer "besorgniserregend", sagt SPD-Innenexperte Saschas Binder. Ebenso "beunruhigend" sei es, dass die Aufklärungsquote teilweise unter 50 Prozent liege.

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Rückläufig ist indes die Zahl der Hass-Kommentare in den sozialen Medien gegen Politiker im Land, die zu Ermittlungsverfahren führten: 2016 hat die Polizei 62 Fälle registriert, 2017 und 2018 waren es mit 16 respektive 24 Fällen deutlich weniger. In drei Fällen kam es zu Freiheitsstrafen zwischen drei und zwölf Monaten auf Bewährung, in 28 Fällen zu Geldstrafen. In vielen Fällen konnten die Täter nicht ermittelt werden, weil sie ausländische Server nutzten. Die Hälfte der von den Behörden verfolgten Kommentare wird dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Um gezielter gegen Straftaten in diesem Bereich vorgehen zu können, müsse das Land Schwerpunktstaatsanwaltschaften "Rechtsextremismus" einrichten, forderte Binder.

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