Die schwierige Suche nach Schutzmasken
Welche Erfahrung ein Stuttgarter Amtschef im weltweiten Konkurrenzkampf macht.

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Wolf-Dietrich Hammann hantiert im Home Office parallel mit zwei Mobiltelefonen. Am eine spricht der Amtschef des Sozialministeriums fast pausenlos. Auf dem anderen scannt der 65-Jährige nebenbei die neuesten Emails: Ist die bestellte Tranche Schutzmasken endlich eingetroffen? Klingt ein neues Angebot seriös?
Wohl kaum ein Produkt ist in der Corona-Krise weltweit so gefragt wie zertifizierte Atemschutzmasken. Für Baden-Württemberg leitet Hammann das Krisengeschäft. Gerade erst hat das Land einen Vertrag über 30 Millionen Masken aus China geschlossen. Eine große Nummer für ein Bundesland. Einerseits. Anderseits ist der Verbrauch enorm. "Die Gefahr, dass wir irgendwann zu viele Masken haben, ist gering", so Hammann.
Hintergrund
> Mangelware Schmerzmittel? Neben Schutzausrüstung könnten in Kliniken auch Medikamente knapp werden. Darauf weist der Landesverband der Ärzteorganisation Marburger Bund hin. Die Corona-Krise habe Engpässe bei verschiedenen Schmerz- und Narkosemitteln und Antibiotika
> Mangelware Schmerzmittel? Neben Schutzausrüstung könnten in Kliniken auch Medikamente knapp werden. Darauf weist der Landesverband der Ärzteorganisation Marburger Bund hin. Die Corona-Krise habe Engpässe bei verschiedenen Schmerz- und Narkosemitteln und Antibiotika verschärft. Politik und Wirtschaft müssten ihre Bemühungen "auch bei der Beschaffung von Medikamenten und Desinfektionsmittel unbedingt intensivieren" und die heimische Produktion forcieren, so die Organisation.
Noch wartet er auf eine Lieferung von zwölf Millionen Masken, über die das Land schon vor drei Wochen einen Vertrag geschlossen hat. Vielleicht kommen sie noch, vielleicht gibt es sie gar nicht, vielleicht wurden sie mehrfach verkauft.
"Es ist ein ganz wilder Markt", berichtet Hammann, der in der Flüchtlingskrise Amtschef im Integrationsministerium war. Dieser Tage kann es vorkommen, dass um Mitternacht ein Anbieter aus China anruft. Oder dass ein Händler in Holland gelagerte Masken, die ein anderes Land für unbrauchbar hielt, nun Baden-Württemberg anbietet. Hammann war vorgewarnt, lehnte ebenfalls ab. 100 Angebote erhält das Land pro Tag, nur jedes zehnte lohne ein Gespräch, nur zwei von 100 ernste Verhandlungen. "Da sind viele Trittbrettfahrer unterwegs."
Auch interessant
Inzwischen sind Vorauszahlungen obligatorisch, die Regel Geld gegen Ware ist außer Kraft. In einer Videokonferenz klagte kürzlich ein Minister, er habe gerade zwölf Millionen Euro ausgegeben, aber noch keine Maske gesehen.
Im Stuttgarter Sozialministerium kümmern sich 300 von 400 Beamten nur um Covid-19, einer von fünf Stäben allein um die Beschaffung. Gerade hat Hammann juristische Unterstützung angefordert, um die Verträge wasserfest zu machen, um gegen Verluste abgesichert zu sein. Die Spur einer aus der Ukraine versprochenen Lieferung etwa verlor sich an der österreichischen Grenze. In anderen Fällen muss sich Hammann nebenbei um Start- und Landerechte für Frachtflieger bemühen. "Überall gibt es Engpässe."
Doch es gibt auch Hoffnung. In China werden nun in großem Stil Masken produziert. Südwest-Firmen wie Porsche helfen beim Abwickeln großer Deals. "Wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen in der Lage sind, dass der Mangel behoben wird", sagte Minister Manne Lucha am Mittwoch.
Am Dienstagabend erreichte Hammann ein Anruf eines Unternehmers, der in Shanghai Frachtmaschinen zur Verfügung stellen kann. Wieder eine kleine Lücke geschlossen.



