Kretschmann gegen alle? Ampel-Debatte bei den Grünen (Update)
Die aktuellen Entwicklungen zur Wahl aus Stuttgart, Berlin und in der Region.
Stuttgart. (dpa-lsw) Ist Winfried Kretschmann in der falschen Partei? Je länger der Mann an der Macht ist, desto mehr erhärtet sich der Eindruck. Da gibt es Momente, da spricht er von "den Grünen", als gehöre er nicht dazu. Winfried Kretschmann ist ein Konservativer, daraus macht er keinen Hehl, schreibt sogar Bücher darüber. Ein Wechsel in die Union käme natürlich nicht in Frage - schließlich ist gerade der schwarze Kern mit grünem Anstrich das Rezept, das den Regierungschef so erfolgreich macht. Kretschmann geht bewusst auf Distanz zur eigenen Truppe, bedient das Image des dickköpfigen Rebellen - und fischt so beim konservativen Klientel im Ländle.
In der eigenen Partei bleibt das aber nicht ohne Reibung, schon gar nicht in so einer debattierfreudigen Partei wie den Grünen, schon gar nicht in so einer bedeutsamen Phase wie der Regierungsbildung. Das Land steht vor einer Wegscheide - die Ökopartei wird derzeit wie die FDP umgarnt, sie können in eine Ampelkoalition mit dem Wahlsieger SPD eintreten oder in ein Jamaikabündnis mit der Union. Fest steht: An den Kleinen führt kein Weg vorbei. Aber wohin die Reise gehen soll, da sind sich die Grünen im Südwesten alles andere als einig. Die Front, so könnte man meinen, verläuft zwischen dem mächtigen Landesvater - und den meisten anderen.
Offiziell verkündet Kretschmann, dass er ganz offen sei für beide Bündnisse. Trotzdem sendet er fast tägliche Signale, die doch eine klare Präferenz erkennen lassen. Kaum laufen am Sonntagabend die Hochrechnungen über die Schirme, sagt er, die SPD sei für ihn nicht der natürlichere Partner - anders als für den Großteil seiner Partei. Dann wettert er gegen Olaf Scholz, der der größte Gegner gewesen sei bei den Verhandlungen um einen CO2-Preis. Zudem wird Kretschmann nicht müde, sein Bündnis im Land mit der CDU als Vorbild darzustellen, den Koalitionsvertrag als Blaupause für den Bund.
Spricht da jemand einfach aus seiner knorrig-konservativen Seele? Oder ist das alles nur Kalkül, um sich nicht zu billig an die SPD zu verkaufen? "Wenn man was bevorzugt, sind die Gespräche ja nicht mehr offen", sagt Kretschmann.
Dem Landesverband reicht es jetzt mit Kretschmanns unterschwelligem Karibik-Kurs. Kurz vor den Sondierungsgesprächen schlägt die Parteispitze einen Pflock in den Boden, um zu zeigen, dass die Grünen im Ländle eben nicht für Jamaika sind. "Aus unserer Sicht gibt es ganz klar drei Wahlsieger: Die SPD, uns Grüne und die FDP", sagte die Vorsitzende Sandra Detzer der Deutschen Presse-Agentur. "Als Landesverband haben wir die klare Präferenz, dass diese drei Parteien eine Regierung bilden sollten." Rumms.
Nicht nur die Parteispitze tickt so. "Wenn man vom Ende her denkt, ist die Ampel die Koalition, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewollt wird", sagt der Tübinger Grünen-Politiker Chris Kühn. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Hand hebt für Armin Laschet im Bundestag." Man werde beide Optionen sondieren, aber sie seien eben nicht gleichrangig. Allein schon, weil die Union nicht sortiert sei, dort ein Machtkampf tobe. "Der Respekt vor den Demokraten gebietet die Pflicht zu Gesprächen", sagt Kühn. "Aber der Glaube, dass die Union regierungsfähig ist, geht gegen Null."
Auch die Spitzenkandidatin der Südwest-Grünen, Franziska Brantner, die der 14-köpfigen Sondierungsgruppe angehören soll, macht keinen Hehl aus ihrer Präferenz: "Ganz klar die Ampel", sagt sie der Rhein-Neckar-Zeitung. "In dieser Konstellation hoffen wir auf einen echten Modernisierungsschub für Deutschland." Naturgemäß ist auch die Grüne Jugend auf dem Baum. "Dass wir Differenzen mit dem MP (Ministerpräsidenten) haben, auch wenn es um Koalitionsfragen geht, ist kein Geheimnis", kommentierte Landessprecherin Sarah Heim zu Wochenbeginn die Äußerungen Kretschmanns.
Der Landesvater bleibt sich jedenfalls treu: Kretschmann hatte sich bereits im Frühjahr nach der Landtagswahl gegen eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP entschieden und für eine Fortsetzung von Grün-Schwarz. Nun treiben ihn dieselben Motive an, glaubt der Kommunikationsexperte Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Kretschmann sei überzeugt, dass so große Aufgaben wie der Klimaschutz, wie die Aussöhnung von Ökologie und Ökonomie, von einer breiten Basis getragen werden müssten. "Dazu gehört, dass man die CDU nicht liegen lässt." Damals hatte Detzer und ihr Co-Vorsitzender Oliver Hildenbrand ebenfalls für eine Ampel geworben. Am Ende setzte sich der Ministerpräsident durch.
Wer wird sich nun durchsetzen?
Kretschmanns Stimme hat jedenfalls Gewicht, ist er doch seit einem Jahrzehnt einziger grüner Ministerpräsident in Deutschland. Er gehört zum engeren zehnköpfigen Sondierungsteam der Bundespartei, das am Sonntag mit der SPD und kommende Woche mit der Union über eine Regierung verhandeln soll. In Gesprächen mit der CDU könne Kretschmann eine Brückenfunktion einnehmen, sagt Brettschneider. Und in Verhandlungen mit der SPD könne er der Mahner sein, der den Sozialdemokraten erkläre, dass man sich nicht unterbuttern lasse.
Kretschmann will mitreden, so viel ist klar. Sein Rat sei immer gern gehört, sagte er selbst am Dienstag. Ob das alle in seiner Partei so sehen, sei dahingestellt.
Update: Donnerstag, 30. September 2021, 15.27 Uhr
Kretschmann sieht seinen Koalitionsvertrag als Blaupause für den Bund
Stuttgart. (dpa) Das Programm der baden-württembergischen Landesregierung kann aus Sicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei den anstehenden Gesprächen im Bund als Vorbild dienen. Der grün-schwarze Koalitionsvertrag aus Baden-Württemberg sei eine "gute Blaupause", sagte der grüne Regierungschef am Dienstag in Stuttgart. Grüne und CDU hatten im Südwesten viele Maßnahmen für den Klimaschutz vereinbart, etwa eine Solarpflicht für Neubauten von Wohngebäuden.
Kretschmann sagte, er sehe für seine Partei im Bund einen klaren Regierungsauftrag. "Wir haben jetzt den Auftrag zu regieren", betonte er. Das Thema der Grünen sei nicht verschwunden. Es gehe darum, die Wirtschaft zu dekarbonisieren. "Die Aufgabe ist größer als das numerische Gewicht, das wir in die Regierung einbringen."
Die Grünen seien objektiv Wahlgewinner, sagte Kretschmann. "Das zeigen ja die Balken." Aber trotz Stimmenzuwachs sei man nicht zufrieden. "Wir wollten ja schließlich das Kanzleramt erobern, davon sind wir erheblich entfernt."
CDU-Wirtschaftsflügel fordert inhaltliche und personelle Erneuerung
Stuttgart. (dpa-lsw) Nach dem historisch schlechten Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl fordert der CDU-Wirtschaftsflügel im Südwesten "eine rasche inhaltliche und personelle Erneuerung" der Partei in Bund und Land. Das "zweite desaströse Wahlergebnis nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg" stelle das Überleben der CDU als Volkspartei in Frage, teilte die Mittelstands- und Wirtschaftsunion Baden-Württemberg (MIT) am Dienstag in Stuttgart mit.
Wirtschaftspolitiker wie Carsten Linnemann und Friedrich Merz nicht gleich "in herausgehobener Position" in den Wahlkampf eingebunden zu haben, habe sich nun "gerächt", teilte der Wirtschaftsflügel mit. Bei der Frage nach der Wirtschaftskompetenz sei die CDU um 25 Prozent abgestürzt, zudem habe sie bei Selbstständigen einen Verlust von 10 Prozent der Stimmenanteile hinnehmen müssen.
"Diese erdrutschartigen Verluste beim Thema Wirtschaft gefährden massiv den Markenkern der CDU", sagte der MIT-Landesvorsitzende Bastian Atzger am Dienstag. "Wir müssen beim Thema Wirtschaft das Ruder herumreißen und einen parteiweiten Neustart wagen."
Update: Dienstag, 28. September 2021, 11.03 Uhr
Fünf Gründe, warum Kretschmann Jamaika im Spiel halten will
Stuttgart. (dpa-lsw) Das wird ein schwieriger Spagat. Wie sollen die Grünen vor allem ihren jungen Wählerinnen und Wählern erklären, dass sie nach der krachenden Niederlage der Union auch nur erwägen, eine Koalition mit CDU/CSU und FDP zu machen? Von "Treppenwitz" der Geschichte ist hie und da schon die Rede. Schließlich ist die SPD mit Olaf Scholz klarer Wahlsieger und liegt auch ein ganzes Stück vor der Union. Und immerhin fühlen sich wohl die meisten Grünen den Sozialdemokraten näher als den Konservativen. Winfried Kretschmann fühlt das nicht so. Sagt er. Fünf Gründe, warum der baden-württembergische Ministerpräsident ein Jamaika-Bündnis unbedingt im Spiel halten will.
> Grund 1: Strategisches Abstandhalten zu beiden Seiten
Bei den Grünen kursiert der Spruch: "Der Auftrag ist größer als das Ergebnis." Trotz Klimakrise blieben die Grünen mit 14,8 Prozent weit hinter ihren Möglichkeiten - was vor allem an Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock lag. Nun werden aber die Grünen zum Regieren gebraucht, ähnlich wie die FDP. Das Ziel für die Ökopartei müsse nun sein, mehr für den Klimaschutz rauszuholen als das Ergebnis eigentlich hergibt - also den Preis hochtreiben. "Wir müssen uns jetzt nicht ins Schwert stürzen, sondern wir müssen jetzt gut verhandeln", sagte Kretschmann am späteren Wahlabend. Übersetzt heißt das: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Scholz die Grünen schon im Sack hat. Abstand halten zu beiden Seiten erfordert aber erhöhte Disziplin in der Partei, vor allem bei den Linken. Motto: Nerven behalten.
Hintergrund
Hier geht es zu unserem Wahl-Spezial zur Bundestagswahl mit den Ergebnissen aus den Städten und Gemeinden sowie den Wahlkreisen in der Region.
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> Grund 2: Skepsis gegenüber Scholz und der SPD
Als Olaf Scholz nach der Landtagswahl im März auf eine Ampel im Südwesten drängte, sagte der grüne Wahlsieger Kretschmann: "Was jetzt der Finanzminister Scholz dazu sagt, ist mir mal ziemlich egal." Da war Scholz allerdings schon längst Kanzlerkandidat. Wenn Kretschmann über die Zentralisten in Berlin wettert, die sich irgendwas ausdenken und dann den Ländern die Kosten überhelfen, ist ziemlich oft Scholz gemeint. Der SPD-Mann mokierte sich im Wahlkampf ausdauernd darüber, dass es im Südwesten trotz grünem Regierungschef nicht gelungen sei, die Windkraft stark auszubauen. Am Wahlabend sagte Kretschmann, er sehe in der SPD nicht den natürlicheren Koalitionspartner, weil er ja im Land schon mit Genossen und Union regiert habe - auch ein klares Statement.
> Grund 3: Die Zuneigung zur Union und Respekt vor Laschet
Zur Erinnerung: Der wertkonservative Kretschmann setzte im Frühjahr gegen den entschiedenen Widerstand vieler in der Landesführung eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU durch - auch damals hatte die Union eine Klatsche gekriegt. Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie ist Kretschmanns Leitmotiv. Was hinzukommt: Der Grüne ist bekennender Merkel-Fan und findet, der Union stehe eine wichtige Rolle im Land zu. "Moderne Christdemokraten, die ihren Grundprägungen treu bleiben, sind eine Lebensversicherung für unsere Demokratie", schrieb er in seinem Beitrag für ein Buch mit dem Titel: "Die hohe Kunst der Politik. Die Ära Angela Merkel". An Armin Laschet schätzt Kretschmann vor allem dessen Einsatz für Europa und die Fähigkeit zu moderieren.
> Grund 4: Ampel könnte Turbulenzen für Grün-Schwarz bedeuten
Sitzen CDU und CSU im Bundestag auf den Oppositionsbänken, könnte das auch für Grün-Schwarz im Land das Regieren erschweren. Kretschmann bemühte sich neulich, diesen Eindruck zu verwischen, als er mit Hilfe einer Grafik aufzeigte, wieviele unterschiedliche Länder-Koalitionen mittlerweile im Bundesrat vertreten seien. Sollte heißen: Selbst mit einer Bundesregierung, in der Union und Grüne vertreten sind, ist es für Baden-Württemberg nicht mehr so einfach, Einfluss auszuüben. Aber: Schafft es Scholz, eine Ampel zu bilden, würde das bei der CDU womöglich die Dämme brechen lassen. Dann müsste auch Bundesvize und Landeschef Thomas Strobl bohrende Fragen beantworten. Zum Beispiel: Warum er sich in der K-Frage für Laschet aussprach, obwohl die Landespartei klar für Söder war. Kretschmanns Vertrauensmann bei der CDU müsste womöglich um seine Wiederwahl als Landesvorsitzender bangen.
> Grund 5: Schöne Aussicht in Bellevue
Es ist nur ein Gerücht, das zum Beispiel die FDP immer mal wieder streut. Es basiert im Grunde darauf, dass sich Kretschmann schon vor fünf Jahren mal ganz gern als Nachfolger von Bundespräsident Joachim Gauck handeln ließ. Es wurde dann Frank-Walter Steinmeier. Nach dem Sieg seiner SPD stehen dessen Chancen für eine Wiederwahl nicht so schlecht. Die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, sind eher unübersichtlich. Wenn es eine Jamaika-Koalition gäbe, könnte der philosophierende Politiker Kretschmann vielleicht doch nochmal ins Spiel kommen. Die Wahl ist am 13. Februar. Ob der 73-Jährige überhaupt Lust hätte, nach Berlin zu wechseln? Viele führende Grüne im Land bezweifeln das. Aber es gebe Schlimmeres als für Bellevue gehandelt zu werden.
Update: Montag, 27. September 2021, 17.29 Uhr
Diese Abgeordneten aus der Region wurden gewählt
Heidelberg. (mün) Die Direktmandate in den Wahlkreisen Nordbadens sind vergeben – aber welcher Kandidierende hat es noch über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag geschafft? Hier der aktuelle Überblick auf Basis der Daten des Bundeswahlleiters.
> Wahlkreis 274 Heidelberg:
Direkt gewählt wurde Franziska Brantner (Grüne).
Malte Kaufmann zieht über die Landesliste der AfD in den Bundestag ein.
Alexander Föhr (CDU) ist gescheitert, da die CDU keine Abgeordneten über Listenplätze gewinnt.
> Wahlkreis 275 Mannheim
Isabel Cademartori (SPD) gewinnt das Direktmandat.
Über die Grünen-Landesliste zieht Melis Sekmen in den Bundestag ein.
Konrad Stockmeier kommt über die FDP-Landesliste ins Bundesparlament.
Gökay Akbulut zieht über die Linke-Landesliste wieder in den Bundestag.
> Wahlkreis 276 Odenwald Tauber
Nina Warken gewinnt für die CDU das Direktmandat.
Über die AfD-Landesliste zieht Christina Baum in den Bundestag ein.
> Wahlkreis 277 Rhein-Neckar
Moritz Oppelt gewinnt für die CDU das Direktmandat.
Über die Landesliste der SPD wurde wieder Lars Castellucci in den Bundestag gewählt.
Für die FDP zieht wieder Jens Brandenburg ins Bundesparlament ein.
> Wahlkreis 287 Bruchsal-Schwetzingen
Olaf Gutting gewinnt das Direktmandat für die CDU.
Von den anderen Bewerbern erringt keiner ein Mandat über eine Landesliste.
> Wahlkreis 267 Heilbronn
Alexander Throm gewinnt das Direktmandat für die CDU.
Josip Juratovic zieht über die SPD-Landesliste in den Bundestag ein.
> Wahlkreis 187 Odenwald (Hessen)
Jens Zimmermann gewinnt für die SPD das Direktmandat.
Patricia Lips kommt über die CDU-Landesliste ins Bundesparlament.
Über die Grünen-Liste zieht Philip Krämer in den Bundestag ein.
> Wahlkreis 188 Bergstraße (Hessen)
Michael Meister gewinnt das Direktmandat für die CDU.
Über die FDP-Landesliste zieht Till Mansmann in den Bundestag ein.
CDU verliert im Südwesten noch stärker als im Bund
Stuttgart. (dpa/lsw) Um kurz nach halb drei in der Nacht zu Montag kam das vorläufige Ergebnis der Bundestagswahl in Baden-Württemberg. Bis zuletzt hieß es: Warten auf das Resultat aus Biberach. Landwirt Josef Rief (61) von der CDU machte das Rennen, wenn auch mit starken Verlusten. Immerhin dauerte es nicht so lang wie in Berlin, wo die Wahl zum Marathon wurde. Und: Es war ein einigermaßen versöhnlicher Abschluss für die Südwest-CDU, die an diesem Abend kräftig durchgeschüttelt wurde.
Das vorläufige Ergebnis vom frühen Montagmorgen
So ist es im Land ausgegangen: Die CDU fällt auf ein Rekordtief von 24,8 Prozent. Ein Minus von 9,6 Punkten. Der Trost für Landeschef Thomas Strobl: Seine CDU hält SPD und Grüne im Südwesten auf Distanz. Aber: Sein Landesverband verliert noch stärker als die Bundespartei und liegt auch nur knapp über dem Ergebnis der Union insgesamt. Das dürfte am Montagabend bei den Gremiensitzungen in Gerlingen kontrovers diskutiert werden. Der Sozialflügel fordert schon Konsequenzen - inhaltliche und personelle.
Die Südwest-SPD wird im Sog von Olaf Scholz nach oben gezogen und landet bei 21,6 Prozent. Sie schafft mit 5,2 Punkten den größten Zugewinn. Die Grünen könnten eigentlich happy sein mit ihren 17,2 Prozent. Das sind 3,7 Punkte mehr als vor vier Jahren und das beste Resultat überhaupt. Aber Platz drei war nicht das Ziel, sondern Rang eins.
Die FDP pusht sich in ihrem Stammland auf 15,3 Prozent hoch, nach 12,7 Prozent vor vier Jahren. Die AfD ist künftig nur noch fünftstärkste Kraft im Bundestag, da ändert auch das Ergebnis im Südwesten nichts dran. Die AfD im Land büßt 2,6 Punkte ein und landet bei 9,6 Prozent - das ist noch schwächer als im Bund. Die Linke rutscht richtig ab und liegt nur noch bei 3,3 Prozent.
Was heißt das in Stimmen?
Die CDU büßt allein im Südwesten mehr als 580 000 Stimmen ein. In der Partei lasten das viele Armin Laschet an, dem ungeliebten Kanzlerkandidaten. Da die Landes-CDU in der K-Frage für CSU-Chef Markus Söder plädierte, war das Werben für Laschet nicht so richtig glaubwürdig. Zweiter großer Verlierer im Land ist die Linke, die über 180 000 Stimmen weniger bekommt als vor vier Jahren. Die Warnung vor Rot-Grün-Rot hat zumindest im Südwesten seine Wirkung nicht ganz verfehlt. Dritter Loser ist die AfD: Minus 160 000 Stimmen.
Ein dickes Plus heimst die zuletzt schwer gebeutelte Südwest-SPD ein. Fast 300 000 Stimmen mehr als 2017 greifen die Sozialdemokraten ab. Die Grünen holen 210 000 Stimmen mehr als vor vier Jahren. Gut 140 000 Stimmen mehr trägt die FDP in ihrem Stammland zum guten Ergebnis der Christian-Lindner-Partei bei.
Özdemir durchbricht schwarze Phalanx
Strahlender Sieger bei den Grünen ist Cem Özdemir. Der 55 Jahre alte Ex-Parteichef holt mit fulminanten 40 Prozent ein Direktmandat in Stuttgart. Noch am Wahlabend kommentiert Ödzemir in der ARD bei "Anne Will" die Ergebnisse und empfiehlt sich für höhere Aufgaben. Auch Franziska Brantner (42) jagt der CDU ein Direktmandat ab. Die Spitzenkandidatin der Südwest-Grünen gewinnt in Heidelberg - auch in Freiburg und Karlsruhe liegen zwei junge grüne Frauen vorne.
Der CDU-Altvordere Wolfgang Schäuble muss um seinen Posten als Bundestagspräsident bangen. Kommt Jamaika, könnte der 79-Jährige im Amt bleiben. Aber auch er muss im Wahlkreis Federn lassen. Nach 48,1 Prozent vor vier Jahren gewinnt Schäuble seinen Heimatkreis Offenburg nur noch mit 34,9 Prozent. Andreas Jung (46), CDU-Landesgruppenchef und Klimaexperte in Laschets Team, gewinnt zwar, büßt aber zehn Punkte in Konstanz ein.
Saskia Esken, SPD-Bundeschefin, könnte bei einer Regierungsübernahme in ein Kabinett von Olaf Scholz eintreten. In ihrem Wahlkreis Calw unterliegt sie aber mit 17,2 Prozent dem CDU-Kandidaten deutlich. Die 60-jährige Parteilinke zieht über die Landesliste in den Bundestag ein. Dort sitzt künftig auch Isabel Cademartori: Die 33-Jährige erringt in Mannheim das einzige SPD-Direktmandat im Land.
Gegen Corona-Maßnahmen: Die Basis und Freie Wähler bleiben schwach
Die neue Partei "Die Basis" wollte die Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen zu sich ziehen, was aber selbst in Baden-Württemberg - dem Ausgangspunkt der "Querdenker" - nur begrenzt gelingt. Die Partei, die durch vergleichsweise viel Wahlwerbung auffiel, kommt auf 1,9 Prozent, das sind knapp 115 000 Stimmen. Die Freien Wähler mit ihrem Bundesvorsitzenden Hubert Aiwanger schaffen im Südwesten nur 1,7 Prozent. Aiwanger, der in Bayern mit der CSU regiert, hatte sich zuletzt auch als Impfgegner profiliert.
Scholz oder Laschet? Baden-Württemberger mischen mit
Winfried Kretschmann (73) ist nicht als großer Freund von Olaf Scholz bekannt. Der grüne Ministerpräsident zeigte sich am Sonntagabend betont offen für eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP. Auf die Frage, ob die SPD nicht der natürlichere Regierungspartner der Grünen sei, sagte Kretschmann: "Ein Großteil meiner Partei empfindet das sicher so." Frage: "Sie auch?" Antwort: "Ich nicht." Er habe ja so seine Erfahrungen in Koalitionen mit SPD und Union im Südwesten. Und nein, es sei nichts Merkwürdiges daran, wenn der Wahlsieger Scholz nicht Kanzler würde. Ja, er sei enttäuscht über das grüne Ergebnis, aber: "Wir müssen uns jetzt nicht ins Schwert stürzen, sondern wir müssen jetzt gut verhandeln."
Das dürfte ganz im Sinne von Thomas Strobl sein, Kretschmanns Kompagnon in der grün-schwarzen Regierung im Ländle. Schließlich würde das auch seine Position als Bundesvize und als Landeschef stabilisieren, wenn Laschet doch noch Kanzler würde. Saskia Esken staunt eher über die Union, die ja stark verloren habe. "Da wundert es mich schon, dass CDU und CSU glauben, aus diesem Ergebnis einen Regierungsbildungsauftrag ableiten zu können."
Update: Montag, 27. September 2021, 08.00 Uhr
Kretschmann kann sich trotz CDU-Schlappe Jamaika vorstellen
Stuttgart. (dpa/lsw) Die CDU im Südwesten dringt trotz einer historischen Schlappe bei der Bundestagswahl auf eine sogenannte Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP in Berlin. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) machte der Union mit Kanzlerkandidat Armin Laschet am Sonntagabend trotz der Stärke der SPD Hoffnung auf einen Verbleib an der Regierung nach 16 Jahren Angela Merkel.
Wie im Bund stürzte die CDU am Sonntag auch im Land mächtig ab, blieb aber vor SPD und Grünen stärkste Kraft im Land. Laut Hochrechnung von Infratest dimap für den SWR am späten Sonntagabend erhält die Landes-CDU nur noch 25,5 Prozent der Stimmen, ein Verlust von 8,9 Punkten (2017: 34,4 Prozent). Das ist das schlechteste Ergebnis der Südwest-CDU bei einer Bundestagswahl und die zweite Pleite nach der Landtagswahl im März, als die Union den Grünen unterlag.
CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl sagte zu den Verlusten: "Das ist ein Ergebnis, das uns überhaupt nicht zufrieden stellt." Die CDU im Südwesten sei aber nach wie vor mit Abstand die stärkste Partei. "Deutlich vor der SPD, sehr deutlich vor den Grünen. Wir sind stärker als die Bundespartei", sagte der CDU-Bundesvize. Zudem müsse nicht automatisch die Partei den Kanzler stellen, die am Ende auch vorne liege. Jamaika könne eine "Zukunftskoalition" sein, die Ökonomie und Ökologie miteinander versöhne.
Die Grünen landeten mit ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Bund und im Land zwar nur auf Rang drei, errangen aber in Heidelberg, Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart ihre ersten Direktmandate überhaupt in Baden-Württemberg. Kretschmann sagte im ZDF, anders als ein Großteil seiner Partei sehe er die SPD nicht als natürlicheren Partner der Grünen an. Er hatte sich im Frühjahr nach der Landtagswahl gegen eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP entschieden und für eine Fortsetzung von Grün-Schwarz. Entscheidend sei, dass ein Bündnis verlässlich und stabil sei. "Da gehen wir sehr offen rein." Eine Vorfestlegung wäre unklug. "Das ist nicht gut für die Preisbildung."
Vor vier Jahren hatte die CDU noch alle 38 Direktmandate im Land gewinnen können, nun schnappte ihr auch die SPD eines weg, das in Mannheim. Überhaupt profitierte die Südwest-SPD vom Aufschwung der Bundespartei unter Kanzlerkandidat Olaf Scholz und kommt auf 21,9 Prozent und gewinnt laut Hochrechnung 5,5 Punkte hinzu (2017: 16,4 Prozent) - das ist der größte Zugewinn aller Parteien.
Der SPD um Saskia Esken, Parteichefin im Bund und Spitzenkandidatin im Land, würde damit die Wiedergutmachung für das schlechte Ergebnis bei der Landtagswahl im März gelingen, als sie nur bei 11 Prozent landete. Esken sieht den Regierungsauftrag nun klar bei ihrer Partei. Die Union habe stark verloren. "Da wundert es mich schon, dass CDU und CSU glauben, aus diesem Ergebnis einen Regierungsbildungsauftrag ableiten zu können", sagte sie im SWR-Fernsehen.
Die Grünen im Land können sich laut Hochrechnung um 3,2 Punkte steigern und erreichen 16,7 Prozent (2017: 13,5 Prozent). Das ist ihr bestes Ergebnis jemals bei Bundestagswahlen. In Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg und Freiburg wurde ganz besonders laut gefeiert: In der Landeshauptstadt setzte sich der Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir durch, in Karlsruhe gewann die 26-jährige Zoe Mayer, in Heidelberg errang die Grünen-Spitzenkandidatin Franziska Brantner die meisten Stimmen und im Breisgau gewann Chantal Kopf (26).
Allerdings hatte die Partei im Bund wie auf Landesebene deutlich höher gesteckte Ziele, die sie mit Baerbock aber nicht erreichen konnten. Kretschmann zeigte sich enttäuscht über Platz drei. Aber: "Wir müssen uns jetzt nichts ins Schwert stürzen, sondern wir müssen jetzt gut verhandeln."
Die FDP profitiert in ihrem Stammland offensichtlich von der Schwäche der Union und legt auf 14,8 Prozent zu (2017: 12,7 Prozent). Das ist deutlich stärker als im Bund. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke findet, nun müssten die anderen Parteien der FDP entgegenkommen, wenn sie mit ihr auf Bundesebene regieren wollten. Die FDP wolle keine Steuererhöhung und keine Aufweichung der Schuldenbremse, sagte er im SWR. Eine Jamaika-Koalition wäre für die FDP erste Wahl. Das sieht auch Michael Theurer so, der Landeschef der FDP in Baden-Württemberg. "Natürlich haben wir aufgrund der inhaltlichen Nähe in den zentralen finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen eine gewisse Präferenz für Jamaika, das ist aber kein Selbstläufer", sagte er der dpa.
Die AfD büßt etwas ein und landet mit Spitzenkandidatin Alice Weidel bei 9,8 Prozent (2017: 12,2 Prozent). Die Linke verliert im Südwesten kräftig und liegt bei nur 3,2 Prozent (2017: 6,4 Prozent).
Landesweit konnten rund 7,7 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme für die Bundestagswahl abgeben. Wegen der Corona-Pandemie nutzten diesmal besonders viele die Briefwahl. Etwa 397 000 junge Leute konnten im Südwesten erstmals bei einer Bundestagswahl abstimmen. 747 Frauen und Männer aus Baden-Württemberg bewarben sich um einen Sitz im Bundestag.
Update: Montag, 27. September 2021, 00.57 Uhr
Laschets und Scholz' Zweikampf ums Kanzleramt
Berlin. (dpa) Es ist eine historische Wahlschlappe für die Union: Am Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel stürzen CDU und CSU auf ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ab. Aber auf den letzten Metern hat Kanzlerkandidat Armin Laschet noch einiges an Boden gut gemacht und liegt am Sonntagabend in den Hochrechnungen weniger weit hinter seinem SPD-Konkurrenten Olaf Scholz als von vielen erwartet.
Deswegen tritt er kurz vor 19 Uhr im Konrad-Adenauer-Haus sehr gefasst vor seine Anhänger. Das man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein könne, erwähnt er nur beiläufig. Dafür erklärt er sehr selbstbewusst seinen Machtanspruch: "Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung. Deshalb werden wir alles daran setzen eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden." Damit gibt es zwei, die das Kanzleramt für sich beanspruchen.
Scholz: "Wir wollen die nächste Regierung bilden"
Kurz nach Laschet tritt Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus vor die Kameras. Er war als krasser Außenseiter in diesen Wahlkampf gestartet, hat die SPD in den letzten Monaten aber aus einem tiefen Umfrageloch an die Spitze im Dreikampf um das Kanzleramt katapultiert - auch dank der Fehler Laschets und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Am Ende ist es eine knappe Sache geworden. Am Abend liegt der Vorsprung der SPD vor der Union zwischen 1,2 und 1,5 Prozentpunkten.
Auch Scholz macht seinen Anspruch deutlich, eine Regierung anzuführen. Zunächst noch etwas schüchtern und umschweifig, später immer deutlicher: "Ich glaube, dass wir daraus auch den Auftrag ableiten können, dass wir sagen: Wir wollen die nächste Regierung bilden", sagt er.
Zwei Parteien als Kanzlermacher
Nach der spannendsten Wahl der letzten Jahrzehnte steht damit eine wohl noch spannendere Regierungsbildung bevor. Sowohl Laschet als auch Scholz werden ihre Koalitionsoptionen ausloten - egal ob sie auf Platz eins oder zwei liegen. Beide werden um dieselben Partner buhlen: Grüne und FDP. Die sogenannte Ampel (Rot-Grün-Gelb) tritt also an gegen eine nach den Landesfarben Jamaikas benannte Koalition von Union, Grünen und FDP.
Die beiden Parteien, die nun Kanzlermacher sind, haben vor der Wahl ziemlich deutlich gesagt, zu welcher Koalition sie tendieren: Für die FDP ist es Jamaika, den Grünen ist die Ampel lieber. Festlegen will sich am Sonntagabend aber niemand mehr.
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die weit abgeschlagen auf Platz drei hinter Laschet und Scholz gelandet ist, spricht lediglich von einem "Wählerauftrag, für eine Erneuerung im Land zu sorgen".
Auch FDP-Chef Christian Lindner vermeidet es, sich klar für Union oder SPD als Koalitionspartner zu positionieren. Stattdessen stellt er lieber die Gemeinsamkeiten mit den Grünen heraus, mit denen er im Wahlkampf nicht besonders glimpflich umgegangen ist. "Grüne und FDP verbindet, dass beide einen eigenständigen Wahlkampf geführt haben. Beide haben sich - aus unterschiedlicher Perspektive - gegen den Status quo der großen Koalition gewandt", sagt er.
Sondierungen kreuz und quer
Außerdem bringt er eine ganze neue Variante der Sondierung ins Spiel: Die beiden potenziellen Kanzlermacher werden erst einmal untereinander klären, mit wem sie koalieren wollen. "Uns geht's um Inhalte", sagt er in der traditionellen Elefantenrunde nach der Wahl bei ARD und ZDF. Baerbock erklärt sich prompt dazu bereit.
Förmliche Regeln für die Regierungsbildung gibt es nicht. Normalerweise lädt die stärkste Partei zu Gesprächen ein. Es hat aber auch schon Wahlen gegeben, in denen die zweitstärkste Kraft eine Koalition gebildet hat. Gegen Sondierungsgespräche kreuz und quer ist also nichts einzuwenden.
Rückfalloption Rot-Grün-Rot scheidet wohl aus
Ein Trumpf fällt für Scholz dabei wohl weg. Die Rückfalloption Rot-Grün-Rot mit der Linken wird es für ihn wohl nicht geben. Die Linke kratzte am Sonntagabend noch an der Fünf-Prozent-Marke und selbst wenn sie in den Bundestag einzieht, dürfte es nach allen Hochrechnungen nicht für eine Mehrheit reichen. Eine Drohkulisse kann Scholz damit also nicht aufbauen.
Mit den besten Karten geht trotzdem derjenige in die Sondierungen, der nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis die Nase vorne hat. Und da wiesen die Zeichen am Abend klar auf die SPD.
Für den Notfall: Rot-Schwarz
Wenn alles schief läuft, gibt es doch noch eine Notfalloption: das Bündnis, mit dem Merkel 12 ihrer 16 Amtsjahre regiert hat. Die große Koalition der beiden stärksten Kräfte Union und SPD war schon nach der letzten Bundestagswahl der Notnagel nach dem Platzen der Jamaika-Verhandlungen. Die SPD quälte sich damals regelrecht in die sogenannte GroKo, die sie für ihr schlechtes Wahlergebnis mitverantwortlich machte.
Auch Laschet machte am Sonntagabend aber klar, dass er kein Interesse mehr an einer Neuauflage hat. Der Arbeitsstil dieses Bündnisses sei "nicht zukunftsträchtig", sagte er. "Wir brauchen hier einen echten Neuanfang."
Zuschauer wird bei den bevorstehenden Sondierungen neben der Linken übrigens auch die AfD sein. Sie ist die einzige Partei, mit der grundsätzlich niemand regieren will. Und sie wird wohl auch nicht mehr stärkste Oppositionspartei sein. Diese Rolle wird wohl Union oder SPD zukommen.
Schwierige Verhandlungen: Regierung erst nach Weihnachten?
In der Regel dauert es nach einer Bundestagswahl ein bis drei Monate bis zur Vereidigung eines neuen Kabinetts. Bis Weihnachten war man fast immer fertig. Mit einer Ausnahme: Nach der letzten Wahl 2017 gab es eine beispiellose Hängepartie. Erst am 14. März - fast ein halbes Jahr nach dem Wahltermin - hatte Deutschland eine Regierung. Dass es sehr viel schneller gehen kann, haben Willy Brandt (SPD) 1969 und Helmut Kohl (CDU) 1983 gezeigt, die nur 24 Tage brauchten, um Koalitionen mit der FDP zu schmieden.
Die komplizierte Konstellation spricht diesmal zwar dafür, dass es wieder sehr lange dauern. Andererseits gilt 2017 als abschreckendes Beispiel, das eigentlich niemand wiederholen möchte. Denn eine lange Übergangszeit macht auch international keinen guten Eindruck. Am 1. Januar übernimmt Deutschland die Präsidentschaft in der G7, dem Club der großen westlichen Wirtschaftsmächte. Da sollten die Verbündeten schon wissen, mit wem sie es zu tun haben.
Unter anderem deswegen zeigten sich die beiden Hauptakteure am Sonntag entschlossen, die Hängepartie von 2017 nicht zu wiederholen. Man wolle alles dafür tun, "dass wir vor Weihnachten fertig sind", sagte Scholz. Und Laschet stimmte ein: "Auf jeden Fall vor Weihnachten."
Hochrechnungen sehen weiterhin SPD vor der Union
Bei der Bundestagswahl ist die SPD Hochrechnungen (23 Uhr) zufolge stärkste Kraft geworden. Die CDU/CSU stürzte dagegen am Sonntag nach 16 Jahren Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel auf ein Rekordtief. Die Grünen wurden mit dem besten Ergebnis ihrer Geschichte klar drittstärkste Partei - vor FDP, AfD und Linken.
Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF gegen 22.50 Uhr verbessert sich die SPD auf 25,9 bis 26,0 Prozent (2017: 20,5 Prozent). Die CDU/CSU fällt auf 24,1 bis 24,5 Prozent (32,9). Die Grünen fahren 13,9 bis 14,7 Prozent ein (8,9). Die FDP verbessert sich auf 11,5 bis 11,7 Prozent (10,7). Die AfD, bisher drittstärkste Kraft, kommt auf 10,4 bis 10,5 (12,6). Die Linke rutscht auf 5,0 Prozent ab (9,2). Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), als Partei nationaler Minderheiten von der Fünf-Prozent-Hürde befreit, kann laut ARD-Prognose einen Abgeordneten in den Bundestag schicken.
Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern sich damit deutlich. Die Sitzverteilung sieht nach den Hochrechnungen so aus: CDU/CSU 194 bis 198 (2017: 246), SPD 205 bis 210 (153), Grüne 112 bis 117 (67), FDP 91 bis 95 (80), AfD 82 bis 85 (94), Linke 40 (69).
Damit zeichnet sich eine komplizierte Regierungsbildung ab. Einzig denkbares Zweierbündnis wäre eine neue große Koalition, die aber weder SPD noch Union wollen. Deshalb dürfte es voraussichtlich zum ersten Mal seit den 50er Jahren ein Dreierbündnis im Bund geben. Rechnerisch sind mehrere Konstellationen möglich.
Historisch schwacher Unionskandidat, SPD profitiert
Berlin. (dpa) Die Forschungsgruppe Wahlen führt das Debakel der Union bei der Bundestagswahl auf einen "historisch schwachen Kandidaten", Imageverluste als Partei und erhebliche Defizite bei Sachkompetenzen zurück. Zugleich habe die SPD von ihrem Parteiansehen, einem gewachsenen Politikvertrauen und dem einzigen Kandidaten profitiert, dem die Wähler Kanzlerqualitäten zuschreiben würden, heißt in der Wahlanalyse der Forschungsgruppe von Sonntagabend.
67 Prozent der Deutschen halten demnach SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz als Regierungschef für geeignet. Bei CDU-Chef Armin Laschet fänden dies dagegen nur 29 Prozent und bei Grünen-Chefin Annalena Baerbock 23 Prozent. In einer Wahlstudie des Meinungsforschungsinstituts Forsa in Kooperation mit RTL/ntv geben 53 Prozent Laschet die Schuld für die historische Wahlschlappe von CDU/CSU, weil er der falsche Kanzlerkandidat gewesen sei. 62 Prozent meinen, er solle die Verantwortung übernehmen und als CDU-Vorsitzender zurücktreten.
Hochrechnungen zufolge lieferten sich CDU/CSU und SPD mit Stimmenanteilen von jeweils um die 25 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen - um den Wahlsieg, mit leichtem Vorsprung für die SPD. 2017 war die Union noch auf 32,9 Prozent gekommen, und die Sozialdemokraten hatten nur 20,5 Prozent geholt.
Der Forschungsgruppe Wahlen zufolge verlor die Union bei der Bundestagswahl ihre "Bastion 60plus"; der SPD-Erfolg in dieser Altersgruppe sei besonders bemerkenswert. So lägen die Sozialdemokraten mit einem Zuwachs um 11 Prozentpunkte auf 35 Prozent hier nun mit der Union auf Augenhöhe. Diese habe in dieser Altersgruppe 7 Prozentpunkte auf 34 Prozent verloren - "in einer hochrelevanten Gruppe, die für die C-Parteien langjähriger Erfolgsgarant war". Bei allen unter 60-Jährigen, wo die SPD mit 22 Prozent führe, lägen die Grünen jetzt mit der Union auf einem Niveau (18 beziehungsweise 19 Prozent).
Dass die SPD jetzt auch beim Parteiansehen führe, liege primär an der schwachen Performance der Konkurrenz. "Einher geht der Imageverlust der Union mit rückläufigen Sachkompetenzen, die bei "Wirtschaft" und "Zukunft" sehr heftig ausfallen. Erstmals seit 2005 spricht eine Mehrheit von einer schlechten Zukunftsvorbereitung unseres Landes, wobei die SPD im Politikfeld "Zukunft" ebenfalls nicht überzeugen kann", heißt es in der Analyse.
Beim Thema Klimaschutz, wofür die Politik nach Ansicht von 63 Prozent "zu wenig tut", setzen die weitaus meisten Deutschen auf die Grünen. Diese würden auch häufiger bei "Zukunft" und "Bildung" als kompetenteste Partei gelten, blieben aber bei ökonomischen Themen schwach und stagnieren außerdem bei ihrem Parteiansehen.
Die Linke habe etwas bei "sozialer Gerechtigkeit" gepunktet, die FDP bei "Wirtschaft" und "Steuern" und die AfD bei "Flüchtlinge/Asyl". "Die AfD wird gewählt von Bürger/innen, die neben der Merkel-Regierung auch die Kanzlerkandidaten kritisch sehen, die zur Klimapolitik, zu Corona-Maßnahmen oder zu Ausländern sehr eigene Ansichten haben und für die die AfD eine Kommunikationsplattform ist", so die Forschungsgruppe.
Eine erneute große Koalition lehnen die Deutschen der Analyse zufolge ab, aber auch Bündnisse wie Schwarz-Grün-Gelb ("Jamaika", nach den dortigen Flaggenfarben), Rot-Grün-Gelb ("Ampel") oder Rot-Grün-Rot sähen viele sehr skeptisch. Anders als 2017 wünsche sich aber eine Mehrheit von 55 Prozent lieber eine SPD-geführte als eine CDU/CSU-geführte Regierung (36 Prozent).
In der Forsa-Wahlstudie heißt es, nach Meinung von 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler sollte nun eine Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen gebildet werden. 40 Prozent befürworteten eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP, 20 Prozent ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei.
Update: Sonntag, 26. September 2021, 20.52 Uhr
CDU mit historischem Minus - Kretschmann enttäuscht über Ergebnis
Stuttgart. (dpa-lsw) Bei der Bundestagswahl muss die CDU auch im Südwesten herbe Verluste hinnehmen. Nach der zweiten Hochrechnung (Stand: 19.48 Uhr) von Infratest dimap für den SWR vom Sonntagabend stürzt die Landes-CDU um 8,4 Punkte auf nur noch 26,0 Prozent (2017: 34,4 Prozent). Das wäre das schlechteste Ergebnis der Südwest-CDU bei Bundestagswahlen und die zweite Pleite nach der Landtagswahl im März, als die Union den Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterlag. Die Landes-CDU liegt noch vor SPD und Grünen, die aber beide deutlich zulegen konnten. Angesichts des engen Rennens zwischen Union und SPD auf Bundesebene hofft die Spitze der Landes-CDU noch auf einen Sieg und eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP.
CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl sagte: "Das ist ein Ergebnis, das uns überhaupt nicht zufrieden stellt." Immerhin sei wohl eines der Wahlziele erreicht und Rot-Grün-Rot auf Bundesebene verhindert worden. Zudem sei die CDU im Südwesten mit Abstand die stärkste Partei. "Deutlich vor der SPD, sehr deutlich vor den Grünen. Wir sind stärker als die Bundespartei", sagte Strobl. Zudem müsse nicht automatisch die Partei den Kanzler stellen, die am Ende des Tages auch vorne liege. Die Union mit Kanzlerkandidat Armin Laschet muss nach Hochrechnungen schwere Einbußen hinnehmen und um den Verbleib in der Regierung bangen.
Die Südwest-SPD profitiert vom Aufschwung der Bundespartei unter Kanzlerkandidat Olaf Scholz und gewinnt 4,7 Punkte hinzu (2017: 16,4 Prozent). Das wären 21,1 Prozent. Der SPD um Saskia Esken, Parteichefin im Bund und Spitzenkandidatin im Land, würde damit die Wiedergutmachung für das desaströse Landtagswahlergebnis im März gelingen, als sie nur bei 11 Prozent landete. Zudem machen sich die Sozialdemokraten noch Hoffnungen auf Direktmandate, etwa in Mannheim. SPD-Landeschef Andreas Stoch freute sich, dass seine Partei am meisten dazugewinnen konnte.
Die Grünen im Land können sich laut Hochrechnung um 3,3 Punkte steigern und erreichen 16,8 Prozent (2017: 13,5 Prozent). Das ist ihr bestes Ergebnis jemals bei Bundestagswahlen. Allerdings hatte die Partei höher gesteckte Ziele, die sie mit ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nicht erreichen konnten. Die Landes-Grünen wollen der Union aber noch Direktmandate abjagen, zum Beispiel in Stuttgart und Freiburg. Vor vier Jahren hatte die CDU alle 38 Direktmandate gewonnen.
Regierungschef Kretschmann zeigte sich enttäuscht: "Nein, zufrieden sind wir nicht", sagte er im SWR. Die Grünen hätten ja das Kanzleramt angestrebt. "Davon sind wir doch weit weggeblieben." Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand räumte mit Blick auf den Wahlkampf seiner Bundespartei ein: "Es war streckenweise wirklich holprig."
Die FDP profitiert in ihrem Stammland offensichtlich von der Schwäche der Union und legt auf 15,1 Prozent zu (2017: 12,7 Prozent). Das ist deutlich stärker als im Bund. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke findet, nun müssten die anderen Parteien der FDP entgegenkommen, wenn sie mit ihr auf Bundesebene regieren wollten. Die FDP wolle keine Steuererhöhung und keine Aufweichung der Schuldenbremse, sagte er im SWR. Eine Jamaika-Koalition wäre für die FDP erste Wahl.
Die AfD büßt etwas ein und landet mit Spitzenkandidatin Alice Weidel bei 10,0 Prozent (2017: 12,2 Prozent). Die Linke verliert im Südwesten kräftig und liegt bei nur 3,1 Prozent (2017: 6,4 Prozent).
Landesweit konnten rund 7,7 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme für die Bundestagswahl abgeben. Wegen der Corona-Pandemie nutzten diesmal besonders viele die Briefwahl. Etwa 397.000 junge Leute konnten im Südwesten erstmals bei einer Bundestagswahl abstimmen. 747 Frauen und Männer aus Baden-Württemberg bewarben sich um einen Sitz im Bundestag. Das vorläufige amtliche Endergebnis der Bundestagswahl für den Südwesten sollte am späten Sonntagabend vorliegen.
Kopf-an-Kopf-Rennen von Union und SPD - Laschet will "Zukunftskoalition"
Berlin. (RNZ) SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat seinen Anspruch, eine künftige Bundesregierung unter Führung der Sozialdemokraten zu bilden, bekräftigt. "Ich bin froh und ich bin auch sehr dankbar für das Votum der Wählerinnen und Wähler. Denn es sind ja die Bürgerinnen und Bürger, die entschieden haben, dass die SPD hier einen Auftrag kriegt, eine Regierung zu bilden", sagte Scholz am Sonntagabend nach den ersten Hochrechnungen zur Bundestagswahl. Die Bürger hätten mit ihrer Wahl gezeigt, dass sie "wollen, dass ich versuche, eine Regierung zustande zu bringen", sagte Scholz weiter. Dem fühle er sich sehr verpflichtet. "Wir haben gute Zustimmungswerte, und wir haben gesehen, die Balken für die SPD gehen nach oben, die für die CDU und CSU nach unten. Das ist schon ein klares Signal, dass die Wählerinnen und Wähler hier gesetzt haben."
Die Bürgerinnen und Bürger würden sich jetzt eine neue Führung wünschen, sagte Scholz weiter. Dennoch gelte es, mit Blick auf Koalitionsoptionen erst einmal abzuwarten, bis alle Stimmen ausgezählt seien. Der Versuch, eine Regierung zu bilden, müsse dann aber "sofort beginnen", erklärte der SPD-Kandidat. Alle Seiten müssten einander "auf Augenhöhe begegnen". Das könne man nicht so tun, "wie das vor vier Jahren passiert ist, als eine Regierungsbildung gescheitert ist. Da muss fair miteinander umgegangen werden", sagte Scholz in Anspielung auf die FDP, die im Jahr 2017 die Verhandlungen zu einer Koalition mit Grünen und Union platzen ließ.
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet will weiterhin seine Partei in der Bundesregierung halten. In der Parteizentrale in Berlin sagte er: "Uns war klar, ohne Amtsbonus wird das ein offener, harter, enger Wahlkampf." Obwohl das Ergebnis noch ausgezählt werde, hielt Laschet fest: "Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein." Der Ausgang sei noch völlig unklar. Das Wahlergebnis stellt alle große Parteien vor große Herausforderungen." Laschet sieht trotzdem einen Wählerauftrag und setzt alles daran, eine Führung unter der Union zu bilden: "Deutschland braucht eine Zukunftskoalition, die unser Land modernisiert." "Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung", sagte Laschet, "deshalb werden wir alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden."
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat das mutmaßliche Abschneiden ihrer Partei als das "historische beste Ergebnis" gelobt. Nach Hochrechnungen vom frühen Sonntagabend können die Grünen mit fast 15 Prozent der Stimmen rechnen. Das bislang beste Ergebnis bei einer Bundestagswahl erreichte die Ökopartei 2009 mit 10,7 Prozent. "Wir sind erstmals angetreten, um als führende Kraft dieses Land zu gestalten", sagte Baerbock bei der Wahlparty ihrer Partei in Berlin. "Wir wollten mehr", räumte sie ein. Das habe nicht geklappt, auch aufgrund eigener Fehler - ihrer Fehler, wie sie präzisierte. "Dieses Land braucht eine Klimaregierung", betonte Baerbock, die mit "Annalena"-Sprechchören empfangen wurde. "Dafür kämpfen wir jetzt weiter mit euch allen." Co-Chef Robert Habeck umarmte Baerbock auf der Bühne und nannte sie "eine Kämpferin, ein Löwenherz". Der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, hält seiner Partei alle Optionen bei möglichen Koalitionsverhandlungen offen. Die Grünen hätten "gute Chancen, stark in die nächste Regierung zu gehen", sagte Habeck am Sonntagabend im ZDF. Er betonte: "Wir wollen regieren." Beim Wahlkampf habe es "ganz schönes Gewürge" gegeben. "Die nächste Regierung muss aus der Situation was machen." Er fügte in der ARD mit Blick auf das knappe Rennen zwischen SPD und Union am Abend hinzu: "Das Ergebnis favorisiert kein klares Bündnis." Die Verhandlungen würden die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und er als Vorsitzenden-Duo gemeinsam führen.
Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch hat sich überzeugt gezeigt, dass die Linke erneut in den Bundestag einziehen wird und dabei die künftige Oppositionsrolle der Partei betont. "Ja, wir werden über fünf Prozent kommen, das ist überhaupt keine Frage und wir werden auch mehr als drei Direktmandate gewinnen. Das ist auch keine Frage", sagt Bartsch am Sonntagabend bei der Wahlparty der Linken in Berlin. Ein mögliches rot-grün-rotes Regierungsbündnis sieht er offensichtlich nicht mehr: "Unser Platz im Deutschen Bundestag wird die Opposition sein." Die beiden Parteichefinnen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow riefen zum Zusammenhalt auf. "Fest steht, dass wir natürlich einen Schlag in die Magengrube bekommen haben, der richtig weh tut", sagte Hennig-Wellsow. Aber die Linke werde gebraucht. "Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam", sagte Wissler. "Lasst uns in dieser schweren Zeit zusammenstehen und zusammenhalten." Bei der letzten Bundestagswahl hatte die Linke 9,2 Prozent geholt. Dieses Mal kommt sie nach den Hochrechnungen auf 5 Prozent. Allerdings sind mehrere Direktmandate für die Linke möglich, so dass sie auch bei einem eventuellen Scheitern an der 5-Prozent-Hürde wieder im Bundestag vertreten wäre.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat nach der Bundestagswahl zu einem politischen Aufbruch in Deutschland aufgerufen. Dabei betonte er am Sonntag in der FDP-Parteizentrale in Berlin, dem Hans-Dietrich-Genscher-Haus, Gemeinsamkeit mit den Grünen, die wie die FDP zugelegt hätten. "Grüne und FDP verbindet, dass beide einen eigenständigen Wahlkampf geführt haben. Beide haben sich - aus unterschiedlicher Perspektive - gegen den Status quo der großen Koalition gewandt", sagte Lindner. "Die Parteien der großen Koalition dagegen haben in der Summe nicht gegenüber der letzten Wahl gewonnen. Und deshalb kann es in Deutschland kein Weiter so geben. Jetzt ist die Zeit für einen neuen Aufbruch." Die FDP habe "eines der besten Wahlergebnisse in ihrer Geschichte erzielt", sagte Lindner, der mehrfach von Applaus seiner Parteifreunde unterbrochen wurde. "Von diesem Tag geht ein klares politisches Signal aus. Die politische Mitte wurde gestärkt, die politschen Ränder wurden geschwächt", sagte Lindner. "Der Auftrag an alle Parteien mit staatspolitischer Verantwortung ist: Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine Regierungsbildung aus der Mitte heraus." Die FDP sei bereit, ihren Beitrag zu leisten.
CSU-Chef Markus Söder hat sich nach der Bundestagswahl für ein "Bündnis der Vernunft" unter Führung von CDU-Chef Armin Laschet ausgesprochen. "Wir glauben fest an die Idee eines Jamaika-Bündnisses", sagte Söder am Sonntagabend in Berlin. Das sei allerdings kein Selbstläufer - es brauche ein "Bündnis der Vernunft" in diesen schweren Zeiten, das die großen Probleme dieser Zeit rasch und zügig angehen könne. Deshalb sei die CSU gemeinsam mit der CDU zu Gesprächen bereit. "Wir wollen gemeinsam in diese Gespräche gehen mit dem klaren Ziel, den Führungsauftrag für die Union zu definieren, dass Armin Laschet dann der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird", betonte der CSU-Vorsitzende.
Für ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP müssten alle "raus aus ihrer Komfortzone". "Es kann keine lupenreine Parteipolitik gemacht werden." Es dürfe keine Selbstblockade und keine "parteitaktischen Isolierungen" und keine endlosen Sondierungsgespräche geben.
"Dieses Wahlergebnis ist eine Absage an Rot-Rot-Grün, ist eine Absage auch an ideologische Politik", sagte der bayerische Ministerpräsident. "Eine bürgerliche Regierung ist möglich, und die Chance zu einem bürgerlichen Bündnis sollten wir alle ergreifen." Es brauche eine Regierung der Stabilität, aber auch der Erneuerung. Nach 16 Jahren überwiegend einer großen Koalition gebe es viel Veränderungsbereitschaft, aber auch Veränderungsbedarf.
"Es ist knapp, es ist spannend, aber es ist alles möglich", sagte Söder angesichts der knappen Hochrechnungen. Es werde ein langer Wahlabend. "Es gibt alle Chancen für die Union." Klar sei, dass es in den vergangenen zwei Wochen eine starke Aufholjagd gegeben habe. Die SPD habe schon mehrere Tage lang zu früh gejubelt, betonte Söder.
Hochrechnungen sehen weiter enges Rennen von SPD und Union
Berlin. (dpa) Bei der Bundestagswahl liefern sich CDU/CSU und SPD das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF gegen 19.00/19.15 Uhr liegen beide annähernd gleich auf. Dahinter folgen die Grünen. Der Linken droht ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde.
Die SPD kommt demnach auf 24,9 bis 25,6 Prozent, die Union auf 24,4 bis 24,7 Prozent. Für die Grünen entschieden sich 14,6 bis 14,7 Prozent, für die FDP 11,6 bis 11,7 Prozent. Die AfD holt 10,3 bis 11,1 Prozent. Die Linke liegt bei 5 Prozent.
Daraus ergibt sich nach den Hochrechnungen der beiden Sender folgende Sitzverteilung im neuen Bundestag: Die SPD holt 197 bis 211 Mandate, die Union 198 bis 202. Die Grünen kommen auf 115 bis 121 Sitze. Die FDP zieht mit 92 bis 96 Abgeordneten in den Bundestag ein, die AfD mit 85 bis 88 und die Linke mit 39 bis 41 Abgeordneten. Nach der ARD-Hochrechnung kommt auch der Südschleswigsche Wählerverband SSW, der als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Klausel ausgenommen ist, auf 1 Sitz.
ARD und ZDF gehen von unterschiedlichen Größen des nächsten Bundestags aus - die ARD von 730 Abgeordneten, das ZDF von 756. Laut ZDF lag die Wahlbeteiligung bei 77,0 Prozent.
> Erste Reaktionen auf die Prognose aus der Region:
Verhaltener Applaus bei Heidelbergs SPD: Rund 50 Menschen sind zur Wahlparty der SPD in die Hebelhalle in Heidelberg gekommen. Die ersten Hochrechnungen um 18 Uhr sorgen bei den Genossinnen und Genossen allerdings nicht für Partylaune - nur verhalten erklingt Applaus. Auch Nina Gray, Kreisverbandsvorsitzende der SPD Heidelberg ist enttäuscht. "Rot-Grün wird so sehr, sehr knapp", sagt sie. Ein großes Lob hat Gray indes für Elisabeth Krämer und ihren engagierten Wahlkampf. Krämer selbst kommt um 18.47 Uhr in die Hebelhalle und mit ihr endlich auch die Stimmung. Jubel und Applaus begleiten sie vom Parkplatz in die Halle und Lothar Binding schließt sie spontan in die Arme. Ob es Krämer in den Bundestag schafft, ist am frühen Abend völlig unklar, aber immerhin möglich. Sie selbst kann es da noch gar nicht richtig glauben.
FDP-Bundestagsabgeordneter Jens Brandenburg sagte in Walldorf vor etwa 25 Besuchern zu den aktuellen 11 Prozent der FDP: "Ich gehe davon aus, dass ich weitere 4 Jahre im Bundestag arbeiten darf. Das ist ein Ergebnis mit großer Freude und großer Demut. Es sieht gut aus. Es ist historisch: Die FDP ist zum zweiten Mal hintereinander zweistellig." Zu den Landesergebnissen sagte er: "Wir sind den Grünen auf den Fersen. Wir haben 2,4 Prozent gewonnen im Vergleich zur vergangenen Wahl. Wir sind in BW deutlich stärker gewachsen als im Bund, das kann sich sehen lassen."
Heidelbergs Die Linke-Kandidatin Zara Kiziltas hatte sich ein Ergebnis von mindestens 7,5 Prozent gewünscht, doch bei der ersten Prognose bleibt der Balken bei gerade einmal 5 Prozent stehen. "Das ist hart", sagt Kiziltas. Dieses Ergebnis sei für sie "schwer verständlich", gerade vor dem Hintergrund, dass viele Menschen sich faire Mieten, einen Waffenexport-Stopp und soziale Gerechtigkeit wünschten.
> Jubel bei den Heidelberger Grünen: Bei der Wahlparty der Heidelberger Grünen im Dezernat 16 jubelten rund 150 Gäste, als die 18-Uhr-Prognosen zu den Wahlen eingeblendet wurden. Das bundesweite Ergebnis ist zwar schlechter als erhofft, aber das beste in der Geschichte der Partei. "Wir sind nicht ganz so weit gekommen, wie wir es uns gewünscht hatten. Aber der Weg ist der richtige und wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Das können wir heute feiern", betonte Bundestagskandidatin Franziska Brantner nach der ersten Prognose. Noch mehr Freude herrschte jedoch beim Blick auf die Prognose für Berlin, wo die Grünen stärkste Kraft werden könnten. "Das ist richtig geil", freute sich der Kreisvorsitzende Florian Kollmann.
Berlin. (RNZ) Die ARD hat um 18.43 Uhr ihre erste Hochrechnung veröffentlicht. Demnach kommen die Parteien zu diesen Ergebnissen:
CDU/CSU 24,7 Prozent und 198 Bundestagsmandate.
SPD 24,9 Prozent und 197 Sitze im Bundestag.
Die Grünen kommen auf 14,8 Prozent und 117 Sitze.
Die FDP liegt bei 11,2 Prozent und 88 Bundestagsmandaten.
Die AfD hat 11,3 Prozent und käme auf 89 Mandate.
Die Linke würde mit 5,0 Prozent 40 Sitze erhalten.
Der Südschleswigsche Wählverband SSW hätte einen Sitz im Bundestag.
Die CDU holt laut ZDF in der ersten Hochrechnung etwas auf und kommt auf 24,2 Prozent, die SPD liegt aber weiterhin mit 25,8 Prozent vorne. Die Grünen erreichen 14,7 Prozent, die FDP 11,8 und die AfD 10,1. Die Linken bleiben weiterhin bei 5,0
Berlin/Heidelberg. (RNZ): Die Wahllokale sind geschlossen, die Bürgerinnen und Bürger haben ihren neuen Bundestag gewählt. Noch sind keine Stimmbezirke ausgezählt, aber hier sind schon einmal die 18-Uhr-Prognosen von ARD und ZDF.
> Das ist die Wahlprognose der ARD zur Bundestagswahl 2021:
Demnach gibt es einen Gleichstand zwischen Union und SPD. CDU/CSU und SPD sollen jeweils auf 25 Prozent kommen.
Die Grünen kommen auf Platz drei mit 15 Prozent.
Die FDP holt 11 Prozent.
Die AfD holt ebenfalls 11 Prozent.
Die Linke könnte es in den neuen Bundestag mit 5 Prozent nur ganz knapp schaffen.
Die Zahlen hat für die ARD das Institut Infratest/dimap erhoben.
> Das ZDF sieht derweil die SPD mit 26 Prozent vorne. Die CDU kommt nach den Hochrechnungen der Forschungsgruppe Wahlen demnach auf 24 Prozent. Die Grünen liegen bei 14,5 Prozent, gefolgt von der FDP (12 Prozent).
Die AfD erreicht laut dem Zweiten 10 Prozent und die Linke schafft mit 5 Prozent gerade den Sprung über die 5-Prozent-Hürde.
Das ZDF arbeitet mit der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen zusammen.
Daraus ergibt sich nach den Prognosen der beiden Sender folgende Sitzverteilung im neuen Bundestag: Die SPD holt 197 bis 215 Mandate, die Union 198 bis 200. Die Grünen kommen auf 119 bis 120 Sitze. Die FDP zieht mit 87 bis 99 Abgeordneten in den Bundestag ein, die AfD mit 83 bis 87 und die Linke mit 39 bis 41 Abgeordneten.
> Laut SWR-Prognose stürzt die Südwest-CDU ab
Bei der Bundestagswahl zeichnen sich auch in Baden-Württemberg schwere Verluste für die CDU ab. Nach der Prognose von Infratest dimap für den Südwestrundfunk vom Sonntagabend (18) stürzt die Landes-CDU um 7,9 Punkte auf nur noch 26,5 Prozent (2017: 34,4 Prozent). Die Südwest-SPD dagegen profitiert vom Aufschwung der Bundespartei und schafft 20,5 Prozent, das sind 4,1 Punkte mehr als vor vier Jahren. Die Grünen im Land können sich um 4 Punkte steigern und erreichen 17,5 Prozent (2017: 13,5 Prozent). Die FDP legt auf 15,0 Prozent zu (2017: 12,7 Prozent). Die AfD büßt etwas ein und landet laut Prognose bei 10,0 Prozent (2017: 12,2 Prozent). Die Linke verliert im Südwesten kräftig und liegt bei nur 2,9 Prozent (2017: 6,4 Prozent).
> Erste Berliner Reaktionen auf die Wahlprognosen:
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak spricht von "bitteren Verlusten" für seine Partei. "Das tut weh, keine Frage", sagte er in der ARD. Jetzt gehe es aber um das Land und nicht die Partei – er setzt auf eine weitere Beteiligung der Union an einer zukünftigen Regierungskoalition. Im ZDF sagte Ziemiak: "Es ist ein sehr sehr knappes Ergebnis. Das ist ein sehr langer Wahlabend. Wir haben eine Aufholjagd erlebt. Man wird abwarten müssen. Es gibt nach den ersten Zahlen die Möglichkeit eine Zukunftskoalition aus CDU, FDP und Grünen."
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte im ZDF: "Ich bin erstmal überglücklich. Die SPD ist wieder da." "Wir wussten, dass das ein enges Rennen wird", so Klingbeil, "Olaf Scholz hat den klaren Regierungsauftrag."
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte im ZDF: "Wir haben zwar deutlich zugelegt, aber nicht so sehr, wie gedacht. Wir haben Fehler gemacht. Wir müssen sehen, was wir daraus jetzt für Lehren ziehen." "Wer haben gesehen, wie groß der Wunsch nach echtem Klimaschutz ist, so Kellner, "man muss der SPD gratulieren zu einem großen Wahlerfolg."
Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte in der ARD: "Wir werden Gespräche führen, da wo man meisten Gerechtigkeit für die Menschen erzielen kann. Aber der Abend wird noch lang sein. Wir werden weiterhin 100 Prozent geben."
Hubertus Heil von der SPD sagte in der ARD: "Wir gucken mal, wie es am Ende ausgeht. Meine Partei hat gekämpft für Olaf Scholz, weil er Kanzler kann, weil er Erfahrung hat. Das zeigen die Ergebnisse. Die Menschen wollen Olaf Scholz."
CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte im ZDF: "Viele hatten ja die Union in den letzten Tagen und Wochen schon abgeschrieben. Entscheidend ist, dass in diesem Land kein Linksbündnis möglich ist. Den Linksrutsch zu verhindern haben wir erreicht."
Linke-Parteichefin Susanne Hennig-Welsow sagte: "Das ist ein harter Schlag für uns. Wir haben viele Fehler gemacht, aber wir sind jetzt auch bereit, die Konsequenzen davon zu tragen. Wir werden uns nach diesem Abend darum kümmern."
Alexander Dobrindt (CSU) sagte in der ARD: "Wir bleiben gesprächsbereit. Es gibt verschiedene Koalitionen, die jetzt möglich sind."
AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla sagte im ZDF: "Warten wir erstmal den weiteren Abend ab. Das ist ein sehr solides Ergebnis. Alles was über 10 Prozent ist. Wir haben unsere Wählerschaft gefestigt. Das Ziel der Altparteien war es, die Afd aus dem Bundestag zu drängen. Das ist nicht gelungen."
FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte in der ARD: "Wir freuen uns riesig, dass wir eine Rückenstärkung erfahren. Wir werden verantwortungsvoll mit dem Ergebnis umgehen. Müssen abwarten wie genau die Hochrechnungen ausgehen." Er wollte sich nicht zu möglichen Koalitionen äußern: "Das kann noch ein spannender Abend werden. Heute Abend ist erstmal der Zeitpunkt sich zu freuen. Wir warten das Endergebnis ab."
> Baden-Württembergs CDU-Fraktionschef Hagel ist gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition. Große Koalitionen sollten die Ausnahmen in einer Demokratie sein, sagte Hagel am Sonntagabend im SWR-Fernsehen und fügte hinzu: "Die Gemeinsamkeiten mit der SPD sind aufgebraucht. Diese große Koalition ist auch ausgezehrt. Von daher würde ich nicht zu einer großen Koalition raten."
Hagel warb vielmehr für eine sogenannte Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP. "Ich bin der festen Überzeugung, die große Herausforderung dieses Jahrzehnts ist es, Ökologie, Ökonomie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zusammenzubringen. Und das würde in einer Jamaika-Koalition sehr gut funktionieren."
Mit dem Abschneiden seiner Partei bei der Wahl zeigte sich Hagel unzufrieden. "Das ist nicht unser Anspruch", sagte der CDU-Politiker. "Da haben wir uns mehr vorgenommen, da haben wir uns mehr erhofft, da war auch mehr drin."
> Baden-Württembergs Grünen-Fraktionschef Schwarz hatte ein besseres Ergebnis bei der Bundestagswahl gewünscht als nach der ersten Prognose absehbar. "Klar, wir hätten uns etwas mehr erhofft. Wir lagen in den Umfragen auch schon mal deutlich weiter vorne", sagte Schwarz am Sonntagabend im SWR-Fernsehen. "Aber es ist unser bestes Ergebnis, das wir je bei einer Bundestagswahl hatten."
Auf die Frage, welche Koalition er bevorzugen würde, sagte Schwarz, sein Herz schlage für eine Koalition, bei der der Klimaschutz wirklich im Mittelpunkt des Regierens stehe. Er gehe davon aus, dass die Union ebenso wie die SPD die Grünen zu Gesprächen einladen werde.
> Baden-Würtembergs SPD-Landeschef Stoch hat sich erfreut gezeigt über die erste Prognose zum Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl. "Das Ergebnis mit 25 Prozent, mit dem deutlichen Zugewinn für die SPD im Bund und im Land, ist für uns ein Grund zur Freude", sagte Stoch am Sonntag im SWR-Fernsehen.
Aus der Prognose und dem starken Abschneiden der SPD leitete Stoch einen Regierungsanspruch seiner Partei ab. "Ich glaube, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen interessante Zeiten erleben werden, aber mit dem Anspruch für die SPD, dass wir den Kanzler Olaf Scholz stellen", so Stoch. Zudem erteilte Stoch einer erneuten Auflage der großen Koalition von Union und SPD eine Absage. Die Gemeinsamkeiten zwischen CDU und SPD seien aus seiner Sicht aufgebraucht, sagte er.
> Baden-württembergischs FDP-Fraktionschefs Hans-Ulrich Rülke geht es nicht unbedingt darum, mitzuregieren. Es gehe darum, liberale Inhalte umzusetzen, sagte er am Sonntagabend im SWR-Fernsehen. Die FDP wolle keine Steuererhöhung und keine Aufweichung der Schuldenbremse. "Diejenigen, die mit uns regieren wollen, müssen sich dazu bekennen." Mit der Union gebe es mehr Übereinstimmung. Jamaika, eine Koalition aus Union, Grünen und FDP, wäre daher für die FDP die erste Option.
Rund 15 Prozent seien für die FDP im Südwesten erfreulich. Damit sei wohl die gute Oppositionsarbeit gewürdigt worden. Weniger erfreulich war für Rülke offensichtlich, dass er nicht in den ersten beiden SWR-Fragerunden mit CDU, SPD und Grünen dabei war. "Ich glaube nicht, dass das fair ist", meinte Rülke, der auch Präsidiumsmitglied der Bundes-FDP ist.
Update: Sonntag, 26. September 2021, 18.00 Uhr
Viele Briefwähler im Südwesten - Beteiligung in Wahllokalen sinkt
Stuttgart. (dpa-lsw) Auch im Südwesten haben sich viele Menschen an der Bundestagswahl beteiligt. Da mehr Wahlberechtigte als bisher per Brief abstimmten, lag die Beteiligung in den Wahllokalen aber deutlich niedriger als bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2017.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gab am Sonntag in Sigmaringen seine Stimme ab. Im Land mit rund 7,7 Millionen Wahlberechtigten regiert eine grün-schwarze Koalition. Die Wahl könnte im Bund nach 16 Jahren Angela Merkel (CDU) und acht Jahren großer Koalition aus Union und SPD einen Wechsel bringen.
Bis zum frühen Nachmittag gaben 23,27 Prozent der Berechtigten in Südwest-Wahllokalen ihre Stimme ab. Gegenüber 2017 sei dies ein Rückgang um 13,93 Prozentpunkte, teilte Landeswahlleiterin Cornelia Nesch in Stuttgart mit (Stand: 14.00 Uhr). Sie machte deutlich, dass die Zahlen wegen eines gestiegenen Anteils von Briefwählerinnen und -wählern nicht vergleichbar seien.
Bei den mitgeteilten Zahlen seien die Stimmen der Briefwähler nicht berücksichtigt. In repräsentativ ausgewählten Wahlbezirken hätten 42,47 Prozent aller Wahlberechtigten Briefwahl beantragt, so die Landeswahlleiterin.
In der Landeshauptstadt Stuttgart wurde bereits am Vormittag ein recht hohes Besucheraufkommen in den Wahllokalen vermeldet. Es sei insgesamt mit einer Wahlbeteiligung in der Stadt von 78,8 Prozent zu rechnen - dabei seien Briefwähler inbegriffen. Das teilte ein Stadtsprecher am Nachmittag unter Berufung auf Angaben aus der Abteilung Bevölkerung und Wahlen der Stadt mit. Zunächst war mit einer etwas höheren Zahl gerechnet worden. Rund 44 Prozent der 370.000 Wahlberechtigten hätten schon per Briefwahl abgestimmt.
In Pforzheim gaben bis 14 Uhr 23,99 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab, das war deutlich weniger als 2017 (32,13 Prozent), wie ein Sprecher mitteilte.
In Mannheim stimmten bis 16 Uhr 27,1 Prozent der Wahlberechtigten ab, wie eine Sprecherin berichtete. Inklusive Briefwählern werden demnach 64,4 Prozent erreicht.
Vor vier Jahren war die Südwest-CDU bei der Bundestagswahl mit 34,4 Prozent stärkste Kraft gewesen. Sie holte damals alle 38 Direktmandate im Land.
Die SPD kam nur noch auf 16,4 Prozent. Die Grünen schafften 13,5 Prozent, die FDP lag bei 12,7 Prozent. Die AfD erreichte im Südwesten 12,2 Prozent und die Linke 6,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag 2017 bei 78,3 Prozent - davon entfielen 27,2 Prozent auf Briefwähler.
Die Wahllokale im Südwesten sollten um 18 Uhr schließen.
Update: Sonntag, 26. September 2021, 17.21 Uhr
Die Wahl in Baden-Württemberg - Stürzt die CDU ab?
Stuttgart/Berlin. (dpa/lsw) An diesem Sonntag ist Bundestagswahl und auch etwa 7,7 Millionen Baden-Württemberger können abstimmen. Es wird vermutet, dass ein großer Teil wegen der Corona-Pandemie schon die Briefwahl genutzt hat. Die Wahl könnte nach 16 Jahren Angela Merkel und 8 Jahren großer Koalition aus Union und SPD einen Wechsel bringen. In Umfragen liegt die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz vor CDU und CSU mit Armin Laschet. Die Union muss mit einem Absturz rechnen, die Grünen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock könnten nach Umfragen auf Rang drei landen.
Auch in Baden-Württemberg, wo eine grün-schwarze Koalition regiert, dürfte es spannend werden. Die Südwest-CDU, die seit 1949 immer auf Platz eins lag, muss bangen. Vor vier Jahren holte die Südwest-CDU bei der Bundestagswahl 34,4 Prozent der Zweitstimmen und alle 38 Direktmandate. Schon die 34,4 Prozent waren das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte. Nun dürfte es noch weiter heruntergehen, da die Union im Bund in Umfragen bei nur 22 Prozent liegt.
Die SPD im Land kann auf einen Aufschwung hoffen, sie war vor vier Jahren auf 16,4 Prozent gekommen. Auch die Grünen im Südwesten können mit einem Plus rechnen - 2017 schafften sie 13,5 Prozent. Die FDP lag vor vier Jahren bei 12,7 Prozent, die AfD erreichte 12,2 und die Linke 6,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag 2017 bei 78,3 Prozent.
Die Wahllokale sind von 8 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Das vorläufige Ergebnis der Bundestagswahl soll in der Nacht zum Montag vorliegen.
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