Diese Vorschläge haben unsere Leser in der Debatte um G8 und G9
Die Meinungen sind klar, die Probleme aber groß. Am meisten fallen lange Schultage, ein verbesserungswürdiger Lehrplan und natürlich der Lehrermangel ins Gewicht.

Von Marcel Schreiner
Heidelberg. Eines muss man Winfried Kretschmann durchaus lassen: Wenn der Druck groß genug wird, dann kann sich der Ministerpräsident Baden-Württembergs auch von einem Standpunkt verabschieden, den außer ihm selbst scheinbar kaum ein anderer vertritt. Zum Wohl der Allgemeinheit sozusagen. Genau das passierte nämlich in der Diskussion rund um das acht- beziehungsweise neunjährige Gymnasium an den Schulen hierzulande.
Doch der Reihe nach: Kretschmann selbst ist seit jeher Verfechter des G8, also der Verkürzung des ehemaligen Schulmodells, in dem künftige Abiturienten Anfang des Jahrtausends noch neun Jahre lang die Schulbank drücken mussten. Nach rund zwei Jahrzehnten steht er mit dieser Meinung aber recht alleine da. Eine RNZ-Instagram-Umfrage beantworteten ganze 89 Prozent der Nutzer mit dem Wunsch nach der Rückkehr von G9, nur 11 Prozent sehen die Vorteile des aktuellen Systems.
Klar wird allerdings auch: Zurück zum Ursprung wollen die Wenigsten. 70 Prozent unserer Instagram-Nutzer denken, dass sich das neue Modell komplett verändern muss, nur 19 Prozent glauben nicht, dass es grundlegende Änderungen bedarf. Grund zum Aufatmen gibt es für die Mehrheit immerhin, denn Kretschmann selbst ließ auf einer Pressekonferenz am Dienstag verlauten: "Wir werden jetzt keine Schnellschüsse machen oder einfach zum G9 der 1990er-Jahre zurückkehren."
Stattdessen sei es das Ziel, "eine Lösung zu erarbeiten, die den Anforderungen unserer Zeit gerecht wird und die Empfehlungen des Bürgerforums aufgreift", so Kretschmann weiter. Bei genauerer Betrachtung liefern auch hier unsere Social-Media-Nutzer erste Hinweise, welche Probleme im Schulsystem zu bewältigen sind. Und diese lassen sich in drei große Themengebiete aufteilen, über die es kaum Diskussionsbedarf gibt.
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Die größte Sorge macht hier sicherlich das Wohlergehen der Schüler aus. "Kinder sollen neben der Schule auch noch entspannt Kinder sein dürfen", hofft eine Instagram-Nutzerin, eine andere stimmt ihr zu: "Die Schüler*innen benötigen ihre Zeit. Sie lernen nur unter Zeitdruck und sind gestresst." Ein Problem, das auch auf Facebook beschrieben wird.
"Meine Tochter hat eine 36-Stunden-Woche, dazu kommen die Fahrtzeiten mit Bus und Bahn, dann noch die Hausaufgaben und dann ist noch nichts gelernt", beschreibt eine besorgte Mutter den Alltag der Jugendlichen und ergänzt: "Da geht nur noch lernen, bei der Klausur auskotzen und dann vergessen. Das ist Mist!"
Für, vorsichtig formuliert, verbesserungswürdig halten unsere Leser aber nicht nur die Vielzahl an Stunden, die Kinder und Jugendliche täglich auf der Schulbank verbringen, sondern auch den Inhalt, wie diese gefüllt werden. "Viel wichtiger als G8 zu kippen, wäre es, die absolut veralteten und zugemüllten Lehrpläne zu entschlacken und zu reduzieren", führt die Mutter ihre Sicht weiter aus: "Lieber weniger Themen und die richtig, als 100.000 Dinge nur angerissen, ohne Tiefe und immer unter Zeitdruck."
Das zweite Hauptthema, der unausgewogene und in manchen Teilen realitätsfremde Lehrplan, lässt allerdings auch andere Nutzer Kritik üben. Hier wird beispielsweise gefordert, dass "vor allem sinnvolle Dinge, die man wissen sollte, müssten eingeführt werden. Wie wärs mit erster Hilfe?" und auch mit "Ernährung, Kochen, Recht ..." gibt es Anhaltspunkte, was man lernen könnte.
Erstaunlich dabei: Einige Nutzer sehen hierbei sogar mehr Potenzial, als bei einer Abkehr von G9. "Schulstoff durchsortieren, dann klappt auch G8", heißt es auf Instagram, auf Facebook antwortet eine Leserin einem User, der fragt, warum das aktuelle System andernorts klappt: "G8 ja, mit weniger Stunden und weniger (unnötigem) Stoff. Der Lehrplan muss dringend dem wirklichen Leben angepasst werden."
Hierzu kommt allerdings auch immer wieder ein Punkt auf, der zum dritten Problempunkt führt: Der Lehrermangel. Die große Frage, auf die im ersten Moment kaum jemand eine Lösung parat hat: Woher sollen die Lehrer für eine zusätzliche Klassenstufe kommen.
"Das Land braucht nicht unbedingt ein neues Modell, sondern ambitionierte Lehrer an den Schulen", ist in der Kommentarspalte zu lesen. Die Antwort "beziehungsweise überhaupt erstmal genug Lehrer" ließ nicht lange auf sich warten. Ein Problem, an dem auch die Wünsche nach mehr digitalem Lernen und weniger Bürokratie scheitern könnten.
Die Lösung dieser Fragestellungen kommt jetzt als Herkulesaufgabe der Landesregierung zu. Eigentlich spricht vieles gegen eine Reform: Der Großteil der Regierungspartei, samt des Ministerpräsidenten, ist eigentlich gegen eine Abkehr von G8, zudem wurde im Koalitionsvertrag beschlossen, nicht über eine solche Reform zu debattieren. Und das vielleicht größte Problem einer Rückkehr zu G9 - die Kostenfrage.