Wenn Lehrpersonal fehlt, gibt’s mehr Geld
Grünen-Fraktion schlägt Maßnahmen gegen Lehrermangel vor.

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Die Herausforderungen in der Bildungspolitik sind riesig. Äußere Faktoren wie steigende Schülerzahlen und der Krieg in der Ukraine einerseits sowie Reformvorhaben der Landesregierung selbst erfordern zusätzliche Deputate. Andererseits hat das Land schon jetzt Schwierigkeiten, vorhandene Lehrerstellen zu besetzen. Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz und der bildungspolitische Sprecher seiner Fraktion, Thomas Poreski, sehen das "Dilemma" – und benennen zugleich mögliche Ansätze zur Lösung.
Wo liegt das Problem? Jedes Jahr können Hunderte von Planstellen an den Schulen im Land nicht besetzt werden. Zu Beginn des Schuljahres 2021/22 musste das Haus von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) rund 600 unbesetzte Stellen vermelden. Zum 30. September 2021 waren immer noch 300 Stellen mangels Bewerbern offen, seitdem ist der Stand nicht mehr abgefragt worden. Prognosen zufolge droht sich das Problem dramatisch zu verschärfen – insbesondere an Grundschulen.
Warum gibt es diese Lücke? Nach Angaben des Statistischen Landesamtes steigt die Schülerzahl bis 2030 um rund sieben Prozent, im gleichen Zeitraum wird der zusätzliche Bedarf für inklusiv zu beschulende Kinder Prognosen zufolge um circa 15 Prozent steigen. Nach einer Vorausberechnung aus dem Jahr 2019 rechnet das Land mit einem Bedarf von zusätzlichen 10.600 Deputaten; nur ein kleiner Teil davon ist seither bereits geschaffen worden.
Was tut das Land bisher, um das Delta bei den Stellenbesetzungen zu schließen? Um gegenzusteuern hat das Land die Zahl der Lehramtsstudienplätze deutlich erhöht – im Grundschulbereich etwa von 970 Plätzen im Jahr 2015 auf aktuell 1672. Im aktuellen Haushalt stehen auch 368 zusätzliche neue Lehrerstellen, davon dienen etwa 160 der Entlastung der Schulleitungen und 25 für den Ausbau des Ganztags. In der Sonderpädagogik plant die Koalition, die Studienplätze um ein Drittel zu erhöhen. Die Zahl der Studienabgänger steigt – auch infolge einer hohen Abbrecherquote – indes noch nicht schnell wie der Bedarf. Die Schaffung neuer Stellen im Haushalt garantiert damit nicht unbedingt deren sofortige Besetzung.
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Was schlagen die Grünen vor? Ihre Vorschläge zielen vor allem darauf ab, die Lehrer so zu entlasten und unterstützen, dass sie mehr Zeit fürs pädagogische Kerngeschäft, den Unterricht, haben. Ein Vorschlag lautet, dass die Mittel für nicht besetzte Planstellen für kurzfristige Vor-Ort-Lösungen eingesetzt werden können sollen. Schulen sollen selbstverwaltete Budgets erhalten, um diese Mittel direkt für bestimmte Aufgaben wie die Unterstützung von Fachlehrern einsetzen zu können.
Was ist mit Quereinsteigern? Bislang ist in Baden-Württemberg ein Quer- oder Seiteneinstieg in den Lehrerberuf nur für sogenannte Mangelfächer möglich. Aus Sicht der Grünen ist das zu wenig. Um das Potenzial zu heben, fordern Schwarz und Poreski die Einrichtung dualer Studiengänge für Quereinsteiger, damit stünden diese direkt für den Schulbetrieb zur Verfügung. Zugang sollten auch Qualifizierte ohne pädagogische Vorbildung erhalten, etwa Naturwissenschaftler, Musiker, Künstler oder pädagogische Kräfte mit Ausbildung oder Berufserfahrung im Ausland. Die Anerkennung ausländischer pädagogischer Abschlüsse müsse zudem neu geordnet werden.
Welche Vorschläge gibt es noch? Wer ein Freiwilliges Soziales Jahr macht, kann bereits im Rahmen des Programms "Rückenwind" Schüler in Lerngruppen unterstützen. Die Grünen regen nun die Prüfung einer Ausweitung dieser Möglichkeiten an. "Das Potenzial von jungen Erwachsenen als hochmotivierte Bildungscoachs ist riesig", glaubt Poreski.
Ist eine höhere Mindestarbeitszeit für Teilzeitkräfte noch aktuell? Den Vorschlag von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), bei Lehrern die Mindestarbeitszeit für Teilzeitkräfte heraufzusetzen, unterstützt dessen Fraktion. "Jede Stunde mehr an den Schulen ist ein Gewinn. Der Ministerpräsident hat einen richtigen Impuls gesetzt", sagt Schwarz. Derzeit arbeiten in Baden-Württemberg rund 52.000 Lehrkräfte in Teilzeit, bei rund 3300 beträgt der Beschäftigungsumfang weniger als ein Drittel des vollen Deputats.



