Grundschüler müssen weiter auf Ethikunterricht warten
Regierungskoalition und Kultusministerium zögern bei der Umsetzung des Projekts. Es gibt keine Mittel wegen der angespannten Haushaltslage.

Von Tanja Wolter, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Seit 2011 ist es in Baden-Württemberg erklärtes Ziel, auch an den Grundschulen Ethikunterricht einzuführen. Drei Landesregierungen unter grüner Führung haben sich per Koalitionsvertrag dazu bekannt. Doch passiert ist seither wenig bis nichts – den Unterricht gibt es nur an den weiterführenden Schulen.
Ein Grundsatzbeschluss, das Vorhaben auch in die Tat umzusetzen, liegt bis heute nicht vor. Der bereits vor Jahren erstellte Bildungsplan für Ethik an Grundschulen schlummert in den unteren Schubladen des Kultusministeriums.
Dabei ist im aktuell gültigen Koalitionsvertrag von 2021 glasklar formuliert: "Den Ethikunterricht an Grundschulen werden wir, beginnend in Klasse 4, einführen und dann sukzessive weiter ausbauen." Doch inzwischen ist deutlich: Auch in der laufenden Legislaturperiode bleibt die Realisierung auf der Strecke.
Aus den Fraktionen von Grünen und CDU kommen auf Anfrage unserer Redaktion eindeutige Signale, dass die Prioritäten derzeit auf anderen Projekten liegen und eine Umsetzung der Pläne aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht machbar ist. Am Ziel wird festgehalten, das war es dann aber auch.
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So erklärt die Grünen-Abgeordnete Nadyne Saint-Cast: "Als Grünen-Fraktion stehen wir entschlossen für die Einführung von Ethikunterricht an Grundschulen." Gemeinsam mit der CDU treibe man die Ausweitung des Fachs Ethik ab der vierten Klasse voran, so die Sprecherin für Grundschulen unter Verweis auf den Bildungsplan und bereits bestehende Konzepte zur Lehrkräftefortbildung. Aber sie betont auch: "In Zeiten knapper Ressourcen und Lehrkräftemangels setzen wir klare Prioritäten bei der Sprachförderung sowie den Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen."
Noch deutlicher drückt sich Christian Gehring, religionspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, aus: Zur Wahrheit gehöre dazu, "dass die strukturellen Mehrkosten von 35 Millionen Euro mit Blick auf die gesamthaushalterische Lage derzeit nicht abbildbar sind." Zwar will auch er das nicht als generelle Abkehr verstanden wissen: Ethikunterricht sei angesichts der zunehmenden weltanschaulichen Heterogenität in der Gesellschaft "eine notwendige Ergänzung" zum Religionsunterricht, so Gehring. Eine Konkurrenz mit dem Projekt "SprachFit" im frühkindlichen Bereich und an Grundschulen sieht er wiederum nicht.
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) vermeidet es, offiziell zu erklären, dass die Pläne vorerst nicht weiterverfolgt werden. Das Ministerium verweist auf Anfrage ebenfalls auf die bereits getroffenen Vorbereitungen, die indes schon von der Vorgänger-Regierung erarbeitet wurden. Darüber hinaus heißt es dann aber: "Eine Entscheidung über den Zeitpunkt der Einführung von Ethik an Grundschulen konnte vor dem Hintergrund der derzeitigen Ressourcen- und Finanzsituation noch nicht getroffen werden."
Wie weit das "noch nicht" reicht, ist Interpretationssache. Im Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/2026 sind jedenfalls bisher keine Mittel für den Ethik-Ausbau vorgesehen, wie eine Durchsicht des Einzelplans für den Kultusbereich ergibt. Und die Steuereinnahmen befinden sich gerade im Sinkflug.
Eigentlich herrscht über nahezu alle im Landtag vertretenen Parteien hinweg der Wunsch, Ethikunterricht in den Klassen 1 bis 4 anzubieten. Die FDP-Fraktion hat erst jüngst in einem Positionspapier zur Demokratie- und Wertebildung die Koalition aufgefordert, ihre Pläne endlich umzusetzen. Auch SPD-Chef Andreas Stoch lässt kaum eine Gelegenheit aus, den Unterricht einzufordern.