Früher schüchtern, bald Ministerin
Petra Olschowski soll im Wissenschaftsressort Theresia Bauer beerben.

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Für Petra Olschowski hat Kunst viel mit Wissenschaft und Forschung zu tun. ""Es geht um die Frage, wie das Neue in die Welt kommt. Es geht um den Moment, wenn das Unbekannte, Innovative entsteht, und um die große Kraft, die dahintersteckt", umschreibt die 57-Jährige ihre Faszination. "Daran beteiligt zu sein, finde ich wahnsinnig spannend."
Ende September erhält Olschowski dazu ihre bislang größte Chance. Nach sieben Jahren als Kunst-Staatssekretärin rückt sie im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst an die Hausspitze. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bestätigte am Dienstag die längst durchgesickerte Personalie. "Ich habe bisher noch keine auch nur leisen Zweifel gehört, dass sie die richtige Nachfolgerin für die sehr erfolgreiche Wissenschafts- und Forschungsministerin Theresia Bauer ist", so Kretschmann. Bauer (Grüne) gibt ihr Amt zugunsten der Oberbürgermeisterkandidatur in Heidelberg auf.
Es ist tatsächlich schwierig, jemanden zu finden, der Olschowskis Kompetenzen bestreitet. Sachkenntnis, Sorgfalt und Professionalität sind Eigenschaften, die mit ihr in Verbindung gebracht werden. Wegbegleiter schreiben ihr Empathie zu, überlegtes Handeln und ein offenes Ohr. Wie durchsetzungsstark sie ist, wenn es etwa um Haushaltsverhandlungen geht, muss sich noch zeigen.
Das politische Talent wurde ihr ebenso wenig in die Wiege gelegt wie das Interesse für Kunst. "Ich war ein sehr zurückhaltendes Kind und wahnsinnig schüchtern", berichtet sie im Gespräch. An ihren ersten Atelierbesuch zu Schulzeiten erinnert sie sich allerdings auch: Zwischen riesigen Holzskulpturen stand da "eine zierliche Frau mit blitzenden Augen und der ganz klaren Gewissheit: Sie will das machen, was sie da macht. Und das hat mich tief beeindruckt."
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Olschowski ist weit gekommen seither. Beim Blick auf ihre Karriere kommt ihr öfter das Wort Glück auf die Lippen. Sie korrigiert sich dann manchmal. "Das ist so eine typische Art, wie Frauen über ihre Biografie reden", hat sie beobachtet. "Männer sagen meist: ,Und dann habe ich dieses geschafft und mir jenes erarbeitet.‘ Sagen wir mal so – ich habe tolle Chancen bekommen."
Die Eltern, selbst nur mit einfacher Bildung gestartet, ermöglichten Olschowski und ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Studienchancen. Von der Fächerkombination Kunstgeschichte und Germanistik waren sie aber wenig begeistert. Als Kompromiss ließ Olschowski sich zunächst auf eine zweijährige Lehre in einem damaligen Stuttgarter Kunsthaus ein.
Im Rückblick diente der Deal nicht nur der Studienfinanzierung. "Ich bin in dieser Zeit erwachsen geworden", glaubt Olschowski. Zum Ende ihres Studiums verfügte sie bereits über Praxisbezug und Kontakte. Im Verkauf und als Fachschaftssprecherin hatte sie gelernt, selbstbewusst vor Menschen zu sprechen. Es folgten ein Volontariat und eine achtjährige Phase als Sport-, Politik-, und Kulturjournalistin. Als Olschowski sich 2002 um die Geschäftsführung der Kunststiftung Baden-Württemberg bewarb, war sie zwar nicht promoviert, aber: "Ich hatte eine kaufmännische Ausbildung, konnte eine Bilanz lesen, und am Ende ging es eben um eine Geschäftsführerposition." Olschowski erhielt die Stelle. 2010 wechselte sie als Rektorin an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.
2016 wurde sie von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als Parteilose auf den Posten des bisherigen Kunststaatssekretärs Jürgen Walter (Grüne) berufen. Sie selbst trat der Partei 2019 bei. 2021 gewann sie im Stuttgarter Wahlkreis IV das Direktmandat für den Landtag.
Als Staatssekretärin kümmerte sich Olschowski um den Dialogprozess zugunsten einer "Kulturpolitik für die Zukunft", die unter anderem die ländlichen Räume stärken soll. In ihre Zuständigkeit fielen mehr als 200 Millionen Euro schwere Corona-Sonderprogramme für Kunst und Kultur, aber auch die Keltenkonzeption und Untersuchungen zum Umgang mit dem kolonialen Erbe. Im Jahr 2019 hat das Land mit der Rückgabe der Witbooi-Bibel und -Peitsche an Namibia zum Thema Provenienzforschung einen weithin beachteten Aufschlag gemacht.
"Das Allerschwierigste in der Politik" hat die designierte Ministerin bereits gelernt: "Man stellt sich ununterbrochen zur Wahl, ist dauernd auch mit Ablehnung konfrontiert." Die Wissenschaftlerin meint nicht den Disput in der Sache, sondern die Undurchschaubarkeit einer Prozentzahl bei Abstimmungen. "Daran muss ich mich immer noch gewöhnen."
Den Untersuchungsausschuss "Zulagen Ludwigsburg" (2017 bis 2019) hat Olschowski als Teil der Hausspitze mit durchlitten. Die heftigsten persönlichen Anwürfe erlebte sie, als die FDP kurz nach ihrer Amtseinführung monierte, dass Olschowski bis dahin häufig unter dem Namen "von Olschowski" aufgetreten war. Ihre väterlicherseits aus Österreich stammende Familie hatte das "von" jedoch 1919 verloren. Das Landes-Innenministerium erklärte schließlich, Olschowski habe den Zusatz nur als Pseudonym etwa bei publizistischen Tätigkeiten verwendet, und das sei erlaubt.
Petra Olschowski ist als junge Erwachsene aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Sie lebt mit dem Krimiautor Wolfgang Schorlau zusammen. In ihrer Freizeit geht sie gern wandern, macht Yoga und hört – unter anderem – Jazz.



