BaWü-Check

"Wir schaffen das"-Gefühl zu Ukraine-Flüchtlingen

Die Mehrheit der Befragten zeigt große Bereitschaft, weitere ukrainische Geflüchtete aufzunehmen. 54 Prozent schätzen Integrationschancen als "gut" ein.

15.12.2022 UPDATE: 15.12.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Flüchtlinge kommen in Berlin an
Geflüchtete aus der Ukraine kommen in einem Ankunftszentrum an. Foto: dpa

Von Sören S. Sgries

Heidelberg. Auch wenn die Kommunen zunehmend energischer vor einer Überforderung warnen, auch wenn die Landesregierung auf Kraftanstrengungen einschwört: Die Mehrheit der Befragten beim aktuellen "Bawü-Check", der gemeinsamen Umfrage der baden-württembergischen Zeitungsverlage, blickt relativ entspannt und zuversichtlich auf die Situation. Für die repräsentative Umfrage hat das Institut für Demoskopie Allensbach 1060 Personen im Zeitraum vom 16. bis 25. November befragt.

> Vor Ort nicht sehr präsent: Laut offiziellen Zahlen sind in diesem Jahr bisher rund 170.000 Geflüchtete und Migranten im Südwesten angekommen, 142.000 von ihnen aus der Ukraine. Vor Ort macht sich das aber offenbar keinesfalls überall bemerkbar. Nur 32 Prozent der Befragten gaben an, viele Flüchtlinge seien in ihrer Nähe untergebracht worden. "Nur wenige" hieß es von 36 Prozent.

> Ukrainer unauffällig: Aufschlussreich ist die Einschätzung, woher die Geflüchteten kommen. 34 Prozent gaben an, es seien vor allem Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrer Umgebung. Fast genauso viele, nämlich 32 Prozent, haben den Eindruck, die Geflüchteten in ihrer Nähe kämen "überwiegend aus anderen Ländern". Das widerspricht deutlich den offiziellen Zahlen, wonach andere Herkunftsländer dieses Jahr nur einen Bruchteil ausmachen.

> Rückkehr wird erwartet: 49 Prozent gehen noch davon aus, dass die Mehrheit der Geflüchteten in ihre ukrainische Heimat zurückkehren wird. 35 Prozent erwarten, dass lediglich ein kleiner Teil Deutschland wieder verlassen wird.

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> Weitere Aufnahme möglich: Gefragt nach den Aufnahmekapazitäten vor Ort, sagt die Hälfte der Befragten, es könnten noch weitere Menschen untergebracht werden. 27 Prozent sehen das nicht so. Hier unterscheidet sich die Einschätzung derjenigen, die bereits viele Flüchtlinge in ihrer Umgebung wahrnehmen deutlich von anderen (siehe Grafik). Ganz grundsätzlich gibt es eine hohe Aufnahmebereitschaft: 34 Prozent sagen, Deutschland sollte "unbürokratisch so viele Flüchtlinge aufnehmen wie möglich". "Nur noch eine bestimmte Anzahl" sagen 39 Prozent. 18 Prozent wollen wenige oder gar keine weiteren Flüchtlinge. Auffällig: Unter denen, die eine baldige Rückkehr der Ukrainer erwarten, sind nur 5 Prozent gegen eine weitere Aufnahme. Die deutliche Mehrheit will so vielen wie möglich (50 Prozent) bzw. zumindest einer bestimmten Anzahl (38 Prozent) helfen.

> Unterbringung in Notunterkünften: Eine knappe Mehrheit der Befragten (51 Prozent) würde sich nicht durch eine Notunterkunft in der Nähe gestört fühlen – dem widersprechen 26 Prozent. 23 Prozent zeigen sich unentschieden. Eine Umwidmung von Turnhallen fänden 44 Prozent dafür in Ordnung, 38 Prozent sind dagegen. Und obwohl viele Landkreise davor warnen: Konkret erleben das erst 13 Prozent der Befragten, weitere 15 Prozent sagen, es gebe in ihrer Umgebung entsprechende Überlegungen. Betroffen sind demnach vor allem die Klein- und Mittelstädte. In den Großstädten sagen 43 Prozent (eine auffällig große Zahl), sie wüssten nicht, welche Pläne es gebe.

> Unterbringung zuhause: In den eigenen vier Wänden wären nur 33 Prozent der Befragten bereit, Geflüchtete aufzunehmen – 48 Prozent sind das nicht, 19 Prozent zeigen sich unentschieden. Höher ist die Aufnahmebereitschaft in der Gruppe derjenigen, die eine Rückkehr der Geflüchteten erwarten: Hier würden 46 Prozent Menschen bei sich aufnehmen. Gefragt wurde hier unabhängig davon, ob es tatsächlich Möglichkeiten zur Unterbringung gibt. Tatsächlich sehen diese nur sehr wenige: 9 Prozent der Befragten. Männer halten dabei die Unterbringung eher für möglich als Frauen (13 bzw. 6 Prozent). Außerdem sagen überdurchschnittlich viele aus der Gruppe der 30- bis 59-Jährigen (12 Prozent), sie hätten Aufnahmekapazitäten.

> Überforderte Schulen: Große Probleme werden bei den Schulen gesehen. 48 Prozent sehen die Bildungseinrichtungen mit der Aufnahme von rund 20.000 Kindern und Jugendlichen überfordert, 42 Prozent erwarten zumindest "Schwierigkeiten". Wer erwartet, dass die Menschen mehrheitlich dauerhaft bleiben werden, schätzt die Lage dabei deutlich kritischer ein: 63 Prozent sehen hier eine Überforderung der Schulen.

> Gute Integrationschancen: 54 Prozent der Befragten glauben, die Menschen aus der Ukraine hätten sehr gute (7) oder gute (47) Chancen, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. "Weniger gut" sagen 25 Prozent, "gar nicht gut" nur 9 Prozent.

> Kritik an der Flüchtlingspolitik des Landes: 49 Prozent kritisieren die grün-schwarze Landesregierung. Lob gibt es nur von 27 Prozent. Schlechtere Bewertungen gibt es dabei von denjenigen, die viele Geflüchtete in ihrer Umgebung wahrnehmen sowie von denen, die eher mit der Notwendigkeit einer dauerhaften Aufnahme rechnen (siehe Grafik).

> "Pull-Effekte" und zu wenig Kontrolle: Gefragt nach der Zustimmung zu bestimmten Thesen (siehe Grafik, unten rechts) sagten 51 Prozent, es werde zu wenig kontrolliert, wer komme. Ebensoviele fürchteten "Pull-Effekte", also dass Geflüchtete durch deutsche Sozialleistungen angezogen würden. 43 Prozent nannten es eine Selbstverständlichkeit, Kriegsflüchtlinge aufzunehmen; es gebe eine "moralische Pflicht" zu helfen, meinten 41 Prozent. Deutschlands wirtschaftliche Stärke ist hingegen nur für 23 Prozent ein Argument für die Hilfe.

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