BaWü-Check

Was die Schule alles leisten soll, ist kaum zu schaffen

Allgemeinbildung, Rechtschreibung, Englisch und auch KI sollen Schüler möglichst beigebracht bekommen. Können Lehrkräfte das alles leisten?

11.07.2024 UPDATE: 11.07.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Von Sören S. Sgries

Heidelberg. Die vermeintliche Bildungsmisere im Südwesten hat schon einige Schlagzeilen produziert – etwa die Ergebnisse bei Pisa oder Vera, bei denen die Schülerinnen und Schüler eher schlecht aussahen. Das hat dem Ansehen des Schulsystems massiven Schaden zugefügt, wie der aktuelle BaWü-Check zeigt.

1015 Menschen im Land hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Juni im Auftrag der baden-württembergischen Tageszeitungen über Schulen und Bildungspolitik befragt. Das Ergebnis: ernüchternd. Nur 47 Prozent der Befragten bewerten die Schulen sehr gut oder gut, 45 Prozent geben ein negatives Urteil ab. Minimaler Hoffnungsschimmer: Bei den Eltern schulpflichtiger Kinder, die Probleme hautnah erleben, sind die Zahlen etwas besser. 53 Prozent geben hier gute Noten, 42 Prozent schlechte.

Allerdings: Im Vergleich zu Ergebnissen vor zehn Jahren bedeutet das immer noch einen massiven Absturz – denn damals hielten noch 75 Prozent der Bevölkerung die Südwest-Schulen für gut, lediglich 15 Prozent urteilten negativ.

> Eltern sehen andere Probleme: Aufschlussreich fällt der Blick auf die zentralen Probleme der Schulen aus (siehe Grafik) – denn hier gehen die Urteile zwischen Gesamtbevölkerung und Eltern teilweise deutlich auseinander. So landet zwar der Lehrkräftemangel in beiden Gruppen an der Spitze der "Problemliste" (für 62 bzw. 59 Prozent). Doch in den folgenden Punkten wie zunehmende Gewalt, fehlende Deutschkenntnisse, Förderungen sozial Schwächerer oder digitale Ausstattung sehen die Eltern die Lage weniger kritisch.

Auch interessant
BaWü-Check: Das Ländle lebt gern im Eigenheim
BaWü-Check: Wolfsrisse akzeptieren, aber keine Gnade für "Problemwölfe"
BaWü-Check: Baden-Württemberger schätzen Engagement und Tageszeitung

Auch das vermeintliche Problemfeld der Integration geflüchteter Kinder bewerten nur 32 Prozent der Eltern als dringlich, während es in der Gesamtbevölkerung 40 Prozent sind. Allerdings sagen auch 48 Prozent der Eltern, dass der Unterricht durch Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen "erschwert" werde – bei Grundschülern 52 Prozent, an weiterführenden Schulen 47 Prozent. Das sei nicht so, sagen 37 Prozent.

Was mit schulpflichtigen Kindern dagegen als wichtiger eingestuft wird: zu viel Stundenausfall, zu große Klassen, zu wenig Ganztagsbetreuung, zu schlecht ausgebildete Lehrkräfte. Und: Ganze 34 Prozent der Eltern beklagen einen zu hohen Leistungsdruck – gegenüber nur 24 Prozent in der Gesamtbevölkerung.

> Eltern zufriedener mit Schulpolitik: Insgesamt geben 28 Prozent der Bevölkerung der Bildungspolitik eine gute Note. 37 Prozent sehen die Lage "weniger gut", 14 Prozent sagen gar, die Landesregierung arbeite "gar nicht gut". 21 Prozent sind unentschieden. Auch hier urteilen Eltern etwas milder: 37 Prozent sehen die Politik positiv – wobei es hier vor allem weniger "Unentschiedene" als in der Vergleichsgruppe gibt. Denn "weniger gut" sagen auch 38 Prozent der Eltern, "gar nicht gut" 13 Prozent.

>  G9 wird begrüßt: Das Gymnasium soll in Zukunft wieder in neun statt acht Jahren enden – und die Befragten finden das sinnvoll. 70 Prozent der Gesamtbevölkerung und 72 Prozent der Eltern urteilen so. Dagegen sind nur 13 bzw. 14 Prozent.

> Skepsis bei Grundschulempfehlung: Der politische Plan, die Grundschulempfehlung wieder verbindlicher zu machen, stößt hingegen auf mehr Gegenwehr. Grundsätzlich finden zwar rund 60 Prozent der Befragten diesen Schritt gut. Aber in der Gesamtbevölkerung sind 21, unter den Eltern 30 Prozent dagegen – und wollen stattdessen Eltern entscheiden lassen.

> Was soll die Schule vermitteln? Bei dieser Frage landet ganz oben die Allgemeinbildung (80 Prozent der Befragten ist diese wichtig), gefolgt von Rechtschreibung und Grammatik sowie Englischkenntnissen. Ganz unten in der Liste steht die "musische Ausbildung", also Musik und Kunst (17 Prozent), und "alte Sprachen" wie Latein und Altgriechisch (10 Prozent). Allerdings werden auch Französisch oder Spanisch, moderne Fremdsprachen, nur von 26 Prozent als wichtig angesehen (siehe Grafik).

> "Schulfach Medienkompetenz" sinnvoll: 57 Prozent sehen es als schulische Aufgabe an, Medienkompetenz – also einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet und Social Media – zu vermitteln. Und 42 Prozent fordern sogar ein eigenes Schulfach dafür (Eltern: 47 Prozent). Medienkompetenz solle in anderen Fächern mitunterrichtet werden, sagen hingegen übereinstimmend 44 Prozent. Das Thema "KI", also Künstliche Intelligenz, vermissen die Befragten in der Schule. 67 Prozent sagen, die Chancen und Risiken würden nicht ausreichend vermittelt. Nur jeder Zehnte sieht das anders (siehe Grafik).

Bedenklich zudem: Die aktuellen Lehrkräfte halten die Befragten gar nicht für kompetent genug, um Medienkompetenz zu unterrichten. 74 Prozent der Gesamtbevölkerung und 68 Prozent der Eltern bezweifeln, dass die Ausbildung der Lehrkräfte dafür ausreichend sei. Nur 10 Prozent (Eltern: 15 Prozent) sehen die Grundlagen gegeben (siehe Grafik).

> Lehrerberuf gilt als schwierig: Gefragt wurde auch, was man mit dem Lehrerberuf verbindet. Und da zeigt sich: Es werden eher die Herausforderungen als die Vorteile gesehen. So sagen 64 Prozent, Lehrer hätten es oft mit "schwierigen Eltern" zu tun, 62 Prozent sagen das über schwierige Kinder. Auch die hohe Verantwortung (58 Prozent), hohe psychische Belastung (55) und generell das Anstrengende (47) wird gesehen. 37 Prozent sagen, Lehrkräfte bekommen nicht die Anerkennung, die sie verdienen.

Klischees werden hingegen kaum ernst genommen. So sagen nur 14 Prozent, Pädagogen hätten viel Freizeit. 11 Prozent glauben, man verdiene viel Geld. Bedenklich: Nur 13 Prozent der Befragten glauben, es sei eine "erfüllende, bereichernde Tätigkeit", zu unterrichten. Lediglich 11 Prozent halten den Lehrerberuf für einen "Beruf, der Spaß macht".

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.