Für Romani Rose ist "die rote Linie überschritten"
Aus Protest gegen das neue ungarische Homosexuellen-Gesetz gibt der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma seinen Verdienstorden an Viktor Orbán zurück

Von Klaus Welzel
Heidelberg/Berlin. Für Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, ist die "rote Linie überschritten". In den nächsten Tagen wird er in der ungarischen Botschaft in Berlin den Orden zurückgeben, der ihm vor neun Jahren von Viktor Orbán persönlich dort überreicht wurde.
Damals würdigte der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident Roses Einsatz für den Wiederaufbau von Häusern von Roma-Familien, die in den Jahren zuvor einer rassistisch motivierten Zerstörungswut zum Opfer gefallen waren. Sechs Menschen starben, Häuser wurden niedergebrannt. Was Rose jetzt zu seinem "gut überlegten Schritt" bewegt, das ist Ungarns neues Gesetz, das Homosexuelle ausgrenzt, diffamiert und mit Pädophilen gleichsetzt.

Es waren vor allem die Worte des luxemburgischen Ministerpräsidenten Xavier Bettel beim europäischen Gipfel, die Rose "tief berührten", wie er gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung bekennt. Der 48-jährige Luxemburger hatte in Richtung Orbán gesagt: "Ich wurde nicht schwul, ich bin es, es ist keine Entscheidung". Für Rose war das Statement des Premierministers eine Aufforderung "persönliche Konsequenzen" zu ziehen. "Ich habe mich geschämt, den Orden einer Regierung zu tragen, die so mit Menschen umgeht. Das entspricht nicht meinem demokratischen und rechtsstaatlichen Anspruch". Und er fragt sich, welche Gruppen wohl als nächste pauschal ausgegrenzt würden.
Als der Zentralratsvorsitzende im Oktober 2012 mit dem staatlichen "ungarischen Verdienstorden, Mittelkreuz" ausgezeichnet wurde, da glaubte er noch an die Versprechen eines Viktor Orbán. Zwar wusste er auch damals um die Demokratiedefizite in Ungarn. Was ihn aber veranlasste, den Orden dennoch anzunehmen, das war der Einsatz des Staatschefs für die Minderheit. "Unter seiner EU-Ratspräsidentschaft hat er viel getan für die Gleichstellung der Roma in ihren Heimatländern. Das darf man nicht ignorieren," so Rose.
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Für ihn spielte damals vor allem der Budapester Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, eine entscheidende Rolle. Zwar ein loyaler Weggefährte Orbáns, setzte der sich seit Jahren für die Rechte der Roma und deren sozialer Situation ein. Romani Rose bescheinigte er, einen "Baustein der neuen Roma-Politik" in Ungarn geliefert zu haben. Daran wollte Rose anknüpfen. Gegen Ausgrenzung, für bessere Schulbildung, menschenwürdige Wohnverhältnisse, Zugang zum Arbeitsmarkt und Anerkennung der Roma als gleichberechtigte ungarische Staatsbürger.
Dass die Regierung den immer wieder aufbrechenden Hass gegen Roma nicht eindämmen konnte, das kritisierte Rose mehrfach. So war er entsetzt, als die rechtsextremistische Partei Jobbik, die eine massive Hetze gegen Roma betreibt und sich offen antisemitisch gibt, mit fast 21 Prozent der Wählerstimmen ins Parlament einziehen konnte. Er sah darin 2014 ein "Alarmzeichen für Europa". "Das Erstarken des Nationalismus, mit rechtsextremen Parteien an der Spitze, stellt eine Bedrohung der Europäischen Idee dar", machte er dem ungarischen Ministerpräsidenten in Budapest klar, als er ihn dort zum Gespräch traf. Seine Forderungen nach konkreten Projekten, um die Lebenssituation der Minderheit zu verbessern, die ja auf Vorgaben der Europäischen Kommission beruhten, müssten dringend umgesetzt werden.
Passiert ist in Ungarn, wie auch in anderen osteuropäischen Ländern nicht viel. Die Situation der Minderheit ist nach wie vor besorgniserregend und der Staatschef regiert seit 2010 mit zunehmend autoritären Methoden. Betroffen sind alle Bereich. "Die radikale Rechte ist dort stark, wo die demokratische Gesellschaft schwach ist", sagt Rose. "Nötig ist jetzt die kompromisslose Distanzierung von einer Regierung, die immer mehr demokratische Werte abbaut." Deshalb gibt er seinen Orden zurück.