Bei der Vorstandswahl wird die FDP-Führungsriege abgestraft
"Haben alle verstanden, worum es geht?": Die FDP rückt zusammen, fröhlich und locker ging es aber nur am Anfang zu.

Von Ulrike Bäuerlein, RNZ Stuttgart
Pforzheim. Am Anfang ging es fröhlich und locker zu. Die erste digitale Probeabstimmung beim zweitägigen Listen- und Landesparteitag der Südwest-FDP in Pforzheim ging am Samstag bei hochsommerlichen Außentemperaturen problemlos über die Bühne und brachte die Erkenntnis, dass eine Mehrheit der FDP-Delegierten Milchspeiseeis gegenüber Fruchteis bevorzugt und nur eine Minderheit kein Eis mag. Es blieb bei der Abstimmung. Geliefert wurde kein Eis, sondern wurden tags drauf Ergebnisse, die stattdessen manche Gesichtszüge einfrieren ließen.
Denn am Sonntag wurde dann doch noch Klartext gesprochen – und es wurden Rechnungen aufgemacht. Stand der erste Tag des Parteitreffens mit Wahl des Spitzenkandidaten und der Landesliste für die Landtagswahl 2026 am Samstag noch im Zeichen der Geschlossenheit nach Außen – getreu dem plakatierten Motto "Jetzt erst recht!", wurde am Sonntag bei der Aussprache vor den Wahlen zum Landesvorstand und vor allem bei den Wahlergebnissen selbst deutlich: Es gibt keinen Auftrag für ein "Weiter so!". Darüber können auch die 88,9 Prozent Zustimmung bei der Wahl von Hans-Ulrich Rülke zum erneuten Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2026 nicht hinwegtäuschen. Stattdessen: erhebliche Unruhe in der Partei.
Bei seiner Bewerbungsrede als Spitzenkandidat hatte Rülke am Samstag noch auf die großen Linien gesetzt. "Es kommt auf uns an, den Geist der Freiheit und die Demokratie in diesem Land zu erhalten", so Rülke, "es ist eine Aufgabe, die größer ist als wir selbst. (...) Es ist die historische Aufgabe der FDP, zu verhindern, dass dieses Land den Höckes und Weidels in die Hände fällt". Als Rezept dafür nannte er eine bürgerliche liberale Politik, die auf Optimismus und Zukunftsmut setze, Freude am Wettbewerb und Leistungsbereitschaft, ein durchlässiges Bildungssystem, das allen ein Aufstiegsversprechen gebe, sowie einen schlanken, aber starken Staat.
Tages drauf erhielt der 63-jährige Pforzheimer bei der Wahl zum Landesvorsitzenden dann nur vergleichsweise bescheidene 78 Prozent. Der Rest von Rülkes Vorstandsteam – mit Ausnahme von Landesschatzmeister Jochen Haußmann, der mit 94 Prozent das beste aller Parteitagsvoten auf sich vereinen konnte – kassierte durchweg eine Klatsche. Und das vor der "Mutter aller Wahlen", der "Schicksalswahl für die liberale Demokratie" (Parteichef Christian Dürr).
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Der Unmut ist groß. "Haben alle wirklich verstanden, worum es hier geht?", wollte Roland Fink wissen, der sich nach den Redebeiträgen des Vortages sorgte, das Ausscheiden aus dem Bundestag könne in der Partei nicht mehr auslösen als die Hoffnung, es werde dann eben beim nächsten Mal schon wieder klappen. "Wir müssen den blau-gelben Kampfanzug anziehen", forderte er. Diane Dornier aus Ravensburg forderte, Antworten zu geben, die von den Menschen verstanden würden "Wie erreichen wir die Menschen wieder, die wir verloren haben? Wie erreichen wir die? Wie holen wir sie von AfD und Linkspartei zurück?", fragte Dornier. Im Wahlkampf müsse man den Menschen sagen können, was die FDP künftig anders machen wolle. Rülke habe zwar "eine Super-Rede über das Super-Produkt gehalten – aber das hören wir ja schon seit ein paar Jahren."
Aufstellung der Landesliste: Claudia Felden aus Leimen kommt auf Platz vier, Nico Weinmann aus Heilbronn auf Platz sieben – beide müssen sich eher keine Sorgen machen. Anders als Christian Jung aus Karlsruhe, der Platz zwölf belegt. Denn angesichts der Umfragen schaffen es statt bisher 18 im Jahr 2026 wohl nur noch neun Liberale in den Landtag.