Impeachment gegen Donald Trump

"Das Vergehen des Präsidenten ist diesmal klarer und leichter darstellbar"

Amerika-Experte Martin Thunert über die Ukraine-Affäre und das mögliche Verfahren gegen den US-Präsidenten

10.10.2019 UPDATE: 11.10.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 55 Sekunden

Demonstranten fordern vor dem Kapitol in Washington eine Amtsenthebung (Impeachment) von Donald Trump. Foto: AFP

Von Christian Altmeier

Heidelberg. Martin Thunert (50) ist Dozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA). Der Politikwissenschaftler ist ferner assoziiertes Mitglied des Zentrums für Nordamerikastudien der Universität Frankfurt.

Martin Thunert. Foto: privat

Herr Thunert, täuscht der Eindruck oder wird Donald Trump im Zuge der Ukraine-Affäre zunehmend nervös?

Ja, er zeigt derzeit sicherlich einige Anzeichen von Nervosität. Andererseits arbeitet er ja eigentlich immer in einer Art Notstandssituation – und scheint das auch gerne zu tun. Er ist von dem drohenden Impeachment-Verfahren sicherlich nicht begeistert, aber er sieht zugleich die Vorteile für ihn, wenn das Thema Ukraine weiterhin prominent in den Medien bleibt.

Welche Vorteile wären das?

Das Thema ist ja nicht nur für ihn selbst brisant, sondern auch für den Demokraten Joe Biden, den er wohl für den stärksten potenziellen Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl 2020 hält. Es ist zwar festgestellt worden, dass Biden nichts Unrechtes getan hat. Aber es bleibt eben ein Geschmäckle angesichts der Tatsache, dass sein Sohn Geschäfte in Ländern gemacht hat, mit denen Joe Biden als Vizepräsident in direktem Kontakt stand – wie in der Ukraine und später in China. Das ist glaube ich Trumps Kalkül, seinen womöglich stärksten Konkurrenten mitzubeschädigen und vielleicht sogar auszuschalten, weil gerade die progressive Basis der Demokraten empfindlich auf Korruption in den eigenen Reihen reagieren könnte.

Und geht das Kalkül auf?

Ja, es scheint so. Umfragen zeigen, dass Konkurrenten von Biden in den Vorwahlen, wie die Senatorin Elizabeth Warren, in der Gunst der Demokraten zulegen. Und Trump scheint überzeugt zu sein, dass er Warren leichter schlagen könnte als Biden. Außerdem ziehen die Demokraten mit dem Impeachment-Verfahren natürlich auch die Aufmerksamkeit der Medien von Ihren Vorwahlen und den eigenen Debatten ab. Sie gehen mit dem Impeachment-Verfahren also auch ein Risiko ein.

Die meisten Skandale sind an Trump bisher abgeprallt. Was ist diesmal anders?

Das Vergehen des Präsidenten ist diesmal klarer und für die Menschen im Land leichter darstellbar als mögliche Vergehen im Zusammenhang mit der Mueller-Untersuchung, die Trump als Kandidat, nicht als Präsident, begangen haben könnte. Wenn man nachweisen kann, dass Trump dem ukrainischen Präsidenten ein "Quid pro quo" aufgezwungen hat, also amerikanische Militärhilfe nur für die Gegenleistung, ein Verfahren gegen Biden einzuleiten, ist für jeden klar erkennbar, dass dies einen Machtmissbrauch darstellt. Das ist sicher auch die Hoffnung der Demokraten, dass die Unterstützung in der Bevölkerung für ein Impeachment steigt und sie dadurch die nötigen 20 Stimmen von republikanischen Senatoren für eine Amtsenthebung bekommen. Dazu müsste aber ein ganz glasklarer Beweis vorliegen, der nicht mehr bestritten werden kann. Ich bin sehr skeptisch, ob das gelingt.

Führt die Weigerung Trumps, mit dem Kongress zusammenzuarbeiten, zu einer Verfassungskrise?

Die US-Verfassungsrechtler sind in der Frage gespalten. Ich würde mich denen anschließen, die der Auffassung sind, dass die angekündigte Nicht-Kooperation mit dem Repräsentantenhaus alleine noch keine Verfassungskrise darstellt. Sie wäre erst dann gegeben, wenn Trump Anordnungen von Gerichten nicht befolgt, was die Herausgabe von Dokumenten oder die Pflicht zur Aussage von Mitgliedern der Regierung vor Kongressausschüssen angeht. Es ist nicht klar, ob die US-Verfassungsordnung für die Situation, in der der Chef der Exekutive Anordnungen der Judikative missachtet, eine Lösung parat hat.

Was erhofft sich Trump davon?

Trumps Strategie eines Ping-Pongs mit den Ausschüssen des Kongresses, die vorladen, dann bei Nicht-Kooperation die Gerichte anrufen, scheint mir eine durchaus nicht ungeschickte Verschleppungstaktik zu sein, um den Schwung und auch die Zustimmung der Bevölkerung aus dem Amtsanklageverfahren zu nehmen. Je länger das für Laien kaum durchschaubare Ping-Pong anhält und sich in juristischem Klein-Klein aufreibt, desto lauter kann er seinen Anhängern und unabhängigen Wählern zurufen, dass die Demokraten seine Administration permanent am Regieren hindern und ein reiner Obstruktionshaufen sind.

Wie steht die Bevölkerung denn zu einem Impeachment?

Viele Wähler hätten es lieber, wenn der Kongress sich um inhaltliche Fragen kümmern würde, etwa bei Wirtschaft, Gesundheit oder außenpolitischen Streitfragen, wie den Konflikt mit China. Kurzum: Sie wollen, dass die Politik handelt und sich etwas bewegt. Es wird sehr darauf ankommen, wie die Wechselwähler zu dem Verfahren stehen.

Trump wehrt sich vehement dagegen, seine Steuerunterlagen zu veröffentlichen. Was hat er zu verbergen?

Ich vermute, dass Trump einfach sehr wenig Steuern bezahlt hat, weil er Steuerschlupflöcher ausgenutzt hat. Das ist zwar nicht illegal, unterminiert aber seine populistische Haltung, mit der er seinen Unterstützern signalisiert: Ich bin einer von euch. Wenn er sich vor Steuerzahlungen gedrückt hat, vor denen sich normale Amerikaner nicht drücken können, könnte das diesen Nimbus beschädigen.

Glauben Sie, dass der Abzug der Truppen aus Syrien ein Ablenkungsmanöver ist, um das Impeachment-Verfahren aus den Schlagzeilen zu verdrängen?

Nein, das denke ich nicht. Womöglich hat das Impeachment-Verfahren den Zeitpunkt beeinflusst und Trump hätte anderenfalls mit der Entscheidung noch ein paar Tage gewartet. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass er die US-Truppen aus Syrien abziehen will. Das erste Mal hat er das im Dezember 2018 gefordert. Das hat damals zum Rücktritt von Verteidigungsminister Jim Mattis geführt und Trump ist teilweise zurückgerudert. Er hat den Plan aber nicht aufgegeben, weil er damit sein Versprechen aus dem Wahlkampf erfüllen will, die US-Truppen heimzuholen. Man muss auch sehen: Die Syrien-Frage spielt in der breiteren amerikanischen Öffentlichkeit keine besonders große Rolle. Trump trifft vor allem bei den Senatoren seiner eigenen Partei damit auf Widerspruch.

Wie wird das Verfahren Ihrer Ansicht nach ausgehen?

Die Demokraten werden sich möglicherweise doch noch gegen ein formales Impeachment-Verfahren entscheiden, wenn die Beweislage für einen Machtmissbrauch Trumps nicht noch klarer wird. Sollte es aber noch neue Beweise geben, halte ich eine Anklage durch eine Mehrheit des Repräsentantenhauses zwar für wahrscheinlich, aber nicht eine Verurteilung im Senat, wo die Demokraten 20 Sitze von der notwendigen Zweidrittelmehrheit entfernt sind. Bei den Demokraten gibt es nach wie vor Stimmen, die es für besser halten, Trump an der Wahlurne zu schlagen. Denn nach einem Impeachment Trumps würde Vizepräsident Mike Pence ins Weiße Haus aufrücken – mit einem neuen Vizepräsidenten - oder wahrscheinlicher – mit einer neuen Vizepräsidentin wie der ehemaligen UN-Botschafterin Nikki Haley. Und das könnte die Wahlarithmetik völlig verändern – womöglich auch zuungunsten der Demokraten.