Handelsmacht China

China sucht Einfluss in Europa

Auf dem Balkan nimmt die "neue Seidenstraße" Formen an - Das geschieht nicht immer zum Vorteil der bedachten Länder

02.01.2019 UPDATE: 04.01.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Der Containerhafen von Piräus bei Athen soll Hauptumschlagsplatz für chinesische Waren in Europa werden. Foto: dpa

Von Gregor Mayer und Takis Tsafos

Athen/Belgrad. Für Touristen ist Piräus im Sommer der quirlige Fährhafen, wo die Urlaubsreise zu den ägäischen Insel beginnt. Doch nur wenige hundert Meter entfernt, hinter einem kleinen Hügel und Absperrungen verborgen, liegt eine ganz andere Welt: sie besteht aus Kränen und Containern, so weit das Auge reicht.

In zehn Jahren hat sich die die Menge der hier umgeschlagenen Waren verzehnfacht. Bald soll die weitläufige Anlage zum größten Umschlaghafen des Mittelmeers werden. Das Besondere: Regie führt hier der Transportkonzern Cosco aus China. 2008 hat das Staatsunternehmen im Zuge der Privatisierung 51 Prozent des Hafens für 40 Jahre gepachtet - und seit 2016 einen Mehrheitsanteil der griechischen Betreibergesellschaft.

Der Containerhafen Piräus als Drehscheibe für chinesische Warenströme ist der Kern einer globalen Handelsstrategie. Mal firmiert sie unter dem Namen "Neue Seidenstraße", mal unter "Belt & Road Initiative" oder "One Belt, one Road" (Ein Gürtel, ein Weg). Das erklärte Ziel: Die Schaffung von Verkehrswegen auf dem Land und zur See, um chinesische Waren nach Europa zu pumpen. Nebenbei vermag sich Peking als immer präsentere Wirtschafts- und Handelsmacht politischen Einfluss zu sichern. Präsident Xi Jinping hatte die Strategie 2013 zur höchsten Priorität erklärt.

"Unser Hafen ist das Tor Chinas nach Europa", sagte Hafendirektor Fu Chengqiu bei einer seltenen Führung für Auslandskorrespondenten. Den Vertreter des Mehrheitseigentümers nennen sie hier schlicht den "Captain".

Auf dem Balkan steht für China die Schaffung von Infrastruktur im Vordergrund. Da werden Brücken in Serbien und in Kroatien gebaut. Neue Schienen sollen die Fahrtzeit der Züge zwischen Budapest und Belgrad von acht auf vier Stunden reduzieren. Investiert wird auch in Stahlwerke und Heizkraftwerke.

Für Finanzierungen steht die chinesische Exim-Bank bereit. In Piräus hat China 1,2 Milliarden Euro investiert, der Auftrag für die Budapest-Belgrad-Bahn umfasst 3,7 Milliarden Euro. Anders als EU-Projekte werden die Vorhaben umstandslos und unbürokratisch umgesetzt.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban formulierte es Anfang 2018 so: "Wenn uns die EU keine finanzielle Unterstützung gewähren kann, wenden wir uns an China." Mit dem Format "16+1" schuf sich Peking im Jahr 2012 ein Forum, bei dem 16 Länder aus Südost-, Mittel-, und Osteuropa mit am Tisch sitzen, EU-Mitglieder ebenso wie Nicht-Mitglieder. Substanzielle Verhandlungen finden aber stets bilateral zwischen dem chinesischen Spitzenvertreter - in der Regel Ministerpräsident Li Keqiang - und der jeweiligen Regierungs statt.

Dies führe zu Intransparenz, lasse die betroffenen Kommunen und Bürger außen vor, sagen Kritiker. "Für Serbien ist diese Art von Zusammenarbeit in Wirklichkeit nicht von Vorteil", sagt der Belgrader Ökonom Mahmud Busatlija. "Die Chinesen diktieren die Bedingungen, sie bringen die Baumaterialien selbst mit, sie führen - oft mit eigenen Arbeitern - die Bauvorhaben aus und sie gewähren über ihre Exim-Bank die Kredite, die die serbischen Steuerzahler abstottern müssen, zu gar nicht vorteilhaften Zinsen."

Oft kommt bei chinesischen Projekten der Verdacht auf, dass Regeln und Standards der EU nicht viel zählen. In der Union wird das inzwischen durchaus problematisch gesehen. "China war sehr erfolgreich darin, sich als ein Land zu präsentieren, das nur geschäftliche Interessen verfolgt", sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn im Dezember. "Aber das Gegenteil ist der Fall." China exportiere ein Gesellschaftsmodell, das es auch in Europa salonfähig machen möchte. Die europäische (öko-)soziale Marktwirtschaft sehe sich von einer Mischung aus Diktatur und Turbokapitalismus herausgefordert.

Zugleich lässt die Strahlkraft der EU in der Region nach. Ein Europa, das mit eigenen schweren Krisen wie dem Brexit kämpft, erweckt den Eindruck, nur mit sich selbst beschäftigt zu sein. Beitrittsperspektiven, die in immer fernere Zukunft rücken, geben den Bevölkerungen der Balkanstaaten das Gefühl, auf unabsehbare Zeit im "Warteraum der EU" festzustecken.