Andreas Westerfellhaus. Foto: dpa
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Andreas Westerfellhaus (64) ist Pflegebeauftragter der Bundesregierung.
Herr Westerfellhaus, nach dem schleppenden Corona-Impfstart gibt es deutliche Kritik an der Beschaffung und der Strategie. Was läuft aus Ihrer Sicht falsch?
Kritik ist immer legitim. Aber substanzlose Kritik an vergangenen Entscheidungen verwundert schon sehr und bringt uns nicht weiter. Wir brauchen jetzt alle Kräfte und müssen sie auf die Beschaffung des Impfstoffs konzentrieren. Die Menschen wollen keinen Streit, sondern wissen wie es weitergeht.
Aber man muss doch Fehler benennen und analysieren, um sie in Zukunft zu vermeiden…
Ja, das ist richtig. Man muss aus den Erfahrungen lernen und reagieren. Wir werden alleine von Biontech über 85 Millionen Impfdosen erhalten. Und wenn alle Impfstoff-Kandidaten zugelassen werden, erhält Deutschland mehr als ausreichend Impfdosen für unsere Bevölkerung. Es gibt in den Bundesländern ein höchst unterschiedliches Vorgehen und eine unterschiedliche Informationspolitik. Die über 80-jährigen wollen wissen, wie sie an ihre Impfung kommen. Wir brauchen ein einheitliches Verfahren. Der Impfstoff muss jetzt überall zügig verimpft werden. Das ist regional sehr unterschiedlich. Wir dürfen auch nicht die Pflegebedürftigen vergessen, die zuhause versorgt werden.
Die SPD fordert Aufklärung vom Bundesgesundheitsminister über mögliche Versäumnisse bei der Impfstrategie…
Ich verstehe nicht, wie man in einer solch ernsten Situation, in der täglich Hunderte Menschen an Corona sterben und es Verunsicherung über die Impfung gibt, einen solchen Streit vom Zaun bricht und solche Schuldzuweisungen gegen den Minister erhebt. Dieses Thema eignet sich nicht für parteipolitische Manöver. Jens Spahn hat sehr gut begründet, warum man auf mehrere Impfstoffe gesetzt hat. Im Sommer wusste man noch nicht, welcher Impfstoff das Rennen machen wird. Jetzt herzugehen, wo wir bei 316.000 Impfungen sind, während andere Länder weit darunter liegen oder noch nicht einmal angefangen haben, ist alles andere als hilfreich. Wir sollten die Menschen nicht weiter verunsichern. Jetzt heißt es, schnell handeln. Einen Koalitionsstreit über das Impfen werden die Menschen nicht mehr verstehen. Bund und Länder müssen jetzt an einem Strang ziehen.
Es gibt offenbar beträchtlichen Widerstand bei Pflegekräften und medizinischem Personal, sich impfen zu lassen. Wie sehr besorgt Sie diese Entwicklung?
Die Skepsis bei den Pflegekräften, was die Impfungen angeht, ist offenbar zum Teil vorhanden. Hier kann man nur dringend an Pflegerinnen und Pfleger appellieren, sich impfen zu lassen. Es gehört zum Berufsethos dieser Gruppe, sich jetzt zum Schutz der Pflegebedürftigen und Patientinnen und Patienten impfen zu lassen. Auch zum eigenen Schutz. Wir warten seit Monaten auf diesen Impfstoff. Jetzt sollten alle von diesem Angebot Gebrauch machen. Dann gelingt es uns, diese Infektionsketten zu durchbrechen.
Sollten Ärzte und Pflegepersonal zur Impfung verpflichtet werden?
In anderen sensiblen Bereichen wie den Kitas setzen wir voraus, dass die Erzieherinnen und Erzieher zum Schutz geimpft sind. Wir sollten hier aber bei der Freiwilligkeit bleiben. Hier geht es um den Schutz der anvertrauten Pflegebedürftigen. Da sollte eigentlich niemand sagen, dass er sich nicht impfen lässt.
Mit der Verlängerung des harten Lockdowns geht auch vielerorts die Isolierung von vielen Pflegebedürftigen weiter. Muss hier nicht Abhilfe geschaffen werden?
Die Lage in den Pflegeeinrichtungen ist sehr unterschiedlich. Dort, wo bereits geimpft wird, ist die Hoffnung sehr groß, dass man schneller zum normalen Alltag zurückkehren kann. Einige Einrichtungen haben aber auch wieder komplett abgeriegelt. Für viele Träger kommt eine komplette Isolation dagegen nicht in Frage. Wir müssen Ältere und Pflegebedürftige bestmöglich vor Infektionen schützen und haben dafür viele Maßnahmen und Unterstützung gegeben: Denn der Kontakt zu Angehörigen und Freunden muss wann immer es geht weiterhin möglich sein.
Die Pandemie hat erneut deutlich gemacht, dass es einen großen Mangel an Pflegepersonal gibt. Wie lässt sich dies kurzfristig ändern?
Das Pflegepersonal auf den Intensivstationen ist völlig überlastet. Da brennt es. Wir verfügen in Deutschland über rund 37.000 ausgebildete Schwestern und Pfleger in der Intensivpflege. 48 Prozent von ihnen arbeiten in Teilzeit. Wir müssen deutlich mehr Pflegekräfte ausbilden und größere Anreize wie eine deutlich bessere Bezahlung schaffen. Vor allem im Intensivbereich. Dafür gilt es, jetzt die Weichen zu stellen. Hier sind vor allem die Länder gefordert. Die Vorschläge liegen alle auf dem Tisch.
Wird in Deutschland genug getestet?
Gerade in Pflegeinrichtungen werden Tests und die Testung bezahlt. Ich höre, dass es inzwischen in der Fläche gut läuft. Aber Geld alleine testet nicht, daher wäre es sicher gut, wenn es von allen mehr Anstrengungen gibt, dass es mehr Personal gibt, die dort das Testen übernehmen. Grundsätzlich höre ich immer wieder wie schwierig es eine Testung zu bekommen, für den Otto-Normal-Verbraucher. Ich würde es sehr begrüßen wenn heute auch hier weitere Maßnahmen beschlossen werden.