Helfen, streamen, improvisieren

Wie Deutschland der Corona-Krise trotzt

Konzerte und Clubabende im Internet, Online-Unterricht und Fußballfans, die beim Einkaufen helfen. So sehr das Coronavirus den Alltag auch einschränkt: In der Not entstehen auch Solidarität und gute Ideen.

18.03.2020 UPDATE: 18.03.2020 09:09 Uhr 3 Minuten, 3 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Heidelberg. (dpa) Schritt für Schritt fährt Deutschland runter. Die Schulen sind zu, viele Spielplätze und Läden auch, die Restaurants schließen früh - und seit Dienstagabend ist klar: Nicht-EU-Bürger dürfen nicht mehr ins Land. Das neuartige Coronavirus verändert fast alles. Doch viele Menschen nehmen die Herausforderung an - und werden kreativ. Ein Überblick über die Lage in Deutschland:

> Schul- und Kita-Kinder und ihre Eltern und Lehrer: Millionen Kinder und Jugendliche gehen nicht mehr wie gewohnt in die Schule oder die Kita. Ausnahmen gibt es für jüngere Kinder von Eltern, die in kritischen Bereichen arbeiten - etwa als Ärzte oder Pfleger, aber auch in der Energie- oder in der Lebensmittelbranche. Viele Schulen setzen nun auf Online-Plattformen wie etwa Moodle, wo Schüler Aufgaben erhalten und einreichen können. Teils gab es Startschwierigkeiten, weil Server nicht erreichbar waren. Viele Eltern versuchen, die Arbeit im Homeoffice und die Bespaßung der Kleinen unter einen Hut zu bekommen - da dient der Küchentisch schon mal zum Basteln, als Konferenzraum und Kantine gleichzeitig.

> Hilfsbereite Nachbarn: In ganz Deutschland sprießen Hilfsangebote aus dem Boden. Ob Nachbar oder Nachbarin, die einfach per Zettel im Treppenhaus anbieten, für Ältere und andere Risikogruppen die Einkäufe zu erledigen. Oder Ultra-Fanvereinigungen von Fußballclubs wie Borussia Dortmund oder dem VfB Stuttgart, die Hilfen organisieren: In der Krise gibt es auch viel Solidarität.

> Restaurants: Wer zum Abendessen ins Restaurant will, muss in den nächsten Wochen früh essen. Spätestens um 18.00 Uhr machen die Restaurants zu, in Nordrhein-Westfalen sogar schon nach dem Mittagessen um 15.00 Uhr. In Bayern gilt das zumindest für Biergärten und Außenterrassen. In Schleswig-Holstein müssen die Restaurants sogar ganz geschlossen bleiben. Nur Lieferservices und Gerichte zum Abholen sind noch erlaubt. Viele Bürger sind aber ohnehin zwiegespalten und überlegen sich zweimal, ob sie noch Essen gehen wollen. Doch nur zu Hause einigeln wollen sich viele auch nicht.

> Geschäfte und ihre Kunden: Ab Mittwoch schließen viele Läden - Supermärkte, Banken, Apotheken, Drogeriemärkte und andere wichtige Orte für Alltagserledigungen bleiben aber offen. Profitieren dürfte der Onlinehandel. Der weltgrößte Online-Händler Amazon gibt auch in Deutschland vorübergehend Lieferungen von Medikamenten und unerlässlichen Haushaltsgütern Vorrang - wer Bücher oder Spiele gegen die Langeweile bestellt, muss möglicherweise etwas warten. Manche Läden vor Ort können die plötzliche Zeit auch nutzen. "Wir machen Inventur und räumen gründlich auf, wir haben genug zu tun", sagte der Chef eines Berliner Spieleladens. Für die Mitarbeiter gelte allerdings Kurzarbeit.

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> Urlauber: Zehntausende deutsche Urlauber werden in den nächsten Tagen etwa aus Ägypten, der Dominikanischen Republik, Marokko, Malta oder den Philippinen zurückgeholt. In Deutschland braucht man sich nicht mehr auf den Weg an die Küste zu machen: Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen lassen keinen Tourismus mehr zu. Bis Donnerstag müssen alle Urlauber weg sein, aus Ferienwohnungen genau wie vom Campingplatz und aus Jachthäfen. Auch für die Osterferien heißt es: Ferien auf Balkonien planen. Und vielleicht schonmal das Gemüsebeet umgraben oder den Obstbaum stutzen.

> Sportfreunde: Auch Fitnessstudios und Sportstätten sind vielerorts schon dicht. Studioketten versorgen ihre Kunden mit Tipps und Video-Anleitungen für das Training in den eigenen vier Wänden. Wo das Wetter frühlingshaft ist, setzen viele aufs Joggen, Kicken oder zumindest Spazierengehen an der frischen Luft - jedenfalls diejenigen, die noch vor die Tür dürfen. Auch Wander- und Radwege sind offen, die Spielplätze in Parks allerdings nicht mehr in allen Bundesländern. Allen, die in Quarantäne sind, bleibt Wohnzimmer-Sport - aber warum nicht im Videochat auch mit Freunden?

> Profisport: Die Fußball-Bundesliga ist dicht und die Europameisterschaft auf das kommende Jahr verschoben. Die Profis trainieren trotzdem weiter - allerdings bei vielen Vereinen in Heimarbeit. Der FC Bayern München schickte Spielern dafür sogar Fahrradergometern nach Hause. Torjäger Robert Lewandowski veröffentlichte ein Foto aus dem Kraftraum - bei Liegestützen liegt ihm Tochter Klara als Extragewicht auf dem Rücken.

> Kultur: Konzertsäle, Theater, Kinos - alles dicht. Bleibt nur Filme schauen oder Bücher lesen? Von wegen - viele Konzerte werden live ins Internet übertragen, Theater-, Ballett und Opernvorstellungen online gestellt. Der Pianist Igor Levit überträgt Hauskonzerte aus seinem Wohnzimmer live auf Twitter und Instagram. Die Berliner Clubszene will ab Mittwoch jeden Abend DJ-Sets live übertragen - betont aber, das sei kein Aufruf, privat Partys zu veranstalten.

> Klar Schiff machen: Offenbar nutzen viele Menschen die Zeit in den eigenen vier Wänden zum Entrümpeln - vermutet jedenfalls der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). "Die Recyclinghöfe haben seit etwa 14. März verstärktes Besucheraufkommen verzeichnet", sagt ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die kommunalen Entsorger bitten darum, diese Arbeiten auf einen späteren Zeitpunkt zu verlagern - noch sei die Personaldecke nicht stark eingeschränkt durch Erkrankungen oder Quarantäne, das könne sich aber ändern.