Das Coronavirus bestimmt nach wie vor das Leben. Foto/Repro: Getty Images/RNZ
Von Gisela Gross
Berlin. Das Risiko der ansteckenderen Corona-Varianten ist derzeit eines der gewichtigen Argumente gegen Lockerungen. Zur Lage in Deutschland ist aber noch einiges unklar.
> Ansteckungsrate macht Sorgen: Die Sorge in Deutschland gilt derzeit insbesondere der Variante B.1.1.7, die zuerst in Großbritannien entdeckt wurde. Sie gilt als deutlich ansteckender als frühere Formen. Möglich wird das durch veränderte Viruseigenschaften, die eine Infektion offenbar erleichtern. Das gilt auch für Varianten aus Südafrika und Brasilien, die auch als besorgniserregend gewertet werden.
> Mahnende Beispiele: Mehrere Länder berichten, dass B.1.1.7 sich zur dominierenden Variante entwickelt hat. Einer noch nicht von Fachleuten begutachteten Studie zufolge verdoppelt sich etwa in den USA der Anteil von B.1.1.7 an den erfassten Infektionen etwa alle zehn Tage. Wie viel ansteckender die Mutante ist, lässt sich noch nicht sicher sagen. In der US-Studie wird geschätzt, dass es 35 Prozent bis 45 Prozent sind.
> R-Werte könnte wieder steigen: Bessere Übertragbarkeit bedeutet, dass auf einen Infizierten auf einen Schlag eine höhere Zahl an Folgefällen kommt. Damit geht eine höhere Reproduktionszahl einher. Selbst minimal wirkende Veränderungen haben große Auswirkungen, wie der Virologe Christian Drosten anhand einer Faustformel schilderte: Liege der R-Wert bei 0,9, dauere es etwa einen Monat, bis sich die Zahl der Infizierten halbiere - bei einem R-Wert von 0,7 nur eine Woche.
Wenn der R-Wert bei B.1.1.7 um 0,5 erhöht sein sollte, wie RKI-Chef Lothar Wieler kürzlich sagte, würden größere Anstrengungen nötig, um den Wert unter 1 zu halten. Momentan, nach langen Lockdown-Wochen, liegt er nur sehr knapp unter 1. Je kleiner die Zahl, desto mehr verlangsamt sich die Pandemie.
> Noch nicht dominierend: Seit Ende 2020 mehren sich Varianten-Nachweise. Die Daten legen eine zunehmende Verbreitung nahe. Die Erkenntnisse beruhen teils auf aufwendigen DNS-Analysen, zudem wurden rund 31.000 positive Corona-Proben aus der vorletzten Woche auf Eigenschaften von B.1.1.7 nachgetestet. Treffer gab es in knapp sechs Prozent der untersuchten Proben. Wieler zufolge zeigen die Daten, dass die Varianten angekommen sind, aber noch nicht dominieren.
> Zweifel bleiben: Es werden längst nicht alle Corona-Tests auf Varianten untersucht. Auch regional gesehen gab es bei der Stichprobe Lücken, wie etwa der Leiter des Instituts für Virologie der Uniklinik Freiburg, Hartmut Hengel, erklärte. Die Angabe über ein Vorkommen von knapp sechs Prozent könne nicht als repräsentativ für Deutschland gelten. Andere Experten und auch das RKI verweisen zudem auf mögliche Verzerrungen. Ein Grund dafür kann sein, dass häufiger mutmaßlich interessante Proben untersucht werden, etwa wenn sich ein Patient im Ausland aufgehalten hatte.
> Düstere Aussichten: "Bis Anfang April werden die neuen Stämme die vorherigen alle verdrängt haben", sagte der Infektiologe Hajo Grundmann, Leiter der Infektionsprävention und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg. Das sei unabhängig davon, dass die Zahl der Neuinfektionen sinkt.
> Hilft nur der Shutdown: Lockdowns scheinen auch die Varianten in Zaum zu halten. So konnte Irland, das zeitweise die höchste Infektionsrate der Welt aufwies, die Lage durch einen harten Shutdown wieder beruhigen. Auch in Portugal scheinen sich die strengen Maßnahmen von Mitte Januar auszuzahlen: Seit zwei Wochen gehen alle Zahlen zurück. Viele Experten sind überzeugt, dass die Schließung der Bildungseinrichtungen ab dem 22. Januar, gegen die sich die Regierung gesträubt hatte, den entscheidenden Beitrag geleistet hat.
