SPD Parteitag

Scholz muss ohne Plan Rede und Antwort stehen

Mitten in der Haushaltskrise hält die SPD ihren Parteitag ab. Bloß keinen Streit lautet dabei die Devise.

08.12.2023 UPDATE: 08.12.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sind um Ruhe nach außen bemüht. Archiv-Foto: dpa

Von Mareike Kürschner, RNZ Berlin.

Berlin. Olaf Scholz befindet sich in den schwierigsten Wochen seiner Kanzlerschaft, ziemlich sicher seiner gesamten politischen Karriere. Trotzdem nimmt er sich Zeit: für die Liebe. Am Donnerstagabend feierte der Kanzler Silberhochzeit mit seiner Frau Britta Ernst. 25 Jahre sind die beiden verheiratet, worauf in "sehr privatem Kreis" angestoßen wurde, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. "Die Liebe zu meiner Frau ist das Wichtigste in meinem Leben", sagte der SPD-Politiker bereits zu Jahresbeginn.

Weniger romantisch wird es dagegen ab heute auf dem Parteitag der SPD zugehen, die sich bis Sonntag auf dem Berliner Messegelände trifft. Dort wollte Scholz eigentlich seinen Genossen nach der Hängepartie um den Haushalt 2024 eine Einigung präsentieren. Doch daraus wird nichts, denn es gibt noch keinen Durchbruch bei den Verhandlungen.

Und so muss sich der Kanzler der Partei stellen – ohne ihr den Plan verkünden zu können, wie es weitergeht in der Krise. Einen Aufstand muss er trotzdem nicht fürchten, denn noch steht die Basis im Bann der Ereignisse der jüngeren Vergangenheit.

Seit Tagen ringen Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Sitzungen bis in die Nacht um eine Lösung, das Loch von noch 17 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2024 zu stopfen. Seit Donnerstagmittag ist klar: In diesem Jahr wird der Etat nicht mehr vom Bundestag verabschiedet (siehe auch Artikel unten). Damit startet 2024 mit einem vorläufigen Haushalt – und großer Unsicherheit.

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Die dürfte sich auch bei den SPD’lern breitmachen. Denn die Ampel kämpft ums Überleben. In Umfragen steht sie bei 33 Prozent, die SPD bei 15 Prozent. Doch die Genossen haben nicht vergessen, dass im Wahljahr 2021 lange niemand an ihren Kanzlerkandidaten glaubte. Scholz’ Aufholjagd beeindruckte viele Parteimitglieder, bis heute ist der unglaubliche Sieg Teil von Gesprächen mit Sozialdemokraten. Sie halten sich gerne daran fest wie an einem Rettungsring. Aber wie lange noch?

Die älteste Partei Deutschlands wirkt in der Krise apathisch. Manchmal fragt man sich, ob sie überhaupt Teil der Koalition ist und wofür sie heute steht. In der SPD dagegen verkaufen sie das gerne als Signal der Geschlossenheit. Die Parteispitze aus Lars Klingbeil und Saskia Esken hat die Genossen jedenfalls fest im Griff. Kritik aus den eigenen Reihen dringt nur selten nach draußen.

Doch die Diskussionen in den Fraktionssitzungen wurden in den vergangenen Wochen schärfer, wie unsere Berliner Redaktion von Teilnehmern erfuhr. Es sei deutliche Kritik am Erscheinungsbild von Partei- und Fraktionsspitze geübt worden, besonders aber am Kommunikations- und Führungsstil des Kanzlers. Abgeordnete sollen Scholz an seine Worte erinnert haben: "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch." Das hatte der Norddeutsche einst gesagt, als er Hamburger Bürgermeister war. Er solle sich mehr durchsetzen und besser erklären, so die Bitte aus der Fraktion. In den Sitzungen, an denen Scholz fast immer teilnimmt, könne er mitreißend reden, er sei witzig und schlagfertig, wird erzählt. Warum er öffentlich nicht auch so auftritt, ist so manchem Abgeordneten ein Rätsel.

Am Samstag hält Scholz seine Parteitagsrede. Auch hier gilt es, die Basis mitzureißen. Nur womit? Der Mann, der von sich sagt, immer einen Plan zu haben, steht ziemlich nackig da ohne Haushalt. Allerdings umgeht er auch konkrete Diskussionen über den Sparkurs, wenn sich die Ampel erst nach dem Parteitag auf einen Etat einigt. Das SPD-Treffen würde wohl wesentlich unruhiger verlaufen, sollte sich Finanzminister Lindner etwa mit Kürzungen am Sozialstaat durchsetzen. Ein offener Streit lässt sich so vermeiden.

Auch beim Thema Migration setzt die Partei auf Harmonie: Die SPD-Spitze geht mit einem Kompromissantrag auf die Kritiker des Regierungskurses zu. Darin wird unter anderem die umstrittene Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer unterstützt. Beim Thema Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern schlägt der Antrag einen deutlich zurückhaltenderen Ton an als Scholz, der angekündigt hatte, "in großem Stil" abzuschieben. So wird schon vor dem Parteitag geglättet, was für Ärger sorgen könnte.

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