Kanzler Scholz will Klimaschutz nicht den Grünen überlassen
Er wirbt auch für mehr Respekt in der Gesellschaft.

Von Michael Fischer
Berlin. Am 160. Geburtstag der SPD hat Bundeskanzler Olaf Scholz seine Partei dazu aufgerufen, für eine Gesellschaft des Respekts zu kämpfen und den Klimaschutz nicht den Grünen zu überlassen. Den klimagerechten Umbau der Wirtschaft nannte er bei einem Festakt in der Berliner Parteizentrale eine "historische" Aufgabe. "Das ist kein Thema einer ganz bestimmten Partei, wie manche immer noch meinen – das ist eine existenzielle Transformation", sagte er mit Blick auf die Grünen. Respekt ist das Leitmotiv von Scholz’ Kanzlerschaft, mit dem er 2021 auch in den Wahlkampf zog. "Die Sozialdemokratie des 21. Jahrhunderts muss einstehen für eine Gesellschaft des Respekts", sagte er in seiner Festrede. "Respekt, das heißt, dass niemand auf andere herabschaut, weil er oder sie sich selbst für stärker hält, für gebildeter, für reicher oder für besonders woke."
Scholz rief seine Partei auch auf, im Ringen um die Zukunft Europas Flagge zu zeigen. Der Ukraine sagte er eine Mitgliedschaft in der EU nach dem Ende des russischen Angriffskriegs zu. "Dieses bittere Kapitel der Geschichte unseres Kontinents, heraufbeschworen von Wladimir Putin in seinem imperialistischen Wahn, wird damit enden, dass sich die freie Ukraine als vollwertiges Mitglied der Europäischen Union anschließt."
Auf die viel kritisierte Russland-Politik der SPD in den Jahren vor der russischen Invasion in der Ukraine ging Scholz nicht ein. Seinen Vorgänger Gerhard Schröder erwähnte er in seiner Rede nur, als es um das Spannungsverhältnis zwischen programmatischem Anspruch der SPD und Pragmatismus ging. Schröder wurde zu der Festveranstaltung nicht eingeladen, auch wenn ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn wegen seiner Nähe zu Putins Russland gescheitert ist. Die Parteispitze will ihn isolieren.
Auch SPD-Chef Lars Klingbeil erwähnte Schröder in seiner Rede nicht. Stattdessen verteidigte er die Ost-Politik des SPD-Kanzlers Willy Brandt (1969 bis 1974), der eine Annäherung an die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Paktes betrieb. Dies sei "revolutionär" gewesen und Brandt habe dafür zurecht den Friedensnobelpreis bekommen. Klingbeil kritisierte Versuche, Fehleinschätzungen mit Blick auf Russland Brandt anzulasten. "Die Ost-Politik von Willy Brandt hat in unserer Partei einen besonderen Platz", betonte er.
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Klingbeil räumte ein, dass die SPD zwar "nicht die schrillste, nicht die lauteste, manchmal vielleicht auch nicht die hippste Partei" sei. Was zählt, sei aber etwas anderes: "Brücken in der Gesellschaft zu bauen, ist uns wichtiger, als eine reißerische Überschrift."
Co-Parteichefin Saskia Esken forderte ihre Partei auf, auch mal "out of the box" zu denken, also Ideen zu entwickeln, die sich nicht sofort umsetzen lassen. Als Beispiel nannte sie ihren Vorstoß für eine Vier-Tage-Woche. "Ich find’s jetzt erstmal gut, dass alle drüber sprechen", sagte sie.
Der 23. Mai gilt als Geburtstag der SPD, weil Ferdinand Lassalle an diesem Tag im Jahr 1863 im Leipziger Pantheon den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein gegründet hat, die erste Arbeiterpartei für ganz Deutschland. Sie war der Vorläufer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, die seit 1890 so heißt. In den 160 Jahren ihres Bestehens stellte sie ein knappes Vierteljahrhundert den Regierungschef in Deutschland. In der Weimarer Republik gab es vier SPD-Reichskanzler, die aber insgesamt nur gut drei Jahre regierten. In der Bundesrepublik ist Olaf Scholz der vierte Kanzler seiner Partei nach Willy Brandt (1969 bis 1974) Helmut Schmidt (1974 bis 1982) und Gerhard Schröder (1998 bis 2005).
Die SPD ist mit rund 380.000 Mitgliedern zum Ende des vergangenen Jahres mitgliederstärkste Partei Deutschlands, obwohl sie dramatisch geschrumpft ist. 1990 hatte die Partei noch mehr als 940.000 Mitglieder.