Scholz beim CDU-Wirtschaftsrat

Der Kanzler unter Strom

Der Wirtschaftsrat lässt Kanzler Scholz warten und geizt nicht mit Kritik.

23.05.2023 UPDATE: 23.05.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Bundeskanzler Scholz beim Wirtschaftstag 2023 „Werte, Wohlstand, Zusammenhalt“ des Wirtschaftsrates der CDU. Foto: dpa

Von Thomas Vitzthum, RNZ Berlin

Berlin. Als Olaf Scholz zum dritten Mal aufsteht und von links nach rechts geht, um seinen Leuten etwas zuzuflüstern, muss auch dem letzten im Saal klar sein, dass der Kanzler mit der Organisation des CDU-Wirtschaftsrats nicht zufrieden ist. Erstaunlich genug, dass ein SPD-Kanzler bei der Veranstaltung zugesagt hat. Doch das 60. Jubiläum der Vereinigung, die nicht zur CDU gehört, aber weitgehend deren Positionen vertritt, war wohl Grund genug. Scholz ist generell nicht verlegen, sich auch auf "feindliches Terrain" zu wagen. Angela Merkel war auch oft da, aber die war ja immerhin von der CDU; wobei das viele der Wirtschaftsvertreter oft nicht erkennen konnten. Zu sozialdemokratisch, war da gern das Urteil.

Der echte Sozialdemokrat muss warten, bis er dran ist. Eine geschlagene Stunde. Dabei kam Scholz erst morgens aus Asien, im Anschluss wartet Luxemburgs Premierminister auf ihn. Erst spricht aber die Präsidentin des Rats, Astrid Hamker, dann der belgische Premierminister Alexander De Croo, dann BASF-Chef Martin Brudermüller. Drei, die einander die Bälle zuspielen, Kritik an der Regierung üben – der eine direkt, der andere indirekt. Und drei, die wissen, wie man den Saal im Berliner Marriott-Hotel für sich einnimmt.

Hamker sieht im Heizgesetz "Planwirtschaft". Allein auf Wind und Sonne zu setzen, findet sie "waghalsig". Großer Applaus. De Croo fordert eine andere europäische Politik, um die Transformation der Wirtschaft zu fördern. "Wir brauchen mehr Zuckerbrot und weniger Peitsche", sagt er. Er fordert einen europäischen Industrie-Deal auf gleichem Level wie der Green Deal zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. Europa sei ein Kontinent der Peitsche, wenn es um die Ermöglichung grüner Investitionen gehe. Die USA hielten mit dem Inflation Reduction Act (IRA) Europa den Spiegel vor, sagt de Croo. Dort fließe öffentliches Geld für saubere Energie und Investitionen.

Da stimmt später Brudermüller ein, der davon spricht, dass der IRA auf einer Seite zusammenfasse, wofür Europas Green Deal mehr als 60 brauche. 60 hoch komplizierte Seiten. "Damit werden die Investitionen nicht nach Europa kommen. Das erhoffte neue Wirtschaftswunder kann so nicht stattfinden." Eine Spitze gegen Scholz, der das neue Wirtschaftswunder zu seinem Markenzeichen machen will. "Man kann mit diesem Regulierungsregime einfach kein Geld verdienen", so Brudermüller. Wieder großer Applaus. Ebenso, als De Croo fordert, dass Kernkraft Teil des Energiemixes sein müsse.

Billige Energie in Hülle und Fülle ist das Ziel aller, auch für Scholz. Der tut sich schwer beim Publikum. Dabei ist, was er sagt, gar nicht so anders. Nur hat man den Eindruck, dass es den Wirtschaftsvertretern an einem fehlt: an Vertrauen in den Kanzler, dass er, was er sagt, umsetzen kann. Scholz spricht als Haupt einer Regierung, die viel streitet. Die teils ideologiegetrieben agiert und weniger dem Pragmatismus und Realitätssinn huldigt, als sich der Kanzler selbst zuschreiben würde.

Scholz erklärt, dass das Land "mehr Mut, mehr Investitionen und mehr Tempo" brauche. Globalisierung bleibe eine Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg. Der Applaus bleibt mau. Obwohl das mancher doch gern hört. Viele Unternehmer fürchten, dass gerade Investitionen in China künftig politisch nicht mehr opportun sein könnten.

Ausführlich geht Scholz auf die Stromproduktion ein. Neue Kernkraftwerke hält er für zu teuer, den dort produzierten Strom ebenfalls. "Aber wir haben nichts dagegen, wenn andere einen andern Weg einschlagen." Scholz will bald nicht mehr von Atomstrom abhängig sein – noch importiert Deutschland ihn etwa aus Belgien. Um dies zu beenden, sollen noch dieses Jahr die Ausschreibung zum Bau neuer wasserstofftauglicher Gaskraftwerke vorangebracht werden. Auch den Netzausbau von Nord- und Ost- nach Süd- und Westdeutschland will Scholz beschleunigen. Dort gebe es bereits "international konkurrenzfähige Strompreise" aus Erneuerbaren.

Prinzipiell strebt er ein energieautarkes Land an. "Wir müssen unseren Strom selbst produzieren können", sagt er. "Die Produktionskapazität muss ausreichend groß sein, um uns selbst unseren Strom zu verschaffen." Immerhin an dieser Stelle erlebt es fast so etwas wie Zuspruch aus dem Saal.

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