Mitten im Einsatz wird Sanitäter Tarik Wasir (Zejhun Demirov) ermordet. Foto: ARD/MDR
Von Katharina Schröder
Dresden. Es ist der elfte Dresdner Tatort, und so langsam finden die Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leo Winkler (Cornelia Gröschel) zueinander. Der Fall handelt von Gewalt im Einsatz von Rettungskräften. Ein aktuelles Thema, Angriffe gegen Sanitäter haben in den vergangenen Jahren stark zugenommnen.
Was ist passiert? Der Rettungssanitäter Tarik Wasir wird mitten in einem Einsatz mit seiner Kollegin Greta Blaschke erstickt. Tatwaffe ist eine Plastiktüte. Kurz darauf gibt es einen weiteren Anschlag auf einen Rettungswagen derselben Wache. Bald dürfen die Sanitäter nur noch mit Polizeischutz ausrücken. Den Rettern schlägt bei ihrer Arbeit so viel Aggression entgegen, dass sie am liebsten bewaffnet in den Einsatz fahren würden. Und auch innerhalb der Wache herrschen nicht unbedingt freundschaftliche Verhältnisse. Bei der Gemengelage ist es nicht leicht für die Kommissarinnen, Motiv und Verdächtige zu ermitteln.
Worum geht es wirklich? Um Machtlosigkeit. In diesem Dresdner Tatort sind eigentlich alle irgendwann mal völlig überfordert mit einer Situation und hilflos: Sanitäter, die nichts mehr tun können, um einen Menschen zu retten, Polizisten, die Sanitäter nicht schützen können, Eltern, die ein Kind verlieren – und das ist noch nicht einmal alles. Doch alle gehen damit unterschiedlich um, mal besser, mal schlechter.
Wie schlagen sich die Kommissarinnen? Gut. Auch wenn das anfangs noch gar nicht so aussieht. Gorniak ist noch angefressen, weil Winkler sie nicht im Krankenhaus besucht hat. Schließlich lag sie dort, weil Winkler in einem vorangegangenen Einsatz bei einem Angriff auf Gorniak nicht zu Waffe gegriffen hatte. Der Konflikt zwischen den beiden schwelt die ganze Zeit im Hintergrund. Als er endlich ausgesprochen und mit trockenem Humor beigelegt ist, wachsen Gorniak, Winkler und Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel einmal mehr zu einem gut funktionierenden Team zusammen.
Was ist die Stärke dieses "Tatort"? Dieser Tatort schafft es, Empathie beim Zuschauer auszulösen. Er ist dramatisch, aber nicht nervig, und das Thema Gewalt gegen Sanitäter wird in aller Deutlichkeit behandelt. Gleichzeitig übertönt das Verhältnis zwischen den Kommissarinnen nicht die Handlung, wie bei manch anderem Tatort.
Was sind die Schwächen? Es gibt nicht viele. Aber vielleicht legt "Rettung so nah" den Finger in zu viele Wunden gleichzeitig. Nicht jedes aufgerissene Drama ist handlungstragend, und es erscheint teilweise so, als würden sich die harten Schicksale und ungerechten Wendungen gegenseitig überbieten wollen.
Und sonst noch? Die Dreharbeiten liefen zwischen Mitte März und Mitte Juni 2020. Corona spielt in diesem Tatort zwar keine Rolle, wohl aber die Grippe. Der Pandemie-geplagte Zuschauerkopf schreit am laufenden Band "nein", wenn schon wieder jemand schnupfend und niesend ganz ohne Mindestabstand im Büro auftaucht. Wie Regisseurin Isabel Braak verrät, waren Corona-Tests und Fiebermessen am Set jedoch Alltag. Und es gab es einen Hygienebeauftragten.
Was kann man vom "Tatort" fürs Leben lernen? Mentale Gesundheit ist wichtig. Man sollte auf sich achten, bevor man sich plötzlich in einem Drogen- oder Mordproblem wiederfindet.
Sonntag, 20.15 Uhr, lohnt es sich einzuschalten? Auf jeden Fall. Es ist ein spannender Tatort, der harte Themen angeht. Gleichzeitig nimmt der für Dresden typische, trockene Humor dem Ganzen ein bisschen die Schwere, ohne die Geschichte aber ins Lächerliche zu ziehen.