Hintergrund

01.11.2019 UPDATE: 01.11.2019 20:30 Uhr 1 Minute, 15 Sekunden

Von der ersten Minute an gehörte ihm die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Saša Stanišić, Träger des Deutschen Buchpreises 2019, las im Martin-Luther-Haus aus seinem aktuellen und prämierten Roman "Herkunft". "Es ist immer ein toller Moment, wenn ich weiß, dass Du in Dossenheim bist", sagte Gerd Hammer vom Freundeskreis der Gemeindebücherei, der Stanišić erneut an die Bergstraße gelockt hatte.

Auch Stanišić war angetan, er freue sich in Dossenheim zu lesen. "Es gibt immer Geschenke, meist Wein", stellte er fest und brachte den Saal zum Lachen: "Da ist dann die Frage, ob man mich hier immer in einen Zustand bringen will, in dem ich gar nicht mehr lesen kann." Die Stimmung sollte für den Rest des Abends erhalten bleiben. Das schwierige Thema der Identitätssuche, und der Verarbeitung von Flucht und Ankunft vermittelte Stanišić mit einer gewissen Leichtigkeit.

Ein Drittel des Buchs "Herkunft" spiele laut Stanišić in Heidelberg und Umgebung. "Heute Abend lege ich den Schwerpunkt auf die Teile aus dieser Region", sagte er. "Herkunft" ist ein autobiografischer Roman, der viele Fragen stellt. Er erzählt von dem Zufall irgendwo geboren worden zu sein, über Heimaten und Erinnerungen.

Die Zuschauer waren begeistert, allein weil sie die Schauplätze kannten. Die Ortenauer Straße in Heidelberg, eine Tankstelle auf dem Emmertsgrund oder die Weinberge. Stanišić erzählte seinem Publikum eher was er geschrieben hatte, statt es nur vorzulesen. Er gestikulierte mit Armen und Händen, pointierte mit starker Stimme und Momenten der Stille. Er brachte sein Publikum zum Lachen und erzeugte im nächsten Moment einen Bruch, der an den Hintergrund des Krieges, der Flucht und das "Noch-Fremdsein" erinnerte. "Er transportiert eine sehr ernste Thematik mit einer Leichtigkeit - und dann kommt ein Nebensatz, der einem in die Magengrube sackt", sagte Zuschauer Björn Seilheimer. "Wir sind jedes Mal dabei, wenn er hier liest, er hat einfach so eine sympathische Art", meinte Sabine Lang.

Stanišić schloss mit einer Lesezugabe und der Anmerkung: "Ich signiere wahnsinnig gerne." Das ließ sich das Publikum nicht zweimal sagen. (krs)