Auf lebhaftes Interesse stießen die Führungen des Landesdenkmalamtes durch das historische Areal der ehemaligen Landfried-Zigarrenfabrik in Dielheim. Bis 2010 wurde hier noch produziert. Foto: Pfeifer
Von Paul Körner
Dielheim. Zum 25. Mal fand am vergangenen Sonntag der Tag des offenen Denkmals statt. Ziel dieses Tages ist es, die Öffentlichkeit für die Bedeutung alter und historischer Kulturgüter zu sensibilisieren. Unter den mehr als 7500 historischen Gebäuden und Denkmälern, die an diesem Tag bundesweit ihre Pforten öffneten, befand sich auch die ehemalige Zigarrenfabrik Landfried in Dielheim. Vom Landesdenkmalamt war die Gebietsreferentin Dr. Ruth Cypionka angereist, um mit den zahlreich anwesenden Besuchern bei drei Führungen in die Baugeschichte des großen Gebäudekomplexes einzutauchen.
Bereits im Jahre 1856 hatte der Heidelberger Unternehmer Philipp Jakob Landfried hier am Ort in der Haimbachstraße, der heutigen Landfriedstraße, eine Betriebsstätte für die Zigarrenproduktion errichtet. Es war der erste Fabrikneubau, der in Dielheim entstand. Die Ansiedlung dieses Unternehmens kam für den strukturarmen Ort wie ein "warmer Regen", denn die Menschen führten ein karges Leben und ernährten sich aus der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.
Mit der landfriedschen Ansiedlung erlebte das Dorf im Leimbachtal einen ungeahnten wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung, wie sich in den Folgejahren herausstellte. Waren es bei der Gründung noch circa 250 überwiegend weibliche Beschäftigte, die Brot und Arbeit fanden, verlangte die boomende Zigarrenindustrie bald eine stetige räumliche Erweiterung der Produktionsstätte für bis zu 400 Beschäftigte. Große Arbeitssäle, in denen bis zu 120 Werktätige Zigarren herstellen, wurden erforderlich in einer Umgebung, die mit dem Tabakstaub indes alles andere als gesundheitsfördernd war.
In den einstigen Produktionshallen konnten die Besucher unter sachkundiger Führung von Dr. Ruth Cypionka nachempfinden, wie hier einst gearbeitet wurde. Foto: Pfeifer
Sicherlich wurde das eine oder andere getan, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Fenstergewände wurden zum Zwecke eines besseren Lichteinfalls entsprechende abgeflacht, wie am Sonntag bei der Führung festzustellen war. Die gut erhaltene Holzvertäfelung an den Saalwänden strahlte eine gewisse "Arbeitsromantik" aus, und die noch original erhaltenen Fenster selbst zeugen von einer guten Qualitätsarbeit in der damaligen Zeit. Das unglaublich stattlich wirkende Fabrikareal zeigt sich bis heute in einem guten Zustand.
Zum Gebäudeensemble zählt auch ein immer noch bewohntes Haus mit bürgerlichem Charakter, das den leitenden Angestellten der Firma Landfried früher als Unterkunft zur Verfügung stand. Getrennt durch eine noch original gepflasterte Hofeinfahrt, schließt sich entlang des weiteren Straßenverlaufs das dreigeschossige Fabrikgebäude aus dem Jahre 1856 an. Der aus gelblichem Sandstein-Quader hergestellte Bau, mit neun mal drei Fensterachsen, sticht sofort ins Auge. Straßenseitig zu sehen ist auch ein aus Sandstein gehauener Torbogen, der allerdings zugemauert ist. Hier befand sich ab dem Jahre 1882 die Einfahrt zu einer "Transitfabrik". Zum Zwecke der Steuervermeidung wurden hier unter strenger Aufsicht eines Steueraufsehers zollfreie Übersee-Tabake eingeführt, welche nach der Bearbeitung von 100 Beschäftigten als Export-Zigarren in den Handel kamen.
An dem Gebäudeensemble sind die verschiedenen Bauabschnitte deutlich erkennbar. Foto: Körner
Diese Geschäftsidee hatte wohl keinen Bestand, trotzdem boomte das Geschäft mit vorwiegend badischem Tabak weiter. Der Bau des ebenfalls dreigeschossigen Erweiterungsflügels im Jahre 1878, erfolgte daher fast zwangsläufig. Deutlich erkennbar in der Außenbetrachtung: die Verwendung von anderen Bausteinen bei dieser Erweiterungsmaßnahme.
Der letzte Anbau datierte aus dem Jahre 1910. In eingeschossiger Bauweise erstellt, wurde der Backsteinbau den bisherigen Gebäuden vorgelagert und mit Shed- oder "Sägezahn"-Dächern versehen. Diese sorgten für helles Licht bei der Arbeit - und das bis zum letzten Tage, denn dort fand die traditionsreiche Dielheimer Zigarrenproduktion im Jahre 2010 ihr Ende. Bis zuletzt hatten zehn Beschäftigte mit der Herstellung hochwertiger Zigarren und der Produktion von Zigarrenkistchen aus Zedernholz versucht, dem sich abzeichnenden Ende entgegenzuwirken.
Die letzte Betriebsstätte der Firma Landfried ereilte nun das gleiche Schicksal wie die anderen regionalen Standorte schon Jahrzehnte zuvor. Aber die Erinnerung lebt weiter, besonders an solchen Tagen wie am vergangenen Sonntag, wo Dr. Cypionka dem großen Besucherinteresse vollauf gerecht wurde und seltene Einblicke in einen Teil der Dielheimer Ortsgeschichte gewährte.