Von Hans-Dieter Siegfried
Wiesloch. Kein Trainingsbetrieb, keine Proben, Hallen und Sportanlagen sind geschlossen und auch all jene, die sich kulturell betätigen wollen, sind wegen der Corona-Pandemie ausgebremst. Die RNZ hat beim größten Sportverein, der TSG Wiesloch, nachgefragt, wie diese schwierige Phase vor allem unter finanziellen Gesichtspunkten gemeistert werden kann. Ebenso beim Marionettentheater, das sein Domizil im Alten Stadtbahnhof hat.
"Wir haben, so unsere Berechnungen, zur Zeit etwa 20 Prozent weniger in unseren Kassen als zu normalen Zeiten", so Manfred Walter vom Vorstand der TSG. Viele Veranstaltungen, mit denen man sich vor Corona ein finanzielles Polster schaffen konnte, sind in den zurückliegenden Monaten zwangsläufig abgesagt worden. "Sei es der Stadtlauf oder unsere Teilnahme an ,Wein und Markt’ und am Stadtfest: Das alles musste ausfallen und da haben wir stets doch einiges eingenommen", stellte Walter fest.
Jetzt kam eine weitere Hiobsbotschaft hinzu: Das Pächterehepaar Schmidt aus Mannheim hat den Vertrag der Stadiongaststätte gekündigt. "Die Miete macht rund zehn Prozent unserer Einnahmen aus und die fallen jetzt ebenfalls weg", musste der Vorstandschef der TSG konstatieren. Zwar habe man einen längerfristigen Vertrag geschlossen, aber aufgrund der Gegebenheiten nicht auf der Einhaltung bestanden. Wie man die jetzt leeren Räumlichkeiten künftig nutzen will, wird im Verein derzeit diskutiert. "Wir arbeiten an einem Konzept", kündigte Walter an. So könnten Möglichkeiten für Tagungen entstehen oder ein Fitnessraum. "Da ist noch nichts entschieden."
In Sachen "Mitglieder" gibt es jedoch Erfreuliches zu berichten. "Wir haben kaum Kündigungen wegen Corona und dem dadurch stark minimiertem Angebot. Wir sind stolz auf die Solidarität unserer großen TSG-Familie", berichtete die TSG-Geschäftsführerin Ann-Kathrin Bentner. Der Zusammenhalt sei groß – aber auf der anderen Seite seien keine Neuanmeldungen zu registrieren. "Wir hatten im Schnitt in der Vergangenheit pro Jahr rund 300 Personen, die neu zu uns gestoßen sind, das fällt jetzt im Moment komplett weg", betonte Bentner. Jetzt liegen die Hoffnungen auf einem mittelfristigen Abklingen der Pandemie und vor allem ist man bei der TSG mit Blick aufs kommende Frühjahr bedingt zuversichtlich. "Dann können wir wieder raus, aber das wird wohl frühestens im März 2021 der Fall sein", sagte Bentner.
Über Wasser hält man sich durch die Mitgliedsbeiträge und durch Zuschüsse beispielsweise vom Badischen Sportbund, auch die Stadt Wiesloch hat sich großzügig gezeigt und Gelder für Jugendliche nicht gekürzt. "Was uns besonders mit Stolz erfüllt, ist die Tatsache, dass unsere Übungsleiter und die zahlreichen Helfer bei der Stange bleiben", freute sich Walter.
In der Geschäftsstelle wird derzeit trotz fehlender Aktivitäten fleißig gearbeitet. "Wir erstellen neue Strukturen und Abläufe, wollen den Seniorensport intensivieren und das Angebot für Kinder noch erweitern", beschrieb Bentner die derzeit laufenden Tätigkeiten. Gerade bei den Kleinen sei es wichtig, etwas anzubieten. Denn durch Corona seien viele zu Hause. "Wir befürchten eine Entwöhnung vom Sport und da wollen wir gegensteuern". Betroffen sind in der momentanen Situation bei der TSG all jene, die normalerweise in einem Spielbetrieb unterwegs sind. Ob Hand- oder Volleyballer – die Spielrunden sind alle komplett abgesagt und auch Training ist nicht möglich. "Da schauen viele neidisch in den Profibereich, dort kann ja gespielt werden", so Walter. Aber nicht nur auf der finanziellen Seite drückt der Schuh bei der TSG. "Es fehlen Hallenkapazitäten und dies schon lange", kritisierte Walter. Da müsse mittelfristig endlich etwas geschehen.
Bezogen auf das kommende Jahr wolle man Mut und Zuversicht nicht verlieren, die Planungen seien unter den gegebenen Bedingungen allerdings mehr als schwierig. "Wir wissen nicht, was wir 2021 letztendlich machen können und dürfen, welche Veranstaltungen in den Kalender aufgenommen werden und wie sich die Situation bei unseren Sponsoren darstellen wird."
„Am Rande von Bethlehem“: Die Heiligen Drei Könige aus dem Weihnachtsstück des Wieslocher Marionetten-Theaters sind, da derzeit keine Aufführungen stattfinden können, im Schaufenster des alten Stadtbahnhofs zu sehen. Foto: privatFür Sandra Gayer, die seit 2014 das Marionetten-Theater im Alten Stadtbahnhof leitet, steht ebenfalls das kommende Jahr im Blickpunkt. "Bei uns geht derzeit nichts", räumte sie ein. Aufführungen können nicht durchgeführt werden, aber das kleine Ensemble (zehn Mitspielerinnen und Mitspieler) steckt den Kopf nicht in den Sand. "Wir treffen uns regelmäßig in Zweierteams und hoffen auf das Frühjahr."
Da wolle man, mit Unterstützung der Stadt, vielleicht im Freien Aufführungen anbieten und dafür sorgen, dass das Marionettentheater nicht in Vergessenheit gerät. Da man derzeit nicht spielen kann, kommt auch kein Geld herein: "Unsere Rücklagen sind endlich", sagte Gayer. Unlängst ging eine Treppe am Bühnenbereich kaputt. "Wir erhielten von der Volksbank für die Reparatur 700 Euro, das war für uns ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk", meinte Gayer.
Aber auch die laufenden Kosten müssen bestritten werden. "Da wird es zunehmend schwieriger", erklärte Gayer. Und wenn es irgendwann weitergehen sollte, könne man in dem kleinen Zuschauerraum anfänglich sicher keine 40 Besucher wie bisher unterbringen. Dennoch ist das Engagement des kleinen Teams ungebrochen. "Wir arbeiten an einem neuen Logo für uns und wollen uns nach der Pandemie neu präsentieren."
Wie Gayer ausführte, ist man derzeit dabei, neue Texte zu erstellen, um dann irgendwann wieder vor Publikum auftreten zu können. "Wie gesagt: Wir hoffen auf eine Art Freiluftsaison und da ist uns vom Kulturamt der Stadt jegliche Unterstützung angeboten worden, denn nur so können wir überleben."
Um nicht ganz in Vergessenheit zu geraten hat sich das Marionetten-Theater etwas einfallen lassen. "Unser Weihnachtsstück ,Am Rande von Bethlehem’ ist eine Geschichte, in der die Randpersonen auftreten und ihre Ansichten und Gedanken zu dem Geschehen in Bethlehem äußern." Normalerweise wird das Stück immer traditionell am ersten Adventssonntag aufgeführt. Aufgrund der Pandemie war das nicht möglich und nun sind die Figuren im Schaufenster im Alten Bahnhof zu sehen. Die Geschichte endet mit den Worten: "Die Liebe wird die Welt verändern" – eine Aussage, die nach Ansicht von Sandra Gayer den Zeitgeist betrifft.