St. Leon-Rot. (rö) Wenn am Freitag in Frankreich die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen angepfiffen wird, fangen im Förderzentrum für Mädchen- und Frauenfußball in St. Leon-Rot gerade die Ferien an. Das ist nicht geplant, sondern reiner Zufall: Am Wochenende stehen noch letzte Turniere an, dann ist die Saison zu Ende und in der ersten Juliwoche beginnt schon wieder die neue Spielzeit.
"Die Pause liegt gut für unsere Spielerinnen", freut sich Sarah Böser (für den Bereich "Schule" zuständig), beginnen doch morgen auch die zweiwöchigen Pfingstferien. Die WM wird natürlich trotzdem aufmerksam verfolgt: "Wir drücken der deutschen Mannschaft die Daumen fürs Finale", sind sich Juniorinnenkoordinator Carsten Lehmann und Sarah Böser einig.
Carsten Lehmann und Sarah Böser stellten sich für die RNZ an den Tischkicker und gewährten Einblicke. Foto: RößlerEin fünfköpfiges Team aus hauptamtlichen Mitarbeitern um Leiter Ralf Zwanziger ist im 2009 eröffneten Förderstützpunkt von "Anpfiff ins Leben" für aktuell vier Juniorinnenmannschaften der TSG Hoffenheim zuständig, von der U13 bis zur U17, das sind aktuell ungefähr 85 junge Fußballerinnen. Eine U11 ist in Planung. Dazu kommen die beiden Frauenmannschaften, die hier ebenfalls trainieren.
Die Bundesliga-Damen tragen ihre Spiele im Hoffenheimer Dietmar-Hopp-Stadion aus, die U20-Mannschaft, die in der Zweiten Bundesliga antritt, spielt in St. Leon. Das Förderzentrum hat zwei Rasenplätze, der benachbarte VfB einen Kunstrasen- und einen Rasenplatz, mit einem gemeinsamen Belegungsplan der Spielfelder ist für ein "gutes Miteinander" gesorgt.
"Das klappt hervorragend", sagt Lehmann. Für den Nachwuchs hat das den großen Vorteil, die Bundesliga-Spielerinnen praktisch täglich in Aktion zu erleben. "Da sehen sie, wo sie hin möchten", meint Lehmann, "auf dem gleichen Platz zu trainieren und zu spielen, ist schon ein Ansporn".
Sarah Böser ergänzt: "Die unmittelbare Nähe der Juniorinnen zu den Frauen war uns immer wichtig." Auch deshalb seien alle Teams "am selben Fleck" versammelt. Während die U17 übrigens in der Juniorinnen-Bundesliga antritt, spielen die U15 und die U14 gegen gleichaltrige Jungs - "da werden sie richtig gefordert", so Lehmann.
Ganz wichtig ist den Verantwortlichen gerade im Frauen- und Mädchenfußball das Förderkonzept von "Anpfiff ins Leben" mit seinen vier Säulen "Sport", "Schule", "Beruf" und "Soziales". Anders als im Männerbereich können die wenigsten Fußballerinnen mit dem runden Leder genug Geld verdienen, um davon auch nach der Karriere noch leben zu können. "Wir legen deshalb viel Wert auf die Schule", sagt Carsten Lehmann.
Das Förderzentrum für Mädchen- und Frauenfußball von „Anpfiff ins Leben“. Foto: RößlerSarah Böser erläutert, dass man schon bei der Verpflichtung von Spielerinnen von Anfang an klar darauf hinweist, "dass es uns nicht nur um Fußball geht". Deshalb sei es wichtig, "dass die Mädels mitziehen und das auch leben". Eine gute schulische Grundausbildung sei die Voraussetzung, damit die Sportlerinnen später auch ihren individuellen Weg ins Berufsleben finden. Dank der vielen Partner im Netzwerk von "Anpfiff ins Leben" könne man auch hier mit Praktika und mehr wertvolle Unterstützung leisten.
Die meisten Nachwuchsspielerinnen, die in St. Leon-Rot gegen den Ball treten, kommen aus der Metropolregion, lediglich zwei sind zur neuen Saison von weiter her und deshalb in Gastfamilien untergebracht. Wie wird ein Mädchen Fußballerin der TSG Hoffenheim? "Ich bin viel auf den Plätzen unterwegs und sehe Spiele", beginnt Carsten Lehmann üblicherweise im November/Dezember mit der Planung für die kommende Runde. Dann werden Spielerinnen zum Probetraining eingeladen und man sieht, ob es passt.
Lehmann, der selbst bis zur Oberliga aktiv gewesen ist und seit 2011 im Förderzentrum wirkt, spricht vom "Gespür", das man über die Jahre entwickelt, "man weiß dann schon, das Potenzial einzuschätzen". Vom "anderen Blickwinkel" durch die eigene Erfahrung spricht Sarah Böser: "Jeder Mitarbeiter hier hat selbst gespielt", sie wie auch ihre Kollegin Lena Forscht (für den Bereich "Beruf" verantwortlich) übrigens bei der TSG. "Da hat man schon das nötige Fingerspitzengefühl", sagt sie.
Wenn es dann von den Auserwählten jemand zu den Frauen schafft, sei das "schön", meint Carsten Lehmann, der sich für jedes Mädchen freut, "das irgendwo oben spielen kann". Natürlich gibt es auch die Kehrseite der Medaille: "Oft passt es menschlich, aber sportlich muss eine Entscheidung getroffen werden."
Dass es bei der TSG Hoffenheim auch im Juniorinnenbereich um Leistungssport geht, werde von Anfang an offen kommuniziert, "es kann am Ende der Saison immer zu Ende sein", so Lehmann. Das sei dann zwar oft "schade", aber aus sportlicher Sicht nicht anders zu handhaben.
Mit Zwischenstandsgesprächen im Winter und nochmals an Ostern versucht man, den Sportlerinnen einen realistischen Blick auf ihren Leistungsstand zu geben, sodass niemand aus allen Wolken fällt, wenn es nicht weitergehen sollte.
Und dann? "Bis zur U15 spielen fast alle bei anderen Vereinen weiter", ab der U17 sei die Quote derjenigen, die die Kickschuhe an den Nagel hängt, dann höher. Dafür gibt es neben der Enttäuschung aber auch weitere Gründe: Ab 16 spielt man bei den Frauen, eine größere Herausforderung als gegen Gleichaltrige, oft geht auch die Schule in die entscheidende Phase.
"Fallen gelassen" werde aber niemand, betont Sarah Böser. "Das Drumherum", die Unterstützung für Schule und Beruf, können auch ehemalige Spielerinnen nutzen, "solange sie möchten". Die Förderung gehe bewusst "über den Tellerrand hinaus".