PZN-Geschäftsführerin Anett Rose-Losert (li.) und Angehörigen-Vertreterin Barbara Mechelke unterzeichnen die Vereinbarung zur Angehörigen-Arbeit des PZN. Mit dabei waren auch Psychologe Ludwig Papp, der Angehörigen-Gruppen am PZN betreut, und Elisabeth Dilly, die eine Forensik-Angehörigen-Gruppe organisiert hat (re.). Fotos: Pfeifer
Wiesloch. (oé) Es gab Zeiten in der Psychiatrie, da haben sich die Angehörigen von Patienten "als Störenfried gefühlt", erinnert sich Barbara Mechelke. Die Vorsitzende des "Landesverbands der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen" weiß, wovon sie redet. Als Mutter eines Sohnes, der immer wieder zur Behandlung in einer psychiatrischen Klinik war, hat sie über 20 Jahre Erfahrung mit dem Thema. Früher, so erzählt sie, seien Angehörige "nicht so gerne gesehen gewesen", Arztgespräche habe man sich regelrecht "erkämpfen" müssen. Seither hat sich jedoch viel geändert. Als ihr Sohn vor zwei Jahren wieder in die Klinik musste, sei alles "ganz anders" gewesen. Nun waren Arztgespräche jederzeit möglich.
Dies ist wohl auch eine Folge des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes, das im Januar 2015 in Kraft getreten ist. Es stärkt nicht nur die Rechte der Patienten, sondern verbessert auch die Einbindung von Betroffenen und Angehörigen. Dennoch sieht der aktuelle Landespsychiatrieplan hier noch weiteren "Handlungsbedarf". Die Angehörigen werden in dem Papier als "wichtige Säule" und "ernst zu nehmender und aktiver Partner im Hilfesystem" bezeichnet.
Das PZN in Wiesloch hat diese Vorgaben aufgegriffen und will in der Angehörigen-Arbeit künftig eine Vorreiterrolle einnehmen. Soeben haben PZN-Geschäftsführerin Anett Rose-Losert und Barbara Mechelke, die als Vorsitzende des Landesverbands der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen rund 1000 Mitglieder und 45 Angehörigen-Gruppen vertritt, eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet - übrigens die erste ihre Art in Baden-Württemberg. Die Kooperation sieht vor, dass die Angehörigen "von der Aufnahme bis zur Entlassung" des Patienten in den Behandlungsablauf eingebunden sind, wie Anett Rose-Losert erläutert. Dabei betont die PZN-Geschäftsführerin die Bedeutung gerade der Angehörigen, bilden sie doch das unmittelbare soziale Umfeld der Patienten.
Aber auch bei künftigen baulichen Planungen soll es eine Teilhabe geben. Auch wenn man vielleicht nicht alles umsetzen könne, so seien die Anregungen der Angehörigen und Betroffenen doch sehr wichtig und man wolle diese vorab hören, unterstreicht die PZN-Geschäftsführerin. Sie spricht mit Blick auf die aktuelle Vereinbarung von einem "ganz wichtigen Schritt der Zusammenarbeit", verhehlt aber auch nicht, dass manches "noch ausbaufähig" sei.
Darin ist sie sich mit den Vertretern der Patienten-Angehörigen einig. So verweist Barbara Mechelke auf die Gefühle der Angst und Verunsicherung bei den Angehörigen, besonders wenn ein Familienmitglied zum ersten Mal in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werde. Umso wichtiger sei es, dass die Angehörigen Vertrauen in das Klinikpersonal gewönnen. Damit sei schon "ganz viel gewonnen".
Elisabeth Dilly kann diese Eindrücke nur bestätigen. Als Sprecherin der Angehörigen-Gruppe von Forensik-Patienten ist ihr bewusst, dass hier das Miteinander wegen des Sicherungsauftrags der Klinik "noch mal schwieriger ist". Auch sie kennt das Gefühl, sich wie ein "Störfaktor" vorzukommen, weiß um die Ängste der Angehörigen und spürte die "gegenseitige große Zurückhaltung, die als Misstrauen interpretiert werden" könne. Hier habe die forensische Klinik in Wiesloch jedoch einen "ganz großen Schritt nach vorne getan", so Elisabeth Dilly.
Inzwischen hat es ihren Worten zufolge bereits zum zweiten Mal einen "forensischen Trialog" gegeben - "Trialog" deshalb, weil hier Betroffene, Angehörige und Professionelle, also Ärzte und Pfleger, zusammen kommen und sich austauschen. Ausdrücklich lobt Elisabeth Dilly die Klinik auch dafür, dass sie der Angehörigen-Selbsthilfegruppe Forensik einen Raum zur Verfügung gestellt hat, wo man sich regelmäßig treffen kann. Ihr Fazit: Die Ideen und die Leitkultur seien da, aber es gebe noch Handlungsbedarf, dies "in den Alltag herunter zu brechen", damit Angehörige wirklich eine "Willkommenskultur" spürten.
Neben den eigenständigen Selbsthilfegruppen der Angehörigen (Barbara Mechelke etwa hat eine solche Gruppe in Bruchsal aufgebaut) bietet auch das PZN selber eine Gesprächsgruppe für Angehörige an. Betreut wird sie von dem Psychologen Ludwig Papp, der seit 1992 am PZN arbeitet und dort bereits vor zwei Jahrzehnten eine Angehörigengruppe initiierte. Nach zögerlichem Beginn hat sich das Angebot mittlerweile fest etabliert - nicht zuletzt deshalb, weil jetzt alle fünf Einzelkliniken des PZN einbezogen sind, wie Papp erläutert.
Seinen Worten zufolge trifft man sich inzwischen regelmäßig zweimal im Monat (immer am ersten und dritten Mittwoch eines Monats). Es handle sich um eine "offene Gruppe", auch wenn einige Besucher regelmäßig kämen. Das Angebot sei bewusst "sehr niederschwellig" gehalten und wolle die Angehörigen "dort abholen, wo sie Fragen haben". Vor allem eines ist dem Therapeuten dabei wichtig: den Angehörigen die Angst zu nehmen, sie seien an der Erkrankung ihres Familienmitglieds schuld. Er wolle vermitteln, dass die Patienten nicht unter einer "geistigen Erkrankung" litten, sondern es sich vielmehr um eine körperliche, organische Erkrankung handele: nämlich eine Stoffwechselstörung des Gehirns.