Philippsburg/Graben-Neudorf

Das Mühlenareal soll aus dem Dornröschenschlaf erwachen

Das historische Baudenkmal "Schönborner/Neudorfer Mühle" soll zum attraktiven Ausflugsziel in der Region werden.

14.07.2020 UPDATE: 15.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
Die Überreste der Mühle nach dem verhängnisvollen Brand 1995. Foto: Hans-Joachim Of 

Von Hans-Joachim Of

Philippsburg/Graben-Neudorf. "Wenn es einer schafft, das Areal und den Gebäudekomplex wieder in voller Schönheit erstrahlen zu lassen, dann Dieter Rauh", sagt Historiker und Stadtführer Ekkehard Zimmermann aus Philippsburg. Die Rede ist von der Schönbornmühle an der Landesstraße zwischen Graben-Neudorf und Waghäusel, in der Region eher als "Neudorfer Mühle" bekannt.

Bereits im Jahre 2008 hatte die Rauh-Gruppe mit Dieter, Christian und Victoria Rauh aus Philippsburg als künftige Eigentümer und Projektträger der Schönbornmühle GmbH das rund ein Hektar große Areal am Saalbach für eine Investitionssumme von 3,5 Millionen Euro erworben. Auf dem Areal lockte lange Zeit ein gut gehendes Lokal zahlreiche Gäste an, seit einem verhängnisvollen Brand am 29. Januar 1995, bei dem der Anbau völlig zerstört wurde und der Dachstuhl niederbrannte, zeugen nur noch Außenmauern und Teile der Fassade von der einst barocken Mühle. Man vermutete damals Brandstiftung, doch die Täter konnten nie ermittelt werden. Seither liegt der Komplex im Dornröschenschlaf und wartet darauf, erweckt zu werden.

Das Bild zeigt eine historische schwarz-weiß Aufnahme der „Neudorfer Mühle“ aus dem Jahr 1925. Repro: Hans-Joachim Of

Dazu muss man wissen, dass die auf Philippsburger Gemarkung befindliche Schönbornmühle bis zur weitestgehenden Zerstörung als Kulturdenkmal ausgewiesen war. Die Errichtung geht – wie alte Baupläne und Überlieferungen belegen – auf die Jahre 1739/40 zurück, wobei mehrere Um- und Erweiterungsbauten zu verzeichnen waren. "Heute noch vorhanden ist der 1773 von den Domherren zu Speyer genehmigte Betsaal im alten Kellergewölbe", wie Ekkehard Zimmermann erklärt. Die Pilger hätten auf dem Weg zum Kloster Waghäusel hier noch einen Halt eingelegt, auch um Pferde zu wechseln oder ihre Kutschen unterzustellen. Weitestgehend erhalten ist allerdings auch der Giebel des Hauptgebäudes.

Der Standort mit seiner langjährigen, gastronomischen Tradition auf der Verbindungs- und früheren Handelsstraße von Karlsruhe nach Schwetzingen soll nach den Plänen der Investoren aus Philippsburg nach dem Wiederaufbau als Gastronomie-Betrieb mit Biergarten unter Bäumen und einer Theaterbühne der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies wurde bereits im Dezember 2008 im Bebauungsplan der Stadt Philippsburg festgeschrieben. "Zielgruppe sind Familien, Ausflügler, Radfahrer sowie Natur- und Heimatfreunde", betont Christian Rauh.

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Heute fehlt die Kreuzigungsgruppe in der Fassade. Die Investoren haben sie gesichert, damit sie später zu einem Blickfang werden kann. Foto: Hans-Joachim Of 

"Wir sind hier in der Region sehr verwurzelt und lieben unsere Heimat", betont Diplomingenieur Dieter Rauh, sein Sohn Christian Rauh, ergänzt: "Nicht zuletzt durch die derzeitige Entschleunigung durch Corona haben wir festgestellt, wie wichtig den Menschen regional gut erreichbare Ausflugsziele sind." Die bisherige Zusammenarbeit mit den verschiedenen Interessensgruppen wie Kommunen, Ämtern oder Nachbarn sei positiv und man gehe davon aus, dass Themengebiete wie "Abwasserproblematik" und "Verkehrsbelastung an der viel befahrenen B 36" jetzt schnell gelöst werden können. Auch Philippsburgs Bürgermeister Stefan Martus wünscht sich, dass in diesem "Vierländereck" bald wieder Leben einkehrt. Denn an der Kreuzung stoßen die Gemarkungen von Philippsburg, Graben-Neudorf, Waghäusel-Wiesental und Bruchsal/Hambrücken aufeinander.

Hintergrund

Kaiserin Sissi machte 1884 in der Neudorfer Mühle Station

Die Romantik verklärt vielerorts die "Mühlen am rauschenden Bach", doch die Wirklichkeit sah häufig anders aus: Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich an einer äußerst verkehrsgünstigen Stelle

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Kaiserin Sissi machte 1884 in der Neudorfer Mühle Station

Die Romantik verklärt vielerorts die "Mühlen am rauschenden Bach", doch die Wirklichkeit sah häufig anders aus: Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich an einer äußerst verkehrsgünstigen Stelle zwischen Neudorf und Wiesental eine Mühle und Ziegelhütte zu einem kleinen Wirtschaftszentrum am Bruhrain entwickelt.

Baubeginn der sogenannten Schönborn- oder Neudorfer Mühle war 1740, wie aus dem Heimatbuch Neudorf hervorgeht. Neudorf profitierte damals vom Ende der Engelsmühle in Philippsburg, die 1734 während des polnischen Erbfolgekrieges mit der Belagerung Philippsburgs durch französische Truppen in Rauch aufgegangen war.

Schon im Mittelalter war im Interesse der Konsumenten schärfste Beaufsichtigung der Mahlvorgänge angezeigt. Müller waren nur selten selbstständige Handwerker, sondern viel mehr Pächter oder Erblehnsleute. Der Mühlbetrieb war frühzeitig "Hoheitsrecht" geworden, bereits seit dem 12. Jahrhundert drehte sich an fast allen schiff- und flößbaren Strömen im späteren Baden ein Rad an einer Wassermühle. Tatsache ist, dass zu dieser Zeit, wie alten Schriften zu entnehmen ist, "an einem architektonisch imponierenden Bau in handwerksmäßigem Barock mit dem Saalbach, auch Mühlbach genannt, ein Schifffahrtskanal bis zum Rhein" bestand. Unmittelbar daneben floss der Saugraben.

1756 ist belegt, dass Franz Christoph von Hutten die Mühle an einen Anton Cordell, zugleich Oberschultheiß von Huttenheim, überschrieb. In der Urkunde heißt es: "Wir, Frantz Christoph Bischof zu Speyer, bekennen hiermit, bewogen worden zu sein, dem Anton Cordell Temporalbestände der uns und unserem fürstlichen Hochstift eigentümlich zugehörigen Mahl-, Öl- und Hirsenmühle unweit dem Dorf Neudorf und der Bruchsaler Bach gelegen, gedachte Mühle mit dazu gehörigen Stallungen, Ziegelhütten, Gärten und Weinschank in einen Erbstand zu verleihen". Bis 1959 hatte ein Mitglied der Großfamilie die Mühle betrieben, die dann auch Gasthaus wurde und zwei Jahrhunderte lang nicht nur die Geschichte des Mühlenwesens sondern auch ein turbulentes Kapitel Zeitgeschichte des Bruhrains schrieb. 1884 hatte hier sogar Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn die Kaiserin von Österreich – besser bekannt als Sissi – "begleitet von einem Diener, zu Pferde von Heidelberg kommend", an der Neudorfer Mühle Station gemacht. Ernst Rudolf Woll war dann der letzte bekannte Müller auf der Mühle, die für den ganzen Raum bedeutend war. (Of) 

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Der Verwaltungschef der früheren Garnisonsstadt hat noch eine kleine Anekdote parat: "Zusammen mit Hans D. Reinwald, dem früheren Bürgermeister von Graben-Neudorf, wollten wir schon vor Jahren unseren runden Geburtstag, den wir am gleichen Tag begehen, im Gasthaus der Schönbornmühle feiern." Martus setzte dadurch auch Dieter Rauh ein wenig unter Druck, doch die Realisierung des historischen Ensembles scheiterte bislang an bürokratischen Hürden. Jetzt hofft Martus, dass der Aufbau endlich Fahrt aufnimmt und bekundet: "Ich habe den Gedanken, meinen nächsten runden Geburtstag dort feiern zu können, noch nicht aufgegeben."

Ort des Geschehens

Auch Graben-Neudorfs aktueller Rathauschef Christian Eheim würde einen Gastronomiebetrieb als Anziehungspunkt sehr begrüßen und sagt: "Es wäre ein Gewinn und eine Aufwertung für den ganzen Raum." Waghäusels Oberbürgermeister Walter Heiler, der schon zu seiner Zeit als Landtagsabgeordneter mit der Thematik konfrontiert war, meint: "Ein historisch wertvolles Gebäude. Gut, dass jetzt etwas passiert, denn es wäre schade, wenn es eine Bauruine bliebe."

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