Katja Berghaus stellte ihr Forschungsobjekt bei einem Vortrag in Walldorf vor: den Lingcod, einen "sehr coolen" Fisch, wie die Forscherin findet. Foto: Getty Images
Von Sabine Hebbelmann
Walldorf. In einer Hütte ohne fließend Wasser leben und "Monster der Meere" im kalten Alaska untersuchen? Wer macht denn so was? Katja Berghaus wollte schon als Kind Meeresbiologin werden. Die 27-Jährige ist in Walldorf aufgewachsen, hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Angewandte Biologie, Zoologie und molekulare Zellbiologie studiert und im Herbst an der University of Alaska in Fairbanks eine Doktorarbeit im Bereich Fischerei begonnen. Für den Naturschutzbund (Nabu) Walldorf-Sandhausen hielt sie einen Vortrag über ihr Forschungsobjekt: den Lingcod. Ein beliebter Angler-, aber auch kommerziell ausgebeuteter (Grundnetz-)Fisch.
Die Meeresbiologin Katja Berghaus aus Walldorf. Foto: HebbelmannUnter den zahlreichen Zuhörern im Sängersaal des "Pfälzer Hofes" sind ihre besten Freundinnen, alte Klassenkameraden sowie Studienkollegen vom KIT. In ihrem launigen Vortrag beschreibt Katja Berghaus den Fisch als "Couch Potato", denn er hat keine Schwimmblase und sinkt daher auf den Grund des flachen Riffes, wo er gut getarnt durch seine braunen Flecken auf Beute wartet.
Das "Riesenvieh" könne 1,5 Meter lang, fast 60 Kilogramm schwer und über 20 Jahre alt werden, erzählt sie. Gruselig sei das breite Maul mit den spitzen Zähnen, das an eine Schlange erinnere. Zugleich sei der Fisch "sehr cool" und habe "tolle Vater-Qualitäten". Das Männchen passe auf das Gelege auf und komme dabei bis zu acht Wochen ohne Fressen aus.
Im Jahr 2007 wurde ein Tunnel von Anchorage, der größten Stadt Alaskas, nach Prince-William-Sund eröffnet. Die Städter erreichen die Bucht nun in nur 45 Minuten und Freizeitfischer holten in diesem Jahr so viel Lingcod aus dem Meer wie nie zuvor. Seitdem hat die Zahl der gefangenen Lingcod deutlich abgenommen, erklärt sie anhand einer Grafik. Um den Zusammenbruch ganzer Populationen zu verhindern, wurde ein Fischereimanagement eingeführt. Von Dezember bis Juli ist die Saison geschlossen, pro Person darf nur noch ein Fisch gefangen werden und Fische unter 89 Zentimetern wandern zurück ins Meer.
Welche Fragen stellt sich die junge Forscherin vor diesem Hintergrund? Es gehe darum, das Management mit Daten zu versorgen: Wie ist die Größenverteilung der Fische? Wie stellt sich der Bestand vor und nach der geschlossenen Saison dar? Welche Faktoren beeinflussen das Eintreten der Geschlechtsreife? Und ist es gefährlicher, ein Männchen zu sein?
Sie hat bereits den Mageninhalt gefangener und filetierter Fische und den aus vielen tausenden Eiern bestehenden Laich untersucht. "Das ist Detektivarbeit", sagt sie. "Und warum mache ich das? Weil ich dieses Foto haben möchte", grinst sie und zeigt ein typisches Ich-habe-den-dicksten-Fisch-gefangen-Foto mit einem Paar, das ein Riesenexemplar von Lingcod im Arm hält. Ihr Gesicht hat sie hineinmontiert.
Doch wie ist die zierliche Frau an den "Monsterfisch" geraten? Als Stewardess hatte ihre Mutter ihr von Alaska vorgeschwärmt. Und über Couchsurfing, eine Internetplattform, die Reisende an Gastgeber vermittelt, hatte sie bereits zu Beginn ihres Masterstudiums zweieinhalb Monate in Alaska verbracht und dabei die Fischbiologie kennengelernt.
Ihren Verlobten Taylor Roddam, der den Vortrag mit der Kamera festhält, lernte sie nur zwei Stunden nach ihrer Ankunft in Fairbanks kennen. Sie hatte ein möbliertes Zimmer bezogen und sich im Einkaufszentrum mit Bettwäsche und Lebensmitteln eingedeckt. Ihre Vermieterin hatte sie hingefahren und da stand sie nun. Wie sollte sie mit all den Sachen zurückkommen? Da sprach sie ein Mann an, fragte nach ihrer Handynummer und war ziemlich irritiert, als sie ihn ohne zu zögern darum bat, sie heimzufahren. "Er dachte, ich bin eine Serienkillerin", lacht sie. Ihr damaliger Couchsurfer-Gastgeber wird im Sommer die Hochzeit abhalten (in Alaska kann nach einer Einführung jeder Standesbeamter "spielen").
Auch wenn sie Familie und Freunde in Walldorf vermisst, die idyllische Bucht Prince-William-Sund im Golf von Alaska ist ihr eine neue Heimat geworden. Dafür nimmt sie auch das Plumpsklo in Kauf.