Rauenberg/Mühlhausen/Malsch. (BeSt) In zwei Pfarrversammlungen in Rauenberg und Mühlhausen stellte die katholische Kirchengemeinde Letzenberg die erste Stufe des Gebäudekonzepts vor. Das Fazit ist kurz und prägnant: Wenn der aktuelle Gebäudebestand so erhalten bliebe, müsste die Kirchengemeinde 28 Millionen Euro in den nächsten 30 Jahren zusätzlich aufbringen. Zugleich schrumpft bis ins Jahr 2047 die Zahl der Katholiken von heute 10.000 auf 6000, so die Prognose des Erzbistums für die Seelsorgeeinheit Letzenberg.
Bereits in ihrer Begrüßung machte die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Roswitha Schöttler deutlich, dass unter diesen Voraussetzungen der vorhandene Gebäudebestand nicht mehr gehalten werden könne. Die Kirchensteuerzuweisung des Erzbistums stellt den Gemeinden Finanzmittel für 2231 Gebäude-Quadratmeter zur Verfügung, der aktuelle Gebäudebestand der sechs Pfarrgemeinden umfasse 5561 Quadratmeter.
Bauoberamtsrat Stefan Brunner, der Gebietsleiter des erzbischöflichen Bauamts für die Dekanate Wiesloch und Bruchsal, stellte klar, es sei das oberste Ziel, kirchliches Gemeindeleben auch noch in 50 Jahren zu ermöglichen. Keine Gruppe solle aufgelöst werden, sondern jede aktive Gruppe sollte am Ende des dreistufigen Gebäudekonzeptes passgenaue Räumlichkeiten erhalten.
Die vom Architekturbüro Weiss aus Bretten erarbeitete und nun vorgestellte erste Stufe des Gebäudekonzepts stellt eine reine Bestandsaufnahme unter den Vorgaben des erzbischöflichen Ordinariats dar, zudem ist Raum für erste Visionen. In die bevorstehende zweite Konzeptstufe fließt der Raumbedarf aller kirchlichen Gruppen ein. Das Architekturbüro erstellt unter diesen Vorgaben für jede Pfarrgemeinde drei mögliche Szenarien.
In der abschließenden dritten Konzeptstufe erfolgt dann die Umsetzung der gewünschten Pläne in frei auszuschreibenden Architekturwettbewerben. Zur zeitlichen Umsetzung der Konzeptstufen werden keinerlei Vorgaben gemacht, es gilt die Maxime: "So viel Zeit wie nötig, so wenig Zeit wie möglich." Ohne die Durchführung aller Konzeptstufen gibt das Erzbistum keinerlei Zuschüsse oder Finanzierungskonzepte für bauliche Sanierungs- oder Gebäudemaßnahmen.
In der einstündigen Vorstellung des Istbestandes wurde jedes kirchliche Gebäude durchleuchtet. Mittelfristig größere Investitionen wurden für die Kirche und das Pfarrhaus in Malsch, den Gebäudekomplex in Malschenberg, die Kirche, die Bernhardushalle und das Pfarrhaus in Mühlhausen, den Kirchturm und das Pfarrzentrum in Rauenberg sowie das Pfarrhaus in Rettigheim ermittelt. Sofortiger baulicher Handlungsbedarf bestünde für das Pfarrheim in Malsch und die Filialkirche in Tairnbach.
Ein besonderes Augenmerk legt die Architekten-Studie auf die Pfarrzentren und Gemeindehäuser, die in fünf der sechs Gemeinden nach dem Gebäude-Quadratmetersatz der Bistumsleitung zu groß ausfallen. Das Gemeindezentrum in Rettigheim fällt als kommunal-städtisches Gebäude nicht in die Studie und ist somit außen vor.
Bezüglich der Auslastung und der Kosten je Nutzung der örtlichen Gemeinderäume tut sich ein weites Feld innerhalb der Kirchengemeinde auf: So ist das Malscher Pfarrheim 957 Quadratmeter groß, durch Kirchensteuereinnahmen wird aber nur eine Fläche von 206 Quadratmetern finanziert; die Auslastung liegt bei lediglich 3,4 Prozent. Das Pfarrzentrum in Malschenberg ist nach dieser Rechnung 651 Quadratmeter zu groß, bei einer Auslastung von nur 1,7 Prozent. Die Bernhardushalle in Mühlhausen (Auslastung: 6,5 Prozent) weist 1175 Quadratmeter zu viel an Fläche auf, das Rauenberger Pfarrzentrum (Auslastung: 3,5 Prozent) 1401 Quadratmeter, das Rotenberger Pfarrzentrum (Auslastung: 27,5 Prozent) 281 Quadratmeter.
Aufgrund der meist sehr niedrigen Auslastung der Gemeinderäume und der teils enormen Kosten setzen vier der fünf visionären Optimierungsszenarien auch an den Gemeindehäusern beziehungsweise Pfarrzentren an:
> Pfarrheim und Kirche Malsch: Das Pfarrheim könne abgerissen und die frei werdende Fläche neben der Kirche als Garten angelegt werden. In den hinteren Teil der Kirche St. Juliana könnten neue Gemeinderäume in geforderter Größe integriert werden, die an Festtagen dem Gottesdienstraum zugeschaltet werden könnten. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Abriss und Neubau in der Kirche in 30 Jahren rund 600.000 Euro.
> Bernhardushalle und Kirche Mühlhausen: Die Bernhardushalle könnte verkauft oder in Wohnungen umgewandelt werden. Wie in Malsch könnten neue Gemeinderäume in geforderter Größe in den hinteren Teil der Kirche St. Cäcilia integriert oder südwestlich an die Kirche neu angebaut werden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Neubau in oder an der Kirche in 30 Jahren über 2,1 Millionen Euro.
> Filialkirche Tairnbach: Für eine Filialkirche, die für rund 150.000 Euro saniert werden müsste und 10.000 Euro laufende jährliche Kosten verursache, die allerdings nicht mehr monatlich genutzt werde, schlägt der Architekt den Abriss und den Verkauf des Grundstücks als Bauplatz vor. Das bestehende Gemeindeleben könnte in ökumenischer Zusammenarbeit beispielsweise in der evangelischen Kirche fortgesetzt werden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Abrisskosten für das Kirchengebäude in 30 Jahren 219.000 Euro.
> Pfarrzentrum Rauenberg: Das Dachgeschoss des Pfarrzentrums könnte aufgrund der zu großen Fläche zu Mietwohnungen umgebaut werden. Die dort stattfindenden Veranstaltungen und Chorproben könnten in den drei unverändert bleibenden Räumen des Erdgeschosses stattfinden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Umbauarbeiten für das Dachgeschoss in 30 Jahren 1,1 Millionen Euro.
> Pfarrzentrum und Kirche Malschenberg: Der vor 40 Jahren neu errichtete Gebäudekomplex von Kirche und darunterliegendem Pfarrzentrum sei völlig überdimensioniert, eine Abtrennung oder Umwidmung von Gebäudeteilen nahezu unmöglich. Deshalb solle das gesamte Gebäude abgebrochen oder verkauft und ein kleines multifunktionales Gemeindezentrum mit Sakralraum in geforderter Größe neu errichtet werden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Abriss- und Neubaukosten für das bisherige und mögliche neue Gebäude in 30 Jahren 1,3 Millionen Euro.
Am Ende seiner Ausführungen gab Architekt Marcus Weiss zu bedenken, dass diese fünf von ihm entworfenen visionären Optimierungsszenarien weniger als sechs Millionen Euro an Einsparungspotenzial beinhalten. Es bleibe ein Defizit von über 22 Millionen Euro im Gebäudehaushalt für die nächsten 30 Jahre zwischen den Erhaltungskosten und der voraussichtlichen Zuweisung aus der Kirchensteuer: "Es kann sein, dass viel radikaler gedacht werden muss, als wir es hier getan haben", resümierte der Architekt.