Viele alleinstehende ältere Menschen vermissen momentan den persönlichen Kontakt. Einige von ihnen sind überwiegend zu Hause, andere vertreiben sich die Zeit beispielsweise mit Einkaufen oder Busfahren. Symbolfoto: iStock
Von Christian Beck
Sinsheim. Kinder können nicht mehr in die Schule, Eltern sind in Kurzarbeit oder haben ihren Job verloren. Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen fast alle. Doch wie geht es älteren Menschen? Sie sind in den ohnehin leeren Straßen fast gar nicht mehr zu sehen. Vielleicht auch deshalb stehen sie bei vielen Menschen nicht im Fokus. Die RNZ fragte nach, wie sie sich in der Corona-Zeit fühlen.
"Mir selbst geht’s gut", sagt Annelies Greis sofort. Gründe zu klagen hätte die 80-Jährige genug. Doch sie sagt: "Ich kann doch jetzt nicht zum Jammerlappen werden." Jeden Tag gebe es etwas, über das sie sich freut. Zum Beispiel, wenn überraschend jemand anruft und sich ein freundliches Gespräch ergibt. Wenn sie beim morgendlichen Blick aus dem Fenster sieht, dass es geschneit hat. Oder wenn im Fernsehen ein schöner Reisebericht über die Berge kommt, die sie so mag. Und sie betont: Ihre Rente werde ihr pünktlich überwiesen. Jüngere Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, müssten sich mehr Sorgen ums Geld machen.
Natürlich gebe es auch für sie Einschränkungen. "Die Kontakte bleiben ganz aus", berichtet sie. Das Literaturcafé, das sie gerne besucht hat, findet nicht statt, die kirchliche Seniorengruppe pausiert ebenfalls seit langer Zeit. Rund 16 Jahre hat Annelies Greis bei der "Initiative Sinsheimer Weihnachtsmarkt" mitgeholfen und sich mit den anderen Helfern regelmäßig getroffen – auch das geht momentan nicht. "Das waren meine kleinen Freuden", berichtet sie.
Besonders schwer ist es, wenn es um die Familie geht, sagt sie. Der Kontakt sei sehr gut, ihre eine Tochter, die in der Nähe wohnt, sehe sie trotz Corona hin und wieder. Doch alle achteten auf Abstand. Jemanden in den Arm zu nehmen, fehle ihr – gerne würde sie die Enkelkinder einfach mal drücken. Traurig war sie auch, als zwei Personen, die ihr nahe standen, gestorben sind, und sie nicht zur Beerdigung gehen konnte. "Das tut schon weh", sagt sie.
Doch was machen alleinstehende Senioren in Corona-Zeiten, dass ihnen die Decke nicht auf den Kopf fällt? "Manche gehen einkaufen", erzählt Dr. Maria Bitenc, Seniorenbeauftragte der Stadt. Busunternehmer Manfred Wagner berichtet, dass einige ältere Frauen und Männer eine Stunde pro Tag mit dem Bus durch die Stadt fahren, um raus zu kommen. Ärzte sehen das aus Gründen des Infektionsschutzes kritisch. Doch Bitenc betont: Den ganzen Tag fernsehen, basteln oder Kreuzworträtsel lösen, gehe irgendwann nicht mehr. Und sie sagt klar: "Viele Senioren fühlen sich momentan einsam."
Annelies Greis erzählt, dass sie mit dem Alleinsein weniger Schwierigkeiten hat. Sie lese gerne, mache ihren Haushalt, koche ab und zu. Und sie telefoniere häufiger als vor der Corona-Krise. Ihre Familie sorge gut für sie, und Nachbarn helfen auch, beispielsweise, indem sie die Post hochbringen.
Von ihrer Ärztin hat sie sich zur Corona-Schutzimpfung beraten lassen. "Ich bin interessiert", sagt sie. Da sie kein Internet habe, kümmere sich ihre Tochter um einen Termin. Sie ist gespannt, wann es soweit ist. Dass manche Menschen die Corona-bedingten Einschränkungen kritisch hinterfragen, könne sie verstehen. "Aber ich finde Leute, die Corona leugnen, schlimm." Sie selbst habe keine Angst vor dem Virus. "Ich fände es aber schlimm, wenn ich Abschied nehmen müsste und niemand bei mir wäre."
Sie berichtet von einer Bekannten, die sich mit den Einschränkungen teilweise nur schwer arrangieren kann und deshalb schon geweint hat. Doch überwiegend höre sie Positives von Leuten ihres Alters. Auch sie sei "ein positiver Mensch". Das sei wichtig. Sie ist überzeugt, dass sich die eigene Einstellung auch auf das Lebensumfeld überträgt. Was die Zukunft bringt? "Wir freuen uns alle, wenn es wieder aufwärts geht."