Auf absehbare Zeit nicht mehr möglich sind die geselligen Treffen für Senioren – wie hier der Nachmittag beim Fohlenmarkt – , die die Stadtverwaltung organisiert hat. Foto: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Sinsheim. Einkaufen gehen ist zum Highlight der Woche geworden: Ältere Menschen, die sich in der Pandemie besonders in Acht nehmen müssen, leiden vermehrt an Vereinsamung. Vor allem für die Alleinstehenden ist der Rückzug oft schmerzlich. Auch vermissen Opa und Oma ihre Enkelkinder. Und fast alle Angebote, die die Stadtverwaltung zu normalen Zeiten macht, sind nun weggebrochen: Die Arbeit der Seniorenbeauftragten Dr. Maria Bitenc hat sich damit gravierend verändert. Statt für die Älteren einen sozialen Austausch, Zusammenkünfte und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu arrangieren, berät sie nun vorwiegend am Telefon über die Organisation eines Impftermins und übers Impfen: Diese Hilfe werde "intensiv genutzt von den Senioren und deren Angehörigen", sagt Bitenc.
Erforderlich sei es vor allem, die Menschen zu beruhigen. Viele seien schlicht verunsichert, wüssten nicht, wann und wie sie einen Impftermin bekommen. Und nicht nur das: "Viele hatten regelrecht Panik. Doch die Angst konnte ich den meisten zum Glück nehmen." Es sei abzusehen, dass die Impfsituation "tendenziell immer besser" werde und es somit immer leichter werde, einen Impftermin zu bekommen. Die Stadt vergibt keine Impftermine, doch die Nachbarschaftshelfer der Aktion "Bürger für Bürger" helfen in Einzelfällen auch dabei, Termine zu vereinbaren oder die Senioren zum Impfzentrum zu begleiten.
Maria Bitenc. Foto: KegelMaria Bitenc ist Ansprechpartnerin für Senioren und deren Angehörige. Beratung und Unterstützung bietet sie über das Seniorentelefon, organisiert im Normalfall Veranstaltungen für ältere Bürger – oft in Kooperation mit anderen Organisationen –, wie etwa den Seniorenbus, das Turnen in der "Alla Hopp"-Anlage im Postgarten oder das Singen in der Allee. Vernetzt wird die Seniorenarbeit an einem "Runden Tisch", der sich "selbstbestimmtes Altern mit Unterstützung" nennt und der eine Vielzahl von Helfern aus den unterschiedlichsten Institutionen rund um die Seniorenarbeit vereint.
Auch an der Organisation der Freiwilligen-Börse ist Bitenc beteiligt und koordiniert das Nachbarschaftsangebot "Bürger für Bürger." Ebenso zählt der strategische Quartiersentwicklungsprozess 2020 zu ihrem Aufgabengebiet – ein Strategieprogramm des Landes Baden-Württemberg, bei dem die Stadt einen Preis für ihre Idee "Heimat im Alter – Im Alter daheim" gewonnen hat. Vier Modellstadtteile wurden dabei zur Verbesserung der Lebensqualität vor Ort, insbesondere für Senioren, seit 2018 mit unterschiedlichen Projekten weiterentwickelt. "Das war eine sehr intensive Arbeit", meint Bitenc mit der Betonung auf "war". Denn: "Die Corona-Pandemie hat jetzt alles ausgebremst."
Sport, Altencafés, die Angebote der Kirchen für die ältere Zielgruppe, Fred Franks Seniorentreff im Auto- und Technikmuseum: alles abgesagt. "Es gibt eigentlich überhaupt keine Begegnungsmöglichkeit in Präsenz", bedauert die Sachbearbeiterin der Abteilung für Familie, Jugend und Soziales. Das Singen in der Allee etwa sei so lange aufrechterhalten worden wie eben möglich, trotz Corona-Regeln und Abstandsbeschränkungen. Im Mittelpunkt jedoch stand von Anfang an auch die Forderung nach Schutz, die auch diesen Treffpunkt schließlich lahmlegte. Dennoch steht die Seniorenarbeit nicht ganz still. Die Betreuung von Einzelnen, die sich bei der Stadt melden, weil sie Hilfe benötigen – das funktioniert im Rahmen der Nachbarschaftshilfe. Aufrechterhalten werde dabei auch stets die Wertschätzung gegenüber den Helfern, die selbst in dieser schwierigen Zeit weiterhin ihre Unterstützung anbieten würden, unterstreicht Bitenc.
"Betreuungen von Menschen zu Hause oder – so lange es möglich war – auch in Heimen, ist in Absprache mit den Helfern möglich", verdeutlicht Bitenc. Denn auch die diese sind oft schon im Seniorenalter. Die Kommunikation mit den Älteren, die im Rahmen der Nachbarschaftshilfe betreut werden, nun aber vorsichtshalber keinen Besuch wünschen und dennoch nicht auf den Kontakt verzichten möchten, werde telefonisch aufrechterhalten.
Das Seniorentelefon klingelt nun häufiger als sonst. "Es wurde zum Sorgentelefon", berichtet Bitenc. Denn die Älteren fühlen sich oft vereinsamt. Viele wollen einfach reden. "Ich hätte die Arbeit am Sorgentelefon gerne intensiviert, aber ich kann keine `aufsuchenden Hilfen` machen, also nicht Senioren kontaktieren, von denen ich nur annehme, dass sie Hilfe brauchen."
Die Stadt habe auch versucht, die Kontakte übers Internet aufrecht zu erhalten. "Aber das ist in dieser Zielgruppe schwierig." Der Gang zum Einkaufen sei für viele der Älteren nun die einzige Möglichkeit für soziale Kontakte. Viele lehnten es dann plötzlich ab, sich bei den täglichen Besorgungen helfen zu lassen. All das, was geht, sei immer abhängig von den Corona-Verordnungen und eng an diese gekoppelt. Schmerzlich sei auch, dass der Sonntagsbus gestrichen ist. "Den Senioren fehlt einfach der Kontakt zu anderen Menschen", bedauert Bitenc.
Viele Senioren seien nicht mehr so aktiv wie früher. Denn Unternehmungen, wenn sie überhaupt möglich sind, müssen aufwendig organisiert werden: "Sie sind einfach traurig". Schließlich gipfelte der Rückzug und das Hadern damit gerade zu Beginn der Pandemie nicht selten in der Frage: "Ist Anstecken schlimmer als zu Hause zu bleiben?"
Doch ein Licht am Ende des Tunnels scheint absehbar. Die Seniorenbeauftragte hat wieder angefangen zu planen. Singen oder Sport im Freien? Ganz vorsichtig denkt Bitenc da an Ende Juni: "Ich würde das liebend gerne tun." Dies mache natürlich nur Sinn, wenn die Corona-Verordnungen den Rahmen für kleinere Veranstaltungen hergeben würden. Wenn aber, etwa beim Singen in der Allee, großer Abstand eingehalten werden müsse, fehle doch komplett das, worauf es bei solchen Unternehmen eben auch ankomme: das Gespräch und die Spontaneität. Ohne das, meint Bitenc, könne man "es auch lassen".