Das freie Training im Gerätepark ist unter Corona-Bedingungen untersagt. Als Therapie mit ärztlicher Verordnung ist der Zugang jedoch weiterhin möglich. Dieses Schlupfloch zum Sport haben jetzt viele erkannt. Foto: C. Barth
Sinsheim. (cba) Sport ist wichtig, um gesund und fit zu bleiben. Doch Fitnessstudios und Schwimmbäder sind corona-bedingt momentan geschlossen, und für den Sport im Freien ist es vielen zu kalt. Was bleibt, ist das Training auf der Matte zu Hause.
Oder der Umweg über eine medizinische Verordnung. Denn Physiotherapien sind weiterhin möglich, auch unter Corona-Bedingungen. Das Rezept ist also die Eintrittskarte ins Fitnessstudio. Und diese Möglichkeit erkennen momentan immer mehr Studionutzer und wählen diesen Umweg auf die Trainingsfläche.
"Unsere Erfahrung ist, dass es relativ viele Leute so gemacht haben", teilt David Dellameilleure, einer der beiden Geschäftsführer des Gesundheitszentrums "Reha-Med", mit. "Etwa 30 Prozent sind es bei uns." Um die Trainingsfläche weiterhin nutzen zu dürfen, lassen sich immer mehr Personen ein Rezept ausstellen. Darauf steht: "Krankengymnastik am Gerät". Dabei handelt es sich um eine gerätegestützte Physiotherapie in Begleitung eines Therapeuten zur Verbesserung von Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination. Es soll unter anderem "Schreibtischtätern" helfen, deren Bewegungsapparat durch langes Sitzen häufig in Mitleidenschaft gezogen wird.
Bei Ulrich Kimpel, Geschäftsführer des "Therapiezentrum am Museum", sind die Verordnungen fürs Training am Gerät nicht angestiegen. Er hält dagegen: "Diesen zweifelhaften Umweg unterstütze ich nicht." Die Zahl der Patienten mit einer Verordnung "Krankengymnastik am Gerät" befinde sich weiterhin "in gewohntem Ausmaß". Zwar gebe es immer mal wieder "Anfragen von potenziellen Kunden", die alleine auf der Trainingsfläche Sport machen und sich dies mit einem Rezept in der Tasche ermöglichen wollen.
"Aber das lehne ich ab", betont Kimpel. Denn "Krankengymnastik am Gerät" erfordere eben gerade die Begleitung eines Therapeuten. Theoretisch dürften drei Patienten gleichzeitig auf der Trainingsfläche betreut werden. "Aber das mache ich auch nicht", berichtet Kimpel und unterstreicht: "Ich möchte diese Möglichkeit nicht bedienen."
Dass Training als Freizeitgestaltung in Fitnessstudios momentan nicht möglich ist, hält Delameilleure für fragwürdig. Er findet: "Unsere Regierung nimmt den Leuten das weg, was ihrer Gesundheit langfristig hilft." Der Kurs des Gesundheitswesens sei in den vergangenen Jahren ein ganz anderer gewesen. "Unser Gesundheitssystem zwingt ja die Menschen dazu, eigenverantwortlich etwas für sich zu tun und dafür auch selbst zu bezahlen." Dies sei auch gutzuheißen. Die Verordnung "Krankengymnastik am Gerät" habe man in den vergangenen Jahren konsequent zurückgefahren. Die Bereitschaft der Kassen, diese Therapieform zu bezahlen, sei gesunken: "Die Kassen wollen ja, dass der Patient dieses Training am Gerät selbst bezahlt."
Doch jetzt werde jenen, die erkannt hätten, dass die Gesundheit und ein funktionierender Bewegungsapparat der eigenen Verantwortung unterliegt, diese Möglichkeit wieder genommen: "Jetzt hat man die Menschen soweit, dass sie etwas für sich tun und auch bereit sind, dafür zu bezahlen, und dann nimmt man ihnen das wieder weg", sagt Delameilleure. Er befürchtet, dass die Spätfolgen aufgrund von ausbleibenden Arztbesuchen, Operationen, Therapien und eben auch durch ausbleibendes Training das Gesundheitssystem in den kommenden Jahren noch erheblich belasten können.