Von Tim Kegel
Sinsheim. Die Elsenzhalle gehört zur Volksseele Sinsheims wie kaum ein anderes Gebäude. Darin scheinen sich alle Beteiligten einig. Nach einer sich ins Ewige drehenden Vorberatung kam der Technik-Ausschuss des Gemeinderats am Dienstag zum Schluss, dass sie – da wohl nicht mehr sanierungsfähig – abgerissen wird. Alternativen stehen noch aus.
> Die Halle ist beliebt; sie genieße "einen ganz besonders hohen Status bei der Bevölkerung", sagt SPD-Stadtrat Michael Czink. Grünen-Rat Jens Töniges erhebt sie in der Beliebtheits-Skala gar auf eine Ebene "mit Burg Steinsberg und Altem Rathaus". Die 1965 gebaute, schmucklose Halle, in der "wir alle schon mal gefeiert haben", verschaffe Sinsheim "einen Standortvorteil". Die Untersagung jeglichen Veranstaltungsbetriebs und die neuerliche Abriss-Diskussion nennt auch Baudezernent Tobias Schutz "Angelegenheiten, auf die keiner scharf war".
> Die Schäden und Hindernisse, die eine Sanierung unmöglich machten, seien – wie bereis berichtet – eklatante Brandschutzmängel bis unters Dach, das eine viel zu geringe Traglast habe. Kondenswasser und "zahlreiches Getier" in der Isolierung sorgten dafür, dass sich "ganze Deckenfelder lösen". Die Tore haben "keine Panik-Funktion": Um sie in voller Breite zu nutzen, müsse man "drei Riegel öffnen". Holzverkleidungen, marode Elektrotechnik und eine hohe Brandlast täten ihr Übriges.
> Die Schäden waren länger bekannt. Ein Gutachten eines Veranstaltungstechnikers vom April 2018 zieht ein erdrückendes Fazit, kurz darauf wurde in der Halle ein letztes Mal Fohlenmarkt gefeiert. Gefahrenpotenzial, wie eine hölzerne Bühne, war zuvor entfernt worden. Im Mai 2019 fand der Fohlenmarkt schon nicht mehr in der Elsenzhalle statt, sondern im Festzelt auf dem Burgplatz, da auch der Festplatz zu dieser Zeit saniert wurde. Ein Brandschutzgutachten vom November 2019 spricht weitere schwere Mängel an. Der Halle den "Todesstoß" versetzt hat wohl eine bauphysikalische Prüfung nach Feuchtigkeitsschäden im März dieses Jahres. Damit habe man, sagt Schutz, "einen Punkt erreicht, wo keiner mehr Verantwortung übernehmen kann". Die sofortige Sperrung sei "nicht zu diskutieren". Hätte man die Landesheimattage in Sinsheim nicht Corona-bedingt absagen müssen, so hätte "trotzdem nichts in der Halle stattgefunden".
> Alternativen wird nun der Gemeinderat suchen müssen, vom ersatzlosen Abriss bis zum Neubau einer Halle. Die Stadt braucht Geld, weshalb auch der Verkauf des Grundstücks zum Zweck der Wohnbebauung als Option gilt. Völlig unklar ist allerdings, wie aufwändig der Baugrund am Elsenzufer dann ertüchtigt werden muss. In der Waagschale liegt auch ein Lärmschutzgutachten aus dem Jahr 2006: Damals hatten sich Anwohner über Lärm beschwert, der von der schlecht gedämmten Halle ausgegangen war. Gerechnet wird nun mit einem Prozess, der die Bevölkerung "noch länger begleiten" werde. Das öffentliche Leben Sinsheims, sagt Oberbürgermeister Jörg Albrecht, sei jedoch "auch vier Jahre lang ohne Stadthalle zurechtgekommen". Lediglich die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen wurden in der Ausschusssitzung zwei Stunden lang umrissen.
> Die Zelt-Variante geht so: Entweder mietet oder kauft die Stadtverwaltung ein Großzelt, das dann drei Monate lang stehen bleiben darf. Diese Beschränkung würde bewirken, dass die strengen Auflagen der Versammlungsstätten-Verordnung nicht greifen, welche zum Aus der maroden Halle beigetragen haben. Die Sanitäranlagen der Halle wurden vor einigen Jahren saniert; sie sowie der Verkehrsübungsplatz und ein Büroraum der Verkehrswacht könnten stehen bleiben und in ein Nutzungskonzept eingebunden werden. Vereine, die auf die Halle angewiesen sind, müssten ihre Veranstaltungen dann dem Drei-Monats-Zeitraum anpassen, der im März mit Börsen, Tierschauen und Flohmärkten beginnen und im Mai mit dem Fohlenmarkt enden könnte. Bedenkenträger, wie Dührens Ortsvorsteher Alexander Speer, führen an, dass es "in Zelten ungemütlich heiß werden kann".
> Eine Halle einfachsten Standards wäre eine weitere Möglichkeit, mit Elementen aus dem Industriebau, ähnlich der Schulsporthalle in Steinsfurt. Sie würde, um Brandschutzauflagen und großen Menschenmassen gerecht zu werden, grob geschätzt zwischen drei und fünf Millionen Euro kosten. "Geld, das wir nicht haben", sagt CDU-Rat Georg Trunk: "Wir werden auch nächstes und übernächstes Jahr keine Halle bauen."
> Ein Übergangs-Bauwerk für die Zeit, "bis sich unsere Finanzen von der Corona-Krise erholt haben" – CDU-Sprecher Friedhelm Zoller ist ein Fan davon –, scheidet wohl aus: Es würde sich preislich kaum von der wertigeren Halle unterscheiden, weil wohl ähnliche Hürden zu nehmen wären. Knackpunkt: Finden Großveranstaltungen statt, müssen die Standards der Verordnungen voll erfüllt werden.
> Eine Multifunktionshalle, die die Platznot von Sportvereinen lindert, Flohmärkte, Kleintierschauen und Volksfeste beherbergt, dürfte an der Praxis scheitern. Zu unterschiedlich seien die Anforderungen, vor allem an den Hallenboden. Aktiv-für-Sinsheim-Sprecher Alexander Hertel hatte "bei aller Liebe für die Kleintierzüchter" eine Multifunktions-Lösung angeregt.
> Der einzigartige Boden aus einem robusten Beton ist es, der den Abschied von der Elsenzhalle für einige so schwer macht: Lkw beladen, Tierdung aufwischen, Bier verschütten, Rollschuhlaufen – das alles geht in der Elsenzhalle. Der Boden sei die Ursache, "warum Veranstalter aus Nachbar-Bundesländern die Halle buchen" oder weshalb Kleintierzuchtvereine im Sinsheimer Kreisverband keine eigenen Hallen gebaut hätten. "So eine Halle gibt es nur noch bei uns", sagt auch OB Albrecht. Geprüft werden soll nun, ob der Boden im Fall eines Abbruchs erhalten werden kann. Baudezernent Tobias Schutz hält dies zumindest für technisch möglich.
> Ein Zuschuss gilt bei einem Abbruch als gesichert, die Halle liegt im Sanierungsgebiet "Wiesental/Innenstadt-Ost"; ein Sanierungs-Zuschuss liegt zwar im Bereich des Möglichen, allerdings gilt die Halle bereits als "sanierungsunfähig". Ein Neubau würde nach aktuellem Stand nicht gefördert. Als so gut wie sicher gilt zur Zeit nur der Abbruch. Hierzu CDU-Mann Zoller: "Wenn die Halle stehen bleibt und trotzdem keiner rein kann, lachen sie uns aus."
> Ausweichlösungen sucht man nun "mit hiesigen Vereinen", die über Veranstaltungen in der Elsenzhalle oft wesentliche Teile ihres Jahres-Budgets decken. Börsen und Flohmärkte von Vereinen wird es wohl in der Stadthalle oder der Carl-Orff-Halle geben – allerdings ist die Elsenzhalle 1200 Quadratmeter weit, die Dr.-Sieber-Halle nur 670 Quadratmeter. Tierschauen haben zunächst das Nachsehen: Zwar kann sich OB Albrecht "auch manche hierzu geeignete Industriehalle im Stadtgebiet" vorstellen, doch bleibt im Unklaren, ob dort Publikumsveranstaltungen möglich sind. Wohl nicht mehr geben wird es Katzen- und Hundeschauen ortsfremder Veranstalter oder kommerzielle Reptilien-Events – zur Freude von Grünen-Rätin Anja Fürstenberger, die diese als "eine Riesen-Tierquälerei" empfindet.
> Facettenreich diskutiert wurde am Dienstagabend: SPD-Rat Jens-Jochen Roth – als Mitveranstalter der Modellbahn-Börse befangen – kommentierte das Geschehen aus den Zuschauerreihen und wurde ermahnt. Infrastrukturamts-Leiter Bernd Kippenhan gab als Privatmann seine Einschätzug ab: Er selbst züchtet im Verein erfolgreich japanische Kampfhühner. Eine Art "innerer Durchmarsch" war der Abend für Freie-Wähler-Stadtrat Harald Gmelin: Er hatte vor Jahren den Kauf der heute als Großlager genutzten "Halle 6" der Messe Sinsheim angeregt, um dort ein Feuerwehrhaus, aber auch eine Veranstaltungs- und eine Sporthalle unter einem Dach einzurichten. Gmelin halb-ernst: "Das wär’s vielleicht gewesen."