Fit wie ein Turnschuh kommt Richard Spranz vom Impftermin zurück. Viele kennen den aktiven 81-Jährigen, also wollte er „ein positives Signal“ setzen. Auch seinem zweiten Impftermin blickt er gelassen entgegen. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Nicht nur viele ältere Sinsheimer kennen Richard Spranz. Weit über 1000 Schüler hat der gerade 81-Jährige in seinem Leben als Lehrer und Schulleiter in Hilsbach unterrichtet. Und wenn Spranz Musik macht – er kann Country, Volkslieder, Beat und Rock – haben ihm schon viele zugehört. Zu seinem Corona-Impftermin lässt er sich begleiten: "Mensch ja, warum nicht. Vielleicht nimmt das manchen ein ,bissl’ die Bedenken", hat Spranz sofort gesagt.
Um 8 Uhr, just am Tag nach seinem Geburtstag, ist Spranz zur Stelle. Als herauskommt, dass seine Begleitperson Journalist ist, muss er da alleine durch, Presse will man hier nicht sehen, was Spranz "ungeschickt" findet. Aber gut. Keine halbe Stunde später kommt er aus dem Impfzentrum, fit wie ein Turnschuh. "Bemerkenswert schnell" sei alles gelaufen, "vollkommen schmerzlos", die Viertelstunde Ruhezeit: geschenkt. Und auch die Aufklärung durch ärztliches Personal brauchte er so gut wie nicht. "Ich lese viel übers Thema", sagt Spranz, der lange Jahre CDU-Stadtrat war, jetzt Ehrenstadtrat und Träger der Karl-Wilhelmi-Ehrenmünze ist, der zweithöchsten Auszeichnung der Stadt Sinsheim. Und zu den abgesagten Sinsheimer Landesheimattagen 2020 hatte man Spranz und seine Frau Monika eigentlich dazu auserkoren, feierlich die historische Sinsheimer Tracht zu tragen. Nur drei Mal hatten sie die Gelegenheit, "schade". Wie sehr hatten sie sich darauf gefreut.
Welchen Impfstoff er gerade bekommen hat? "Biontech", sagt Spranz nun mit einer Routine, als ginge es um ein Wiener Schnitzel. Auch über die Impfstoffe hat er sich gut informiert, sagt er.
Also weiß Spranz auch, dass es sich um ein neuartiges Wirkstoffprinzip handelt. Noch dazu um ein Vakzin, entwickelt in einem Jahr, anstelle der üblichen zehn bis 15 Jahre. Der experimentelle Charakter der mRNA-Impfstoffe ist es, der einigen Sorge bereitet. Und dass es, egal, ob man dies gerne anders hätte, keine Langzeit-Erfahrungen gibt.
Bedenken, die Spranz nachvollziehen kann. Er räumt ein, dass er die Sache mit seinen "über 80 Jahren vielleicht mit einer anderen Gelassenheit angehen" könne. Andererseits denkt er, dass in die Corona-Impfstoffe "enorm viel Förderung, Wissen und Geld" geflossen sind. Dass die Spritze sich als nicht so wirksam wie erhofft erweisen könnte und auch Geimpfte das Virus noch weitergeben könnten – diesen Gedanken hält er zunächst weit von sich weg. Viel lieber hofft Spranz, dass die Impfung ihn und andere aus der Risikogruppe vor schweren Krankheitsverläufen schützt. Hinzu komme "ein Grundvertrauen in die meisten Ärzte mit ihren Fachgebieten", das sich "im Nachhinein immer als richtig" erwiesen habe. "Seit Jahren" lassen sich Spranz und seine Frau gegen Grippe impfen, hätten nie Nebenwirkungen verspürt, "mit Ausnahme von einem schweren Arm" an der Einstichstelle. Und selbst so etwas hatte er dieses Mal nicht: Obwohl Spranz Medikamente "gegen ein schwächelndes Herz" einnimmt, was die Blutgerinnung beeinflusst, habe er das Pflaster an der Stichstelle "beim Duschen vergessen", wie Spranz drei Tage später schmunzelnd sagt.
"Ja, sicher", dies könne "bei anderen Typen mit anderen Vorerkrankungen vielleicht auch anders laufen", räumt er ein. "Aber man neigt dazu, über die wenigen schlimmen Erfahrungen zu reden", glaubt Spranz. "Tausende", bei denen alles reibungslos verlaufe, würden da vielleicht übersehen, gibt er zu bedenken. "Am Anfang hat alles und jeder auf einen Impfstoff gehofft. Den gibt’s jetzt endlich." Entsprechend unverzagt geht Spranz auch zu seiner zweiten Impfung am 1. März, auch wenn Menschen auf die Folgeimpfung oft stärker reagieren. Die "gute Organisation", die er im Impfzentrum wahrgenommen hat, mit "reichlich Personal", "einer intensiven Auskunft" und einer "höflichen Behandlung" gäben ihm ein sicheres Gefühl.
Etwa 15 bis 20 überwiegend ältere Menschen waren an diesem Morgen vor Ort, viele deutlich gebrechlicher als Spranz, und mit Begleitern. Dass ihnen die Terminbuchung schwerer gefallen sein dürfte als ihm, kann Spranz sich vorstellen: Auch er hat über viele Tage "mehrfach zweigleisig" Online- und Telefonbuchung versucht, kam sogar im Callcenter durch, das aber ständig keine freien Termine hatte. Dies sei "kein Vorwurf"; auch nicht, dass es "mitten in der Nacht" war, als es ihm übers Internet endlich gelang. Spranz, der sich als "internet-begeistert" und "Neuem gegenüber schon immer offen" bezeichnet, räumt ein, dass Menschen mit ähnlichen Fertigkeiten bei der Buchung der Impftermine "im Vorteil sind". Auch der 92-jährigen Schwiegermutter von Richard Spranz hat das Ehepaar einen Termin organisiert.
Nun hofft Spranz, den viele Sinsheimer unter dem Spitznamen "Hartl" kennen, Unentschlossenen "ein positives Signal" geben zu können. "Im Sinne von: Wenn der Hartl das macht, dann kann ich das auch machen."