Eva Bender, Fachkraft für Sonderpädagogik an der Steinsbergschule, hilft Simon beim Stempeln mit Farbe. Foto: Christian Beck
Von Christian Beck
Sinsheim. Ein autistisches Kind, das sich mit Händen und Füßen wehrt, und nur zur Ruhe kommt, wenn es jemand in den Arm nimmt. Ein Jugendlicher, der gerne seine eigenen Wege geht, und nur wieder im Klassenzimmer landet, wenn ihn der Lehrer an die Hand nimmt. Die zwei Beispiele zeigen, dass an Schulen, an denen Kinder mit Behinderung unterrichtet werden, Körperkontakt unvermeidlich ist – auch in Zeiten der Corona-Krise. "Führung durch körperliche Grenzen" nennt dies Andreas Fuchs, Rektor der Steinsbergschule. Mit der RNZ sprach er über "enorme Herausforderungen", vor denen Lehrer, Schüler und deren Eltern stehen.
Diese beginnen bereits beim Weg zur Schule: Das Einzugsgebiet der Steinsbergschule ist groß, die Kinder werden mit Kleinbussen von zu Hause abgeholt. Nicht jeder Schüler verstehe, dass es sinnvoll ist, eine Maske zu tragen, berichtet Fuchs. Für das Busunternehmen, die Firma Elisabeth Wolfert aus Meckesheim, sei dies schwierig – schließlich möchten sich auch die Busfahrer schützen. Die Konsequenz: In vielen Fällen wird maximal ein Schüler pro Bus transportiert.
In der Schule selbst ist für Lehrer der erwähnte Körperkontakt unvermeidlich: Einige Kinder müssen gewickelt werden, bei anderen ist der Speichelfluss stark ausgeprägt, und auch das Mittagessen verläuft nicht so wie bei Kindern ohne Behinderung. Hier tragen die Lehrer Masken oder Schutzvisiere, berichtet der Rektor, beim Unterricht eher nicht. Doch wie man sich im konkreten Fall verhält, sei eben oft eine Einzelfallentscheidung. "Wir sind da alle hin- und hergerissen", räumt der Rektor ein.
Bei der Steinsbergschule kommt die Dezentralität erschwerend hinzu: Schüler sind auf fünf Standorte verteilt. Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, unterrichten die Lehrer nunmehr nur noch an einem Standort. Das erschwere die Planung deutlich, erklärt Fuchs, zumal mehr als ein Drittel der Lehrer nicht unterrichten, da sie einer Risikogruppe angehören. Aus dem gleichen Grund ist nur eine von vier Betreuungskräften im Einsatz.
Doch auch für die Schüler und deren Eltern ist die Situation nicht leicht. Denn von knapp über 70 Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis 18 Jahren sind momentan die wenigsten in der Schule. Nämlich jene, die eine Abschlussklasse besuchen oder Teil der Notbetreuung sind. "Viele Schüler brauchen permanente Aufsicht", erklärt Fuchs. Für so manche alleinerziehende Mutter sei die Belastung sehr groß, wenn sie ihr Kind mit Behinderung die ganze Zeit betreut. Deshalb wurden die Bedingungen für die Notbetreuung gelockert. Doch einige der Kinder zählen selbst zur Risikogruppe, beispielsweise, weil sie einen Herzfehler oder eine chronische Bronchitis haben. In diesen Fällen hätten sich die Eltern dazu entschieden, dass ihre Kinder zu Hause bleiben.
Dort falle es Mädchen und Jungen mit Behinderung aber schwer, schulische Inhalte zu lernen, berichtet Fuchs. Manche haben Lernmaterial nach Hause bekommen. "Aber für manche unserer Schüler haben Buchstaben und Zahlen keinerlei Bedeutung", bemerkt der Rektor. Hier versuche man, mit Filmen und Liedern auf der Schul-Homepage etwas zur Verfügung zu stellen, was den Kindern ein wenig Schul-Alltag vermittelt.
Bis zum Schuljahresende soll jeder die Schule noch einmal von innen gesehen haben, hat Kultusministerin Susanne Eisenmann verkündet. "Das geht bei uns", sagt Fuchs dazu. "Aber nicht für alle zur gleichen Zeit." Denn dazu seien die Räume schlicht zu klein, der Abstand sei dann noch schlechter einzuhalten. Vielmehr ist geplant, dass eine Hälfte der Schüler in einer Woche unterrichtet wird, die andere Hälfte in der darauffolgenden Woche. Wie es nach den Sommerferien weitergeht, weiß der Rektor noch nicht. Dass an der Steinsbergschule dann wieder wie vor der Corona-Krise unterrichtet wird, kann er sich nicht vorstellen. "Meine persönliche Meinung lautet: Das geht erst, wenn ein Impfstoff gefunden ist."